Mit einem Pieks länger leben – geht das? Nina Ruge über die Abnehmspritze

Der Hype um die Abnehmspritzen ist ungebremst. Dabei war bei der Markteinführung noch gar nicht klar, welch Wunder sie an vielerlei Stellen vollbringen können. Ursprünglich kamen sie als brandneue Medikamente gegen Typ-2-Diabetes auf den Markt. Als Ärzte dann jedoch feststellten, dass ihre Patienten überraschenderweise deutlich abnahmen, entdeckte man sie als Medikament gegen Adipositas. Unglaublich! Sogar bei hartnäckigen Fällen von massivem Übergewicht brachten sie die Pfunde zum Schmelzen.

Doch erst als Tesla-Chef Elon Musk seinen denkwürdigen Post absetzte, wurde die ganze Welt auf den unglaublichen Abnehm-Effekt aufmerksam. Er schrieb, es habe in der Presse schreckliche Fotos von ihm gegeben, mit nacktem Bauch, auf einer Jacht, und da habe er sich Ozempic und dann Wegovy gespritzt – und locker 13 Kilo verloren. Prompt wurde die Spritze zur Modedroge und ihr Hersteller, der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk, zum zweitwertvollsten Unternehmen Europas. Lieferprobleme gibt's bis heute, die Nachfrage ist groß. Aber ist da ein Risiko? Und hilft sie uns vielleicht sogar, länger gesund zu leben? Mal schauen.

Wie funktioniert die Spritze?

Hier haben wir es mit einer Meisterleistung der Pharmakologen, der Wirkstoffentwickler, zu tun. Die Idee war genial, aber extrem anspruchsvoll umzusetzen. Wie viel wir essen – und vor allem, wann wir aufhören damit, das steuern unter anderem 3 Darmhormone. Mit jedem Bissen, den wir schlucken, sprudeln sie ins Blut. Im Gehirn angekommen, docken sie jeweils an ihren Rezeptoren an. Und die sorgen dafür, dass die Bauchspeicheldrüse Insulin produziert, der Glucosespiegel gesenkt wird und für das Gefühl von Sättigung sorgen sie auch.

Jetzt der Geistesblitz der Pharmakologen: Lasst uns dem Diabetes-Patienten eines der 3 Darmhormone geben! Vielleicht das mit dem hübschen Namen GLP-1? Dann sinkt der Blutzucker! Das Dumme nur: Darmhormone werden sofort abgebaut, wenn sie im Gehirn an ihren Rezeptoren angekommen sind. Um stärkere Wirkung zu erzielen, müssten sie ein bisschen länger halten. Also baute man ein etwas anderes GLP-1. Weil Hormone Eiweiße sind, tauschte man einige ihrer Aminosäuren aus. Bloß nicht zu viele, sonst würde sie das Immunsystem als Feind markieren und vernichten.

Außerdem werden Eiweiße im Magen aufgespalten. Also keine Tablette, sondern eine Spritze, einmal pro Woche, in die Bauchdecke am besten. Das war der Start der ersten Abnehmspritze, des GLP-1-Agonisten. Agonist heißt sie, weil sie unser natürliches GLP-1-Hormon nachahmt, aber stärker wirkt. Und dieses Nachahmer-Hormon kann noch viel mehr! Es bringt die Fettmassen zum Schmelzen. Es senkt Blutfette, es senkt den Blutdruck und gibt uns das Gefühl: "Ich bin satt!" Der GLP-1-Nachahmer ist das erste Medikament gegen die Epidemie Adipositas, das wirklich hilft. Allein in Deutschland ist jede:r Fünfte adipös – große Hoffnung!

Zu schön, um wahr zu sein?

Aber wo ist der Haken? Klar gibt's den. Ein klein wenig zu viel des schönen GLP-1-Nachahmers, und aus dem Gefühl "satt" wird "sehr satt", wird "überfressen", und das heißt: Übelkeit und Erbrechen. Genau das kann die Nebenwirkung dieser Spritze sein. Also mit niedrigen Dosen beginnen. Und wird man abhängig? Kehrt das Fett ohne Spritze zurück? Kommt drauf an. Wer in den ein, zwei Jahren der Therapie mit Sport begonnen und die Ernährung umgestellt hat, der kann sein Gewicht wahrscheinlich gut halten. Und die Kosten? Die tragen bei Adipositas-Diagnose bislang nur wenige Krankenkassen. Das wird sich ändern! Wer einfach mal so ein paar Kilo abnehmen möchte, der muss natürlich selbst zahlen … Aber Achtung! Untergewicht ist weder schön noch gesund!

Bald werden neue Abnehmspritzen den Markt erobern. Die enthalten zwei – oder künftig auch alle drei – unserer Darmhormone, jeweils wieder in der Nachahmer-Version. Die sind noch wirksamer – und weniger anfällig für Übelkeit-Nebenwirkungen. Außerdem arbeiten die Molekül-Designer in den Pharmalabors an Schutzhüllen gegen die Magensäure für die Hormon-Nachahmer. Und dann wird es sie als Tabletten geben!

Was für Longevity-Effekte hat die Abnehmspritze?

Klar: Wer schlank ist, lebt länger und bleibt länger gesund. Die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen und Krebs sinkt. Erste Studien haben gezeigt: Wer mit der Abnehmspritze Typ-2-Diabetes bekämpft, bekommt weniger Darmkrebs, weniger chronische Nierenerkrankungen. Und jetzt gibt es auch Hinweise, dass sie sogar Demenz vorbeugen könnte! Von den Nachahmern unserer Hormone im Darm können wir also noch einiges erwarten.

Fazit: Die Abnehmspritze kann schlank machen – und dein Leben verlängern

Es klingt schlüssig: Wenn du ein gesundes Gewicht hast, lebst du gesünder, und dann lebst du meist auch länger gesund. Eine Abnehmspritze ist dafür nicht unbedingt nötig, aber sie macht das Ziel für einige leichter erreichbar.

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