Verhütung
Langzyklus: Pille ohne Pause?

Wer hormonell verhütet, kann die Mensturation langfristig aussetzen. Was dafür und was dagegen spricht
Langzyklus: Pille ohne Pause?
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Ab dem Zeitpunkt der ersten Periode stehen Frauen in ihrem Leben durchschnittlich mehr als 2000 „Tage“ ins Haus – sechs Jahre Regelblutung insgesamt. Muss das sein? Viele Ärzte sagen: Keineswegs. Ein kleiner Trick reicht, um die Menstruation auszusetzen – zumindest, wenn man hormonell verhütet.

Manche Frauen haben es schon immer mal auf eigene Faust getan, wenn etwa eine Reise, eine Prüfung oder ein Wettkampf bevorstanden und die Monatsblutung nicht in die Planung passte. Es geht ganz einfach: Man lässt, sobald die Pillenpackung nach dem 21. Dragee leer ist, die übliche Pillenpause weg und greift stattdessen gleich zur nächsten Packung. Ohne Pause kommt es nämlich nicht zum Abfall des Hormonspiegels und somit auch nicht zur Blutung. Seit ein paar Jahren ist der „Urlaub von der Regel“ auch wissenschaftlich abgesegnet: die Pilleneinnahme im Langzyklus. Die Dauer dieser blutungsfreien Zeit können Sie in Absprache mit Ihrem Frauenarzt selbst festlegen. Meist wird eine 12-wöchige Einnahme mit anschließender 7-tägiger Pause praktiziert. Danach kann es wieder von vorn losgehen.

Pille ohne Pause: Was Sie wissen sollten

  • Welche Pillen-Präparate sind geeignet? Und geht es auch ohne Schlucken?
    Zur Langzeitanwendung eignen sich nur niedrig dosierte Mikropillen, bei denen jede Tablette die gleiche Kombination aus Östrogen und Gestagen enthält. Am besten sind gestagenbetonte Präparate, denn durch sie baut sich weniger Gebärmutterschleimhaut auf. Inzwischen gibt es auch ein Präparat, das speziell zur Anwendung im Langzyklus konzipiert wurde. Die „YAZ“ enthält die Wirkstoffe Ethinylestradiol und Drospirenon. Übrigens: Eine Alternative zur Mikropille ist die Hormonspirale, die ebenfalls die reguläre Menstruation unterbindet bzw. stark abschwächt. Auch ein Verhütungsring (Vaginalring, NuvaRing) oder ein Verhütungspflaster (Hormonpflaster) eignen sich für den langen Zyklus. Der Ring wird sofort nach 3 Wochen und nicht erst nach 7-tägiger Pause durch einen neuen ersetzt, das Pflaster durchgehend geklebt.
  • Was sind die Vorteile des Langzyklus?Die Verhütungssicherheit steigt im Vergleich zum herkömmlichen Einnahmerhythmus. Denn der konstant hohe Hormonspiegel unterdrückt die Funktion der Eierstöcke umfassender, als wenn alle 3 Wochen eine Pause eingelegt wird. Und so fällt eine vergessene oder wegen einer Darmverstimmung wirkungslose Pille nicht so stark ins Gewicht. Menstruationsbeschwerden wie Unterleibskrämpfe, Bauch-, Rücken- und Kopfschmerzen, Migräne oder zyklusbedingte Stimmungsschwankungen gehen deutlich zurück. Auch Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder sexuelle Lustlosigkeit werden seltener beobachtet.
    Auch einige Erkrankungen, die mit Hormonschwankungen oder mit der Regelblutung zusammenhängen, können durch einen Langzyklus positiv beeinflusst werden, z.B. Endometriose, Myome, Eierstockzysten sowie durch starke Blutungen verursachter Eisenmangel.
  • Was sind die Nachteile des Langzyklus?
    Mancher Frau kommt es unheimlich vor, über einen längeren Zeitraum keine Regel zu haben. In einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gab nur etwa jede vierte Frau an, für mehrere Monate darauf verzichten zu wollen. Gesundheitliche Risiken treten aber nicht häufiger auf als bei der konservativen Anwendungsform, und diese müssen ohnehin bereits bei jeder hormonellen Verhütung vorab geklärt werden. Zum Beispiel wird Raucherinnen wegen der erhöhten Thrombose- und Schlaganfallgefahr von der Einnahme östrogenhaltiger Pillen abgeraten. Als Nebenwirkung können freilich zu Beginn des Langzyklus Zwischenblutungen auftreten. Meist legen sich diese schließlich von selbst: Nach und nach baut sich immer weniger Gebärmutterschleimhaut auf, und die Blutung bleibt aus.
    Ob mit dem Langzyklus Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind, die sich eventuell erst nach vielen Jahren zeigen, lässt sich heute noch nicht beurteilen. Da Langzeitstudien über die Non-stop-Einnahme fehlen, plädieren vorsichtige Mediziner dazu, die Pille nur bei Zyklusproblemen oder anderen mit Hormonschwankungen verbundenen Beschwerden im Langzyklus einzunehmen.
  • Ist das Ausbleiben der Blutung nicht unnatürlich?
    Nein, denn die Regel, die Sie unter Anwendung der Pille haben, ist ohnehin keine natürliche Menstruation. Es ist eine funktionslose „Pseudo-Menstruation“, die allein durch den Hormonentzug durch die Pillenpause ausgelöst wird. Als die Pille Anfang der 60-er Jahre eingeführt wurde, hat man bewusst dieses Schema gewählt, weil man davon ausging, dass eine monatliche Blutung, die die Natur imitiert, die Akzeptanz der neuen Verhütungsmethode erhöhte – bei den Frauen und der Kirche. Für die Verträglichkeit der Pille war sie nicht erforderlich. Theoretisch „kann ein Zyklus jeder beliebigen Länge gewählt werden“, soll einer der Pillenentwickler schon 1958 gesagt haben. Und heute liegt die Hormondosis etwa 200-mal niedriger als vor 50 Jahren. 
  • Manche Wissenschaftler halten die Menstruation ohnehin für ungesund. Zum Beispiel der brasilianische Reproduktionsmediziner Elsimar Coutinho und sein US-Kollege Sheldon Segal. Mit ihrem im Jahre 2000 erschienenen Buch „Is  Menstruation Obsolete?“ (deutscher Titel „Ist die Menstruation überflüssig?“) lösten sie den Trend zum Langzyklus maßgeblich aus. Ihr Hauptargument: „Die unaufhörliche Menstruation ist unnötig und kann für die Gesundheit der Frauen schädlich sein. Sie ist ein nutzloser Blutverlust.“ Und viele Frauenärzte schließen sich inzwischen dieser Sichtweise an: Die Periode sei von der Natur als Ausnahmezustand im Leben einer Frau gedacht, nicht als Regel. Denn ursprünglich lebten Frauen kürzer, bekamen jede Menge Kinder und stillten sie über mehrere Jahre. In der Folge menstruierten sie selten, nämlich nur etwa 160-mal im Leben. Die rund 450 Menstruationen, die moderne Frauen durchmachen, seien ein künstliches Phänomen der Zivilisation, für das der weibliche Körper gar nicht ausgelegt sei. Das ständige Menstruieren erhöhe das Risiko für bestimmte Krebsformen wie Tumore von Gebärmutter und Eierstöcken.

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 20.09.2023