Lebensmittelverschwendung
So landet bei dir weniger Essen im Müll

Jeden Tag landen Tonnen an Lebensmitteln im Müll. Unsere Kollegin hat ausprobiert, wie es gelingt, weniger Essen wegzuwerfen, und erklärt, wie auch du Verschwendung vermeiden kannst
buntes gemüse
Foto: Pexels/Ella Olsson

Suchend springt mein Blick durch den Kühlschrank. Wo ist nur der Parmesan? Doch während ich den Käse offenbar aufgegessen habe, stolpere ich über andere Schätze aus vergangenen Zeiten: 2 abgelaufene Joghurts, ein Bund schrumpelige Radieschen und eine angebrochene Flasche Apfelsaft mit Pelz auf der Oberfläche. Im Obstkorb sieht es nicht viel besser aus, darin liegen 3 rabenschwarze Bananen. Das ist ja fast ein Einkaufskorb voll, der da im Müll landet!

Das Schlimmste: So wie mir geht es den meisten Deutschen, denn die Zahlen sprechen für sich: Jährlich landen in Deutschland 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Im Schnitt werden 81 Kilo Nahrungsmittel pro Person und Jahr weggeworfen! Das ist nicht nur Verschwendung, es hat auch katastrophale Folgen für Klima und Umwelt. Eine Studie der US-Umweltbehörde EPA zeigte, dass allein der Food Waste der USA jährlich Treibhausgas-Emissionen von 42 Kohlekraftwerken entspricht und soviel Wasser und Energie verschwendet, wie 50 Millionen Haushalte im jahr benötigen.

Dabei ist es doch ganz leicht, diese Menge an Lebensmittel-Müll zu reduzieren. Und Geld spart man auch: 940 Euro pro Jahr in einem 4-Personen-Haushalt! Wir verraten dir die besten Tipps, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.

Die Lebensmittelverschwendung beginnt beim Einkauf

Warum statistisch gesehen ein Drittel meines Einkaufs im Mülleimer oder der Biotonne landet, erklärt Selvihan Koç aus dem Referat für Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein: „Wir kaufen häufig viel zu viel ein. Unter anderem, weil der Handel ständig mit vermeintlich attraktiven Angeboten lockt und verstärkt große Gebinde anbietet. Dann kostet ein Netz mit 10 Orangen genauso viel wie 5 einzeln gekaufte. Doch wenn ich letztlich 6 Früchte wegwerfe, habe ich sogar mehr bezahlt – und abgesehen davon wertvolle Lebensmittel verschwendet.“ Eine Entwicklung, die sich seit 1970 verdoppelt hat.

Buchtipp: Zero Waste Kitchen von Veronika Pichl, riva Verlag, um 10 Euro

Orangen
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Beim Kauf lohnt es sich, genau zu überlegen statt auf Sonderangebote zu achten: Wie viele Orangen brauche ich wirklich?

Wegwerf-Gesellschaft: Was sind uns Lebensmittel noch wert?

Die Wertschätzung gegenüber Nahrungsmitteln hat sich in den letzten Jahrzehnten extrem verändert: Während wir 1950 noch 50 Prozent unseres Einkommens für Essen und Trinken investieren mussten, geben wir heute gerade mal 10 Prozent dafür aus. Milch, Wurst, Äpfel und Blumenkohl sind zu Billigprodukten verkommen und werden entsprechend behandelt: 49 Prozent unseres gekauften Obstes und Gemüses landen unangetastet in der Tonne, dabei lässt sich auch überreifes Obst noch toll verwerten.

Doch nicht nur Obst und Gemüse landen im Müll, auch 14 Prozent aller Backwaren, bei Fleisch, Fisch und Milchprodukten sind es 11 Prozent. Nahrung ist heute überall, zu jeder Zeit und im Überfluss vorhanden. Und unsere Erwartungshaltung, auch noch um 19:45 Uhr ein frisches Dinkel-Chia-Brot kaufen zu können, sorgt ebenfalls ein Stück weit für volle Regale bis zum Ladenschluss – mit dem erwähnten Ausschuss.

Vom Feld in den Müll: Essen wegwerfen nach dem Schönheitsprinzip

Doch nicht nur in den Privathaushalten landen große Menge an Lebensmitteln im Müll: „Bis zu 30 Prozent der gesamten Obst- und Gemüseernte landen gar nicht beim Konsumenten, sondern werden vorher aussortiert“, erklärt Lebensmittelretterin Amelie Mertin aus München.

Sobald Kartoffeln zu groß oder zu klein sind, Möhren ein zweites Bein oder Äpfel eine Druckstelle haben, gelten sie als „unverkäuflich“. Im günstigsten Fall landen sie dann bei Mertin. Sie betreibt mit 3 anderen Gründern das Start-up Querfeld (www.querfeld.bio), das diesen Ausschuss mit Schönheitsfehlern direkt von den Biobauern erwirbt und es an Caterer und Großküchen verkauft.

Karotten mit Makel
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Einzigartig, gesund und lecker: Karotten mit Makel.

„Das meiste jedoch wird nach wie vor auf dem Acker liegen gelassen, in der Biogasanlage verbrannt oder zu Tierfutter. Dabei freuen sich unsere Kunden sogar über große Exemplare – so müssen sie weniger schälen. Auf Qualität und Geschmack hat ein kleiner Makel eh keinen Einfluss“, so Mertin, die auf diesem Wege mehrere Tonnen einwandfreie Lebensmittel vor der Vernichtung bewahrt hat.

Doch es gibt noch viel zu tun: Vom Acker bis zum Teller sind es jährlich 500 000 Lkw-Ladungen Lebensmittel alleine in Deutschland, die nicht gegessen werden. Zum Glück wachsen aber auch die Initiativen, die sich für den verantwortlichen Umgang mit Essen stark machen (siehe weiter unten).

Food-Waste-Ursache: Das Mindesthaltbarkeitsdatum

Ungeöffnet haltbar bis: Dieser Satz mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) feuert die Lebensmittelverschwendung zusätzlich an. Allein etwa 5 Prozent aller entsorgten Lebensmittel werden laut einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nur weggeworfen, weil das aufgedruckte Datum überschritten ist. Dabei sagt die Zahl nichts über die Genießbarkeit des Joghurts oder der Nudeln aus. Wie auch – schließlich wissen beide nicht, dass sie am Tag X plötzlich sauer oder schimmelig werden müssten.

„Das Datum drucken die Hersteller nach eigenem Ermessen auf die Verpackungen. Sie garantieren damit nur, dass das geschlossene, richtig gelagerte Lebensmittel mindestens bis zu diesem Zeitpunkt die zugesicherte Konsistenz, Farbe, den Geruch und Geschmack sowie den Nährwert behält“, erklärt Verbraucherschützerin Koç.

Tatsächlich ist die Mehrheit der Produkte noch Tage, Wochen, Monate, wenn nicht sogar Jahre später bedenkenlos verzehrbar. „Grundsätzlich gilt: Je trockener ein Nahrungsmittel ist, desto länger ist es haltbar.“ Deswegen steht auf Zucker und fluorfreiem Salz bereits seit Längerem kein MHD mehr drauf.

Unser Tipp, um das Wegwerfen von Lebensmittel zu stoppen: Nach Ablauf des MHDs solltest du einfach eine eigene Qualitätskontrolle per Augen, Nase und Mund durchführen. Nur was durchfällt, landet auf dem Kompost oder im Mülleimer.

Lebensmittelverschwendung vermeiden
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Der Joghurt hat sein MHD überschritten? Na und?

3 clevere Tipps, wie du die Haltbarkeit deiner Lebensmittel verlängerst

Lebensmittel mit geringer Haltbarkeit landen besonders schnell im Müll. Dabei gibt es clevere Tipps und Tricks, wie du die Haltbarkeit verlängern kannst:

1. Weg mit den Plastikverpackungen
Folien sollen Obst und Gemüse schützen und haltbarer machen. Doch bei Temperaturschwankungen beginnen Möhren und Bananen oft zu schwitzen und verderben schneller. Obst besser ohne lagern, bei Gemüse verzögern spezielle Behälter mit Vakuumdeckel den Verfall.

2. Lebensmittel richtig lagern
Orientiere dich bei der richtigen Lagerung am Herkunftsland des jeweiligen Lebensmittels: Südfrüchte mögen keine Kälte, Kartoffeln lieben es kühl und dunkel. Äpfel und Tomaten separat aufbewahren. Ihr Pflanzenhormon Ethylen beschleunigt den Reifeprozess der Nachbarn.

3. Einfrieren statt wegwerfen
Fast alle Gemüse- und viele Obstsorten lassen sich einfrieren und später zum Beispiel zu Suppen oder Smoothies verarbeiten. Waschen, klein schneiden, fertig. Manche Meal Prepper packen sich auch "Smoothie-Beutel", sprich: Alle Zutaten für einen Smoothie klein schneiden und einfrieren. Bei Bedarf dann einfach herausholen und in den Mixer schmeißen. Der Smoothie ist dadurch angenehm kühl.

Was können wir alle gegen Lebensmittelverschwendung tun?

Beim Thema Food Waste sind es in erster Linie Kleinigkeiten, die zu großen Veränderungen führen können: Dazu zählen zum Beispiel die gute alte Einkaufsliste und ein bisschen Planung, die sowohl uns als auch die Lebensmittel vor Verschwendung schützen. Frage dich vor dem Einkauf: Wie viele Mahlzeiten esse ich tatsächlich zu Hause?

Oder: Werde ich die ganze Staude Bananen wirklich schaffen zu essen? Braune Bananen sind wohl der Klassiker unter den Wegwerf-Lebensmitteln, dabei kann man mit ihnen noch so viel machen: Mache zum Beispiel eine schnelle Nicecream (gesundes, veganes Bananen-Eis) oder einen leckeren Smoothie/ Smoothie-Bowl. Die überreife Banane enthält soviel Fruchtzucker, dass du kein weiteres Süßungsmittel mehr brauchst.

So geht Meal Prep
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Müslis, Bowls und Salate vorbereiten: Eine ganze Woche voller gesundem Genuss.

Auch Meal Prep kann helfen, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. „Meal Prep“ ist im Grunde nichts anderes als „Vorkochen“. Plane deine Mahlzeiten für die Woche und koche sie vor. Dann verpackst du alles in Tupperdosen und hast immer eine vollwertige Mahlzeit parat – ob als Mittagessen to go oder wenn du abends nach Hause kommst.

Ein weiterer guter Tipp: „Gehe nicht hungrig ins Geschäft, sonst kaufst du nachweislich mehr, als du brauchst“, rät Koç. Das kann auf dem Kompost, aber auch auf den Rippen landen.

Der Kauf beim Bauern oder auf dem Wochenmarkt steigert das Bewusstsein für Waren und befreit aus den kommerziellen Zwängen der Lebensmittelindustrie. Unterstütze zudem Händler, die Produkte mit kurzem MHD verkaufen. Kleiner Tipp: Übe bei Obst und Gemüse doch in Zukunft so viel Nachsicht wie bei deinem Freund. Den liebst du schließlich auch mit seinen kleinen Macken …

Lebensmittelreste verwerten, statt wegwerfen

Verarbeitest du für deine Mahlzeiten viel Obst und Gemüse, fallen Abschnitte und Schalen an. Der Berg scheint manchmal genauso groß, wie das geputzte Gemüse in der Schüssel neben deinem Biomüll. Hast du dich hier schon mal gefragt, was du daraus kochen kannst? Fakt ist: Fast alles am Obst oder Gemüse lässt sich verwerten. Egal ob Kerngehäuse, Schale oder sogar die Wurzel.

Denke mal an deine Oma: Wenn sie ihren Sonntagsbraten zubereitet hat, stand vielleicht ein großer Topf mit Wasser auf dem Herd, in den sie all diese Abschnitte hineingab. Daraus kochte sie Brühe und verwendete alles, was an Resten übrigblieb. Knochen oder Sehnen vom Rind. Je nachdem entstand so eine Rinder-, Hühner- oder Gemüsebrühe. Heute siehst du das kaum noch, da der klassische Fond von Tütensuppe und Co abgelöst wurde. Was dabei vergessen wird: Eine selbstgekochte Brühe ist der effizienteste Resteverwerter, den es gibt.

Wenn Reste einer Mahlzeit vom Vortag übrigbleiben, müssen diese nicht unbedingt im Müll oder zum Erwärmen in der Mikrowelle landen. Gab es bei dir zuvor Spaghetti Bolognese, aber du hast nicht alles verzehrt? Kein Problem – daraus wird eine Frittata. Dieses Omelette aus Italien setzt der Küchen-Kreativität keine Grenzen, denn hier kannst du jegliche Art von Gemüse verarbeiten.

Reste fallen bekannterweise nicht nur beim Kochen von Mittag- oder Abendessen an, sondern auch beim Frühstück: Alte Brotscheiben, das schon seit einer Woche in der Bäckertüte neben dem Schneidebrett herumliegt oder der Bodensatz Erdbeermarmelade im Glas. Kein Problem: Das Brot zerkleinerst du im Mixer und nutzt es als Paniermehl für Schnitzel. Eine andere Möglichkeit besteht darin, das Brot in Würfel zu schneiden und in Butter mit etwas Knoblauch und Kräutern anzubraten. So entstehen leckere Croutons, die fast zu allem schmecken. Mit diesen einfachen Methoden sorgst du dafür, dass so viel wie möglich vom jeweiligen Lebensmittel verwendet wird.

Diese 4 Initiativen, Apps und Restaurants kämpfen gegen Lebensmittelverschwendung

1. Foodsharing: In den letzten 4 Jahren hat die Initiative knapp 7 Millionen Kilo Lebensmittel gerettet. Einfach anmelden und Nahrungsmittelreste mit anderen teilen oder die Reste in einen der bundesweiten "Fair-Teiler"-Kühlschränke stellen. Hier geht's zur Food-Sharing Anmeldung.

2. Zu gut für die Tonne: Mit dieser und der "Restlos genießen"-Aktion reagiert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf den skandalösen Umgang mit Lebensmitteln. Dabei verraten Spitzenköche großartige Reste-Rezepte oder es werden Restaurants aufgelistet, die dem Gast Reste umweltfreundlich verpackt mitgeben. Mehr Infos unter www.zugutfuerdietonne.de

3. ResQ: 10 Prozent aller zubereiteten Mahlzeiten in Restaurants werden weggeworfen. Schluss damit! Dank der Food-Saving-Plattform „ResQ“ können diese günstig abgeholt werden. Gleich Angebote in deiner Umgebung checken.

4. Restegourmet: Falls du mal nicht so kreativ bis kann dir die App Restegourmet dabei helfen, die letzten Lebensmittel aus deinem Kühlschrank oder der Vorratskammer in ein leckeres Gericht zu verwandeln. Du gibst die Lebensmittel ein, die noch im Kühlschrank oder der Speisekammer sind und erhältst ein Rezept, was du daraus kochen kannst.

Jeder kann etwas an der steigenden Lebensmittelverschwendung ändern: Kaufe nicht mehr ein, als du wirklich brauchst und greife bewusster zu zu regionalen und saisonalen Lebensmitteln. Und vor allem: Sei kreativ beim Kochen und verwende Reste für neue Kreationen. Aus der braunen Banane aus dem Obstkorb lassen sich zum Beispiel leckere Smoothie und sogar Brownies backen.

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Soul Sister 2 / 2023

Erscheinungsdatum 19.09.2023