Wie oft hast du in den letzten Wochen gesagt oder geschrieben: "Sorry, keine Zeit"? Ein Blick in deinen Terminkalender verrät, dass du verdammt wenig freie Lücken vorweisen kannst, stimmt’s? Willkommen im Club. Im Club der Zeitlosen.
Am Zeitmangel ist in erster Linie meist der Job Schuld, der ganz schön viele Slots in der Woche blockiert. Aber auch die restlichen Stunden sind oft schon komplett verplant. Fast so, als wäre es aus der Mode gekommen, freie Zeit zu haben...
Wie oft du freie Zeit wieder unfrei machst
In der Kindheit fiel es selten schwer, Stunde um Stunde auf dem Spielplatz zu vertrödeln. Oder die Zeit beim Skateboardfahren einfach zu vergessen. Heute ist das anders. Zeit erscheint uns als so ein wertvolles Gut, dass es total verpönt ist, sie nicht bloß auch intensiv zu nutzen.
Das Absurde: Wir versuchen, so viele Momente wie möglich auszukosten und diese mit sinnstiftenden Aktivitäten zu füllen. Phasen der Langeweile und des Nichtstuns? Gelten als pure Verschwendung der wertvollen Freizeit.

„Vielen Menschen fällt es schwer, Zeiten anzunehmen, in denen sie nicht entweder gefordert oder unterhalten werden. Dabei braucht es diese leere Zeit, damit Strukturen und Rhythmen überhaupt entstehen können“, erklärt Professor Karlheinz Geissler, Autor des Buches „Die Uhr kann gehen. Das Ende der Gehorsamkeitskultur“ (Hirzel Verlag, um 20 Euro).
Geissler weiß, wovon er redet, denn er lebt seit über 30 Jahren ohne Uhr. Und er rät zu einem viel achtsameren Umgang mit der eigenen Lebenszeit: „Wenn du auf den vergangenen Tag, die Woche oder das Jahr zurückblickst, an was erinnerst du dich dann? Nicht an den Ablauf von Minuten, sondern an Erlebnisse. Und dafür muss es möglich sein zu schlendern und zu trödeln.“

Warum ab und zu faulenzen wichtiger ist als immer produktiv sein
Oft ist es der Stillstand, der dich nervt. Warum es nicht einfach mal genießen? Einfach mal im Stau stehen und sich nicht darüber aufregen. Oder auf dem Sofa sitzen, ohne sich den Kopf zu zermartern, was wohl als nächstes getan werden könnte. Das ist keine Zeitverschwendung, sondern sehr gesund.
„Wer immer nur daran denkt, was er als nächstes zu tun hat, provoziert im Körper automatisch kleine Stressreaktionen“, sagt der Klinische Psychologe Dr. Kevin Chapman. Das erzeugt auf Dauer nicht nur chronischen Stress, sondern ist auch der Nährboden für Schlaflosigkeit oder Appetitlosigkeit.
Letztlich führt die unaufhörliche Produktivität dann über kurz oder lang dazu, dass man unproduktiver wird: „Wer immer überall mitmischt und sich viele Aufgaben auflädt, schafft letztlich nicht mehr. Er neigt eher dazu, überfordert zu sein und ins extreme Aufschieben abzurutschen“, warnt Chapman.
Für Menschen, die Angst davor haben, ihre Zeit zu verschwenden, sind leider auch klassische Entschleunigungsmaßnahmen wie Meditation eher ungeeignet. „Wenn jemand Angst davor hat, unproduktiv zu sein, dann ist Herumsitzen und vor sich hin Meditieren eher etwas, das demjenigen ein Gefühl von Nutzlosigkeit gibt“, so der Psychologe. Dieses Phänomen hat übrigens auch einen Namen: Fond. Aber was hilft dagegen?

Wie du der Zeit zeigst, dass sie nur dir gehört
Das Wichtigste für dich ist jetzt: Die Besessenheit ablegen, dass der Tag nicht genügend Minuten hat. Und zwar durch das Abschütteln von Katastrophen-Szenarien: Was alles passieren könnte, wann diese oder jene Sache nicht erledigt wird...
Besser: Positive Affirmationen schaffen. Sätze wie „Ich habe nur Zeit für eine Sache, aber die mache ich richtig gut“, helfen. Denn letztlich ist genau die Zeit, die wir uns bewusst nehmen die beste Zeit unseres Lebens!
Zeit entsteht nicht neu. Du musst die nehmen, die da ist. Also nimm sie dir bewusst, auch wenn du dafür etwas vermeintlich Wichtiges nicht tust. Tu einfach mal nichts und schau der Zeit beim Vergehen zu!