Sportmediziner warnt: So bremst Schlafmangel deinen Fitness-Erfolg
Dass zu wenig Schlaf der Gesundheit schadet und unter anderem infektanfälliger macht, belegen Studien und ist allgemein bekannt.
Aber hat die Länge und Qualität des Schlafs auch Auswirkungen auf den Muskelaufbau? Bist du mit zu wenig Schlaf tatsächlich "unfit"? Hier erfährst du, worauf es beim Schlafen ankommt, wenn du Muskeln aufbauen willst.
Wie wichtig ist Schlaf für den Muskelaufbau?
Essenziell! Denn Muskelwachstum (Muskelhypertrophie) findet in den Ruhephasen zwischen zwei Trainingseinheiten statt. Damit das beim Muskelaufbautraining gezielt durch winzig kleine Risse "geschädigte" Muskelgewebe wieder "repariert" und durch Proteineinlagerungen verstärkt werden kann, sind zahlreiche hormonelle Prozesse notwendig. Diese können umso besser ablaufen, je vollständiger deine Regenerationsphase ist – und da spielt der Schlaf eine zentrale Rolle.
Während des Schlafs pendeln sich viele Körperfunktionen im Schlafen auf tiefere Ruhewerte ein. Die Temperatur sinkt bis zu einem halben Grad, Blutdruck und Puls laufen im Schongang, der Stoffwechsel reduziert sich um 25 Prozent. Zugleich steigen die Konzentrationen des Wachstumshormons HGW (Human Growth Hormone) und des Immunstoffs Interleukin an. Beide sind nötig, damit sich Zellen und Immunsystem während der Nacht regenerieren können – dazu gehören auch die beim Krafttraining überforderten Muskelfasern.
Was neben gutem Schlaf wichtig ist, um Muskeln aufzubauen, erklären wir dir in unseren Trainingsplänen:
"Schlaf ist ein essenzieller Faktor für den Muskelaufbau", bestätigt Sportmediziner Dr. Markus Klingenberg von der Beta Klinik in Bonn, "Chronischer Schlafmangel kann den Muskelaufbau auf verschiedene Weise negativ beeinflussen."
Welche Folgen hat Schlafmangel für den Muskelaufbau?
Schlafmangel hat gleich mehrere negative Auswirkungen auf den Muskelaufbau, sagt Dr. Klingenberg und erklärt die wichtigsten:
- Hormonelle Veränderungen: Schlafmangel kann die Testosteronproduktion im Körper reduzieren. Testosteron ist jedoch ein wichtiges Hormon für den Muskelaufbau.Zugleich droht durch chronisch zu kurzem Schlaf ein erhöhter Cortisolspiegel, und Cortisol ist ein Stresshormon, das den Muskelabbau fördert.
- Beeinträchtigte Proteinsynthese: Die Proteinsynthese ist der Prozess, bei dem Proteine in den Muskeln aufgebaut werden und für mehr Muskelvolumen sorgen.Schlafmangel kann die Proteinsynthese beeinträchtigen und somit den Muskelaufbau verlangsamen.
- Verminderte Regeneration: Während des Schlafs repariert und regeneriert der Körper die Muskelfasern, die während des Trainings beansprucht wurden.Schlafmangel kann die Regeneration behindern und somit den Muskelaufbau erschweren. Es können dadurch zum Beispiel weniger effektive Trainingseinheiten pro Woche durchgeführt werden. Denn wenn die Reparaturprozesse nicht vollständig abgeschlossen sind, droht bei einer Fortführung des Trainings sogar ein Muskelabbau.
- Verminderte Motivation und Leistungsfähigkeit: Schlafmangel kann zu Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und verminderter Motivation führen.Dies kann sich negativ auf die Trainingsleistung und somit auf den Muskelaufbau auswirken. Gerade zu Beginn eines Trainings, wenn es noch nicht in „Fleisch und Blut“ übergegangen ist, spielt die Motivation eine entscheidende Rolle.
Wie viele Stunden Schlaf brauche ich für den Muskelaufbau?
Die Dauer des benötigten Schlafs ist zwar individuell von Mensch zu Mensch verschieden, dennoch gibt es Richtwerte. "Für eine optimale Regeneration und den Muskelaufbau sollten Erwachsene 7 bis 9 Stunden pro Nacht schlafen", rät Dr. Klingenberg. Auch zahlreiche Studien gehen von mindestens 7 Stunden als optimale Schlafdauer für die körperliche und geistige Gesundheit aus.
Eine optimale Schlafdauer ist deshalb so wichtig, da der Körper während des Schlafs zwischen 90 und 110 Minuten dauernde Zyklen mehrmals durchlaufen muss, um ausreichend zu regenerieren.
Zu einem Zyklus gehört nach der Einschlafphase: die Leichtschlafphase, in der die Muskelspannung nachlässt sowie Herzschlag und Atmung langsamer werden, die Tiefschlafphase (NREM-Phase) und die Traumphase (REM-Phase). Zur Erläuterung: REM ist die Abkürzung für "Rapid-Eye-Movement", übersetzt "schnelle Augenbewegungen", die sich in der Traumphase durch die sich schnell bewegenden Augäpfel beobachten lassen, und die in der Tiefschlafphase nicht stattfinden, deshalb N für "No-Rapid-Eye-Movement".
Warum ist gesunder Schlaf so wichtig?
Vor allem die Tiefschlafphase, in der Körper und Geist maximal entspannen und regenerative Prozesse ablaufen, sind für deinen Organismus unverzichtbar. Während dieser Phasen kommt es zu einer erhöhten Ausschüttung von Wachstumshormonen, und das Blut transportiert mehr Sauerstoff und Nährstoffe, die zum Muskelwachstum notwendig sind. In Intervallen unterbrechen Traum- und Leichtschlafphasen den Tiefschlaf, zusammen bilden sie einen Schlafzyklus, der pro Nacht 4- bis 6-mal durchlaufen werden sollte.
Während der Tiefschlafphasen kann dich so schnell nichts wecken, doch in den Leicht- und Traumschlafphasen können Geräusche und Licht leichter wach machen. Schläfst du dann gleich wieder ein, ist das kein Problem. Doch wer schlecht wieder in den Schlaf findet, bekommt in Summe womöglich zu wenig regenerierenden Schlaf. Deshalb ist die Gestaltung deiner Schlafumgebung wichtig.
Wie erreiche ich optimalen Schlaf?
Wenn du deinen Schlaf optimal nutzen willst, sollte dein Wecker am Ende eines Schlafzyklus‘ und nicht mitten im Tierschlaf klingeln, dann fällt auch das Aufstehen weniger schwer. Da ein Zyklus etwa 90 Minuten dauert, der erste allerdings etwas kürzer ist, erreichst du die zum Aufwachen geeignetsten Phasen leichten Schlafes nach fünfeinhalb, sieben und achteinhalb Stunden (plus ungefähre Einschlafzeit).
Dr. Klingenberg: "Ein fester Schlafrhythmus hilft dem Körper, sich auf die Schlafphasen einzustellen und die Nacht besser durchzuschlafen." Dafür sind regelmäßige Schlafenszeiten hilfreich (ja, auch am Wochenende). Zudem kann es eine Hilfe sein, den Schlafrhythmus mit Hilfe von Wearables zu tracken. Dafür stehen inzwischen eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Verfügung, z.B. Uhren wie die Apple Watch oder Polar GritX; Ringe wie der Newgen Medicals Ring Fitness Tracker oder Matratzenunterlagen wie der Withings Sleep Analyser. Sie zeigen an, wie viele Schlafzyklen du durchlaufen hast und wie lang die Tiefschlafphasen andauerten. Für eine optimale Erholung sollte dein Schlaf zu etwa 13 bis 23 Prozent aus Tiefschlaf und 20 bis 25 Prozent aus REM-Schlaf bestehen, etwa 45 bis 55 Prozent sollten den Leichtschlaf ausmachen, so Schlafmediziner Richard J. Schwab vom schlafmedizinischen Institut der University of Pennsylvania.
Achte darauf, dass deine Schlafumgebung so ruhig, kühl und abgedunkelt ist, dass du optimal lang und tief schlafen kannst, ohne durch Störgeräusche oder Lichteinfall zwischenzeitlich oder früher als nötig geweckt zu werden. Damit die Einschlafphase nicht unnötig lang ausfällt, solltest du in den Stunden vor dem Schlafengehen leuchtende Displays meiden, keinen schweißtreibenden Sport mehr ausüben und nicht zu üppig essen. Mehr Einschlaftipps findest du hier.
Mal eine Nacht nicht gut zu schlafen, ist kein Problem und passiert den meisten von uns immer mal wieder. Chronischer Schlafmangel mit zu wenigen Tiefschlafphasen kann jedoch deine Gesundheit und auch deinen Muskelaufbau negativ beeinflussen. Bei Schlafproblemen an deinen Schlafbedingungen zu feilen, lohnt sich also auf vielfache Weise!
Erwähnte Quellen:
Charumathi Sabanayagam et al.: Sleep duration and cardiovascular disease: results from the National Health Interview Survey, 2010, in: National Library of Medicine; doi 10.1093/sleep/33.8.1037
Yuzhu Li et al.: The brain structure and genetic mechanisms underlying the nonlinear association between sleep duration, cognition and mental health, 2022, in: nature aging (LINK) https://www.nature.com/articles/s43587-022-00210-2
Richard J. Schwab: Vorgehen beim Patient mit Schlafstörungen oder Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, in: MSD Manual, 2022, zuletzt aufgerufen am 30.4.2024 (Link)
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