- Selbstwertgefühl im Homeoffice
- Die negativen Folgen von Video-Calls
- Selbstzweifel boomen wie nie
- Chirurgische Eingriffe für mehr Selbstwertgefühl
- Dauerhafter Druck mach krank
- Ungefiltert: Im Video-Call sehen wir uns, wie wir sind
- Fokussiere deine Stärken und nicht dein Aussehen
In Zeiten der Pandemie wird es immer schwerer, Leute zu treffen. Zum Glück gibt es Video-Meetings. Wobei: Das ist nicht nur pures Glück, sondern auch eine neue Art von Stress.
Zoom-Meetings sind eine feine Sache – um den Job am Laufen zu halten. Fürs Stresslevel und das Selbstwertgefühl sind diese Video-Call-Zeiten hart. Denn der ungefilterte Bildschirm-Auftritt hat Folgen für Körper und Seele. Wir sagen dir, warum und wie du dich dagegen schützt.
Selbstwertgefühl im Homeoffice
Der Montag kommt und mit ihm das erste Video-Meeting der Woche. Im Spiegel checkst du noch schnell, ob du zwischen deinen Zähnen ungewollt Reste deines Frühstücks hamsterst, und im Wohnzimmer lässt du einen letzten prüfenden Blick durch den Raum schweifen, um sicherzustellen, dass du deiner Chefin über den Bildschirm nicht den vollen Wäscheständer präsentierst oder aus Versehen private Geheimnisse preisgibst.
Top vorbereitet trittst du dem Meeting bei und trotzdem – noch bevor dein Blick zur stylischen Designer-Couch der Kollegin wandert – ist deine Aufmerksamkeit erst einmal fest auf etwas anderes gerichtet: dein eigenes Gesicht, das dir da entgegenblickt! Und höchstwahrscheinlich bist du unzufrieden mit dem, was du siehst.
Die negativen Folgen von Video-Calls
Ob nun die Familie oder das Team die kleinen Rechtecke auf dem Bildschirmfüllen – im vergangenen Jahr sind Video-Calls bei den meisten zum festen Bestandteil des Lebens geworden. Die Zahlen der Videokonferenz-App Zoom belegen das: In den ersten 4 Monaten des Jahres 2020 verzeichnete sie einen Anstieg von 2000 Prozent in ihrer Nutzerzahl – von 650 000 auf 13 Millionen! Doch trotz ihrer Beliebtheit wirkt sich die App nicht nur positiv auf den Alltag aus.

Nachdem sich das Wort "Zoom" nämlich im Sprachgebrauch etabliert hatte, dauerte es nicht lange, bis auch der Ausdruck "Zoom-Fatigue" Einzug in die deutsche Sprache erhielt. Diese Online-Ermüdung stellt einen bösen Nebeneffekt der Kommunikationsweise dar. Eine Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen bestätigt: 60 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich durch die hohe Anzahl der virtuellen Meetings ausgelaugt fühlen. Dies liege neben starker Belastung der Augen und fehlenden Möglichkeiten zur Wahrnehmung von Körpersprache auch daran, andauernd auf dem Präsentierteller zu sitzen und sich dabei auch noch selbst beobachten zu können.
Selbstzweifel boomen wie nie
Logisch: Andauernd mit dem eigenen Aussehen konfrontiert zu sein, erhöht das Risiko, Makel daran zu finden. Laut einer Studie, die in der Zeitschrift Behaviour Research and Therapy veröffentlicht wurde, reicht bei Menschen mit einer körperdysmorphen Störung bereits ein Blick von 25 Sekunden auf sich selbst dafür aus (egal ob im Spiegel, auf Fotos oder dem Bildschirm). Und auch bei denjenigen, die ein gesundes Körperbild besitzen, machen sich nach 10 Minuten genauer Betrachtung Anzeichen von Verzweiflung und Beklemmung bemerkbar. Verbringst du also mehrere Stunden am Tag in virtuellen Meetings oder triffst dich mit Freunden oder der Familie auf einen Online-Kaffee, hast du reichlich Gelegenheit, Makel – ob eingebildet oder nicht – an dir zu entdecken.
Für diejenigen, die sich sowieso schon unwohl wegen ihres Aussehens fühlen, ist das ein wahrer Nährboden für Ängste. Denn die eigene äußere Wahrnehmung wirkt sich direkt aufs Selbstwertgefühl aus. Laut einer Umfrage unserer britischen WOMEN'S HEALTH-Kolleginnen bezeichnen 55 Prozent der Befragten das Betrachten des eigenen Selbst im Spiegel oder auf Bildern als größten negativen Einfluss auf das Selbstwertgefühl. Vergleichbare Forschungen über den Einfluss von Video-Meetings stehen noch aus, und negative Gefühle durch Selbstbetrachtung gab es natürlich auch bereits vor der Pandemie reichlich. Aber nun, da das Leben vermehrt online stattfindet, liegt es auf der Hand, dass dieses Problem nicht kleiner wird.
Chirurgische Eingriffe für mehr Selbstwertgefühl
Seit Beginn der Pandemie haben kleine und auch größere Beauty-OPs Hochkonjunktur. "Die Art der Nachfrage nach ästhetischen Behandlungen hat sich in der Corona-Krise verändert", sagt der Facharzt Dennis von Heimburg in Frankfurt am Main, langjähriger Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC).
Natürlich ist die Regenerationsphase nach einem Eingriff aktuell leichter machbar und auch blaue Flecken oder sichtbare Schwellungennach einer Lidkorrektur oder Ähnlichem lassen sich durchs Daheimbleiben besser kaschieren. Ausgelöst wird dieser Boom aber sicherlich in erster Linie dadurch, dass die Beschäftigung mit dem eigenen Spiegelbild zugenommen hat.
Dauerhafter Druck mach krank
Ella, 32-jährige Marketing-Managerin aus Berlin, kennt dieses Gefühl gut. Im März 2020 wechselte sie ins Homeoffice. Wie bei vielen anderen war ihr der Anblick ihres eigenen Gesichts auf dem Bildschirm anfangs unangenehm, und als aus Wochen Monate wurden, verstärkte sich das negative Gefühl und nagte zunehmend an ihrem Selbstwert.
Kundentreffen wurden zur Qual, Zoom-Calls mit Freunden zum Albtraum. "Ich habe schon früher Therapien gemacht, um an meinem geringen Selbstwertgefühl zu arbeiten, aber mir war nie bewusst, wie sehr diese Gefühle mit meinem Aussehen zusammenhingen", erklärt sie. "Es war, als ob ich eine Vorstellung davon hatte, wer ich bei der Arbeit und bei meinen Freunden war, aber diese Version passte einfach nicht zu dem Abbild auf dem Bildschirm. Ich weiß, das klingt dramatisch, aber ich hatte eine Art Identitätskrise."
Dr. Peace Amadi, Professorin für Psychologie und Beratung an der Hope International University in Kalifornien, forscht zu genau diesem Phänomen. Seit Jahren untersucht sie die Auswirkungen von sozialen Medien auf die psychische Gesundheit. Ihre wichtigste Erkenntnis: Wer ständig vermeintlich perfekte Menschen auf Instagram sieht, ist mit seinem eigenen Körper schneller unzufrieden und hat dadurch auch ein geringeres Selbstwertgefühl. Durch Video-Calls wird das nicht besser – im Gegenteil: "Nun, da die Bildschirmzeit bei den meisten Menschendrastisch in die Höhe geschnellt ist, können wir davon ausgehen, dass die Sorgen nicht nur geblieben sind, sondern zugenommen haben", so Amadi.
Ungefiltert: Im Video-Call sehen wir uns, wie wir sind

Einer der Gründe, weshalb sich die Videotelefonie so unangenehm anfühlen mag, ist die ungeschönte Darstellung des digitalen Bildes. Durch die Vertrautheit mit Facetune-Apps und zahlreichen Instagram-Filtern ist das unbearbeitete Bild auf Zoom ein anderes als erwartet und gewünscht.
"Die wachsende Kluft zwischen dem digital verbesserten idealen Selbst und dem tatsächlichen Selbsterzeugt eine Dysphorie. Das ist eine Störung des emotionalen Erlebens, die Betroffenen erleben sich als unzufrieden, schlecht gelaunt oder verzweifelt", sagt Amadi. "Und dadurch steigt die Gefahr zur Entwicklung von weiteren psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angstzuständen, Ess- oder Zwangsstörungen – und auch Dysmorphophobie, einer Störung, bei der sich die Patienten dick und hässlich fühlen, ohne dass es dafür einen objektiven Grund gibt."
Fokussiere deine Stärken und nicht dein Aussehen
Als Ella von ihren Freundinnen mit einem Zoom-Junggesellinnenabschied überrascht wurde und verzweifelt in Tränen ausbrach, beschloss sie, sich endlich Hilfe zu suchen. "Die Ironie, eine Zoom-Therapie zumachen, ist mir nicht entgangen", sagt sie lachend. "Aber ich erklärte meiner Therapeutin, weshalb ich meine Kamera nicht einschalten wollte und so fand ich endlich einen Weg, über ein Problem zu sprechen, das ich vorher nie in den Griff bekommen hatte."
Ella ist ihre Unsicherheit also angegangen. Aber geheilt hat sie letztlich nicht das Ausschalten der Kamera! Sondern das Arbeiten an sich selbst. Und natürlich ist es legitim, sich vor dem Video-Call etwas Rouge aufzutragen oder sich sogar eine spezielle Beleuchtung fürs bessere Gefühl und die vermeintlich bessere Optik zu besorgen. Für ein dauerhaft stabiles Selbstbewusstsein sorgt das aber natürlich nicht!
In Zeiten der Video-Calls ist es wichtiger denn je, gegen den Stress, immer gut auszusehen, anzukämpfen. Bodyscans und Bewegung können dir helfen, dich darauf zu konzentrieren, was dein Körper leistet und nicht, wie er aussieht. Dann erzeugt es zukünftig hoffentlich auch keine Panik mehr, wenn der nächste Zoom-Termin im Kalender aufploppt.