Mit 33 war Melanie Kohl internationale Marketing-Managerin, doch glücklich und erfüllt war sie nicht. 150 Tage im Jahr verbrachte sie auf Dienstreise. Dann kam der Tag, der ihr Leben veränderte. Plötzlich verspürte sie einen stechenden Schmerz in ihrer Brust. Und in diesem Moment verlor sie die Kontrolle über ihren Körper. Der erste Gedanke: Herzinfarkt. Der Arzt diagnostizierte allerdings etwas anderes: Psychische Überlastung.
Warum sind wir alle so gestresst?
In den letzten Jahren ist die Anzahl der Z73 Diagnosen, im Allgemeinen als Burnout oder Überlastung bekannt, deutlich gestiegen. Wurden im Jahr 2009 lediglich rund 621.000 Patienten wegen solcher Probleme behandelt, waren es im Jahr 2017 bereits 945.706.
Vor allem junge Menschen stehen heute oft unter starkem Stress. Eine Studie der britischen Psychologen Thomas Curran und Andrew Hill, die die Einstellungen junger Menschen von heute mit denen in den 80er-Jahren verglichen haben, zeigt, dass vor allem die Jungen sehr perfektionistisch sind.
Millennials haben vom Kindergartenalter an gelernt, zu performen, sind es gewohnt, sich selbst zu optimieren und tun sich deshalb schwerer, Fehler zu machen oder Dinge ohne schlechtes Gewissen einfach mal sein zu lassen. Andere Studien, die sich auf das allgemeine Stresslevel beziehen, bestätigen die These der gestressten Millennials. Eine Studie, die der AOK-Bundesverband 2016 in Auftrag gegeben hat, ergab: 53 Prozent, der mehr als 18.000 befragten Studierenden, stehen unter starkem Stress.
Von der Managerin zu Sinnsucherin
Perfektionismus ist offenbar gar nicht so gut, er macht sogar krank und unerträglich unglücklich. Mit der Diagnose war für Melanie Kohl klar, dass sich etwas ändern muss: Sie kündigte sofort ihren hochvergüteten Job und reiste nach Indien auf der Suche nach fernöstlichen Methoden, die ihr helfen sollten, wieder ihre ganze Energie sichtbar und nutzbar zu machen und vor allem wieder glücklich und erfüllt zu sein.
Im Ashram in Südindien fand sie endlich ihr wahres „Warum“. Die wichtigste Erkenntnis: Nur was Sinn gibt, gibt ihr Energie und macht sie glücklich. Heute ist Melanie Kohl Mental Coach und hilft anderen Menschen zu mehr Energie, Freude und gesundem Erfolg. Die besten Methoden um dauerhaft leistungsfähig und glücklich zu sein, hat sie in ihrem Buch „Power auf Dauer – Das Geheimnis für mehr Energie, Achtsamkeit und Erfolg“ zusammengefasst.
Im Interview hat sie uns 4 Strategien verraten, die die innere Perfektionistin beruhigen:
1. Erkenne deine Muster
In welchen Situationen bist du besonders perfektionistisch? Wo fällt es dir schwer, die Dinge einfach mal gut sein zu lassen? „Wenn wir achtsam beobachten in welchen Situationen unser Streben nach Anerkennung besonders stark ist, können wir die Gefühle dahinter erkennen.“
2. Übe unperfekt zu sein
„Suche dir eine Aufgabe, bei der es nicht darauf ankommt, alles perfekt zu machen“, sagt Kohl. Du kannst zum Beispiel die Spülmaschine einfach mal nicht sofort ausräumen oder morgens einfach mal nicht das Bett machen. „Perfektionistinnen verspüren dann oft einen inneren Druck“, sagt Kohl. Dann empfiehlt sie sich die Frage zu stellen, was im allerschlimmsten Fall passieren könnte. Du wirst sehen: alles halb so schlimm. Das Leben geht weiter – auch mit ungemachtem Bett.

3. Habe Mitgefühl mit dir selbst
Fehler machen ist menschlich und gehört zum Leben dazu. „Oft ist es sehr hilfreich, sich die eigenen Erfolge immer wieder bewusst zu machen. Wer sein Selbstwertgefühl gezielt stärken will, kann eine Liste mit seinen positiven Eigenschaften und Stärken anlegen“, so Kohl. Eine kleine Erinnerung an deine Superkräfte für die Tage, an denen es mal wieder alles andere als perfekt läuft.
4. Hinterfrage deine Glaubenssätze
„Häufig stecken hinter einem hohen Anspruch an sich selbst und die eigene Leistung Glaubenssätze ‚Ich darf keine Fehler machen‘ oder ‚Ich bin nicht gut genug'“, erklärt Kohl. Je mehr du solche Regeln und Gebote verinnerlicht hast, desto stärker können sie dein Verhalten bestimmen. Das Prinzip „The Work“ der US-Autorin Byron Katie ist eine effektive Technik, um solche Glaubenssätze zu hinterfragen und aufzulösen. Dazu identifizierst du deine stressenden Glaubenssätze und stellst du dir selbst folgende Fragen:
1. Ist das wahr?
2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
3. Wie reagierst du und was passiert, wenn du diese Gedanken glaubst?
4. Wer wärst du ohne diesen Gedanken?
Indem du deinen Glaubenssätzen so begegnest, stellst du schnell fest, dass es gar nicht so gut tut, alles zu glauben, was du über dich selbst denkst, und, dass du ohne diese bremsenden Gedanken glücklicher wärst. Was passiert also, wenn du diese Sätze in das Gegenteil umkehrst? Wenn aus „Ich bin nicht gut genug“ ein „Ich bin gut so, wie ich bin“ wird? Fühlt sich gleich viel besser an, oder? Um dich selbst davon zu überzeugen, kannst du nun Beweise dafür finden, dass du genau so wie du bist, gut bist. Dir fällt nichts ein? Dann frag mal deine Familie und Freunde.
Womöglich ist Perfektionismus deine größte Schwäche. Vielleicht deine einzige. Denke daran: Nur wenn du nicht nur mit deiner Leistung zufrieden, sondern dabei auch glücklich und entspannt bist, ist alles unperfekt perfekt.