Es war eine wilde Nacht, es folgte ein unruhiges Erwachen: Nach dem ungeschützten Sex bist du dir nicht sicher, ob du dich mit HIV infiziert haben könntest. Mache dir zunächst keine Sorgen, eine Infektion ist viel unwahrscheinlicher als du denkst. Aber forsche auch nach, um sicherzugehen.
Hättest du gedacht, dass die ersten Symptome einer HIV-Infektion denen einer klassischen Erkältung gleichen? In den ersten Wochen nach einer Infektion bemerken die meisten Neu-Infizierten ein leichtes Fieber, Schwäche und Halsschmerzen. Nach dieser akuten Phase folgt in der Regel die chronische Phase, die anfangs symptomfrei verläuft. Deshalb ist es wichtig, dass Frauen die 9 typischen Symptome einer HIV-Neuinfektion kennen. Doch vorab ein paar Fakten.
Zahlen belegen: Viele Menschen machen keinen HIV-Test
Dass HIV beim Sex ohne Kondom übertragen werden kann, das wissen heute fast alle. Und trotzdem würde jede:r Dritte nach ungeschütztem Sex keinen HIV-Test machen, so das Resultat einer großen Studie: Diese im Juli 2018 durch die International Association of Providers of AIDS Care (IAPAC) und das Pharmazie-Unternehmen Gilead Science in Auftrag gegebene Studie "Is HIV sorted?" (Ist HIV unter Kontrolle?) befragte viele Tausende HIV-negative Erwachsene in 12 west- und osteuropäischen Ländern, 2.015 davon in Deutschland.
Ein erschütterndes Ergebnis, denn immer noch infizieren sich jedes Jahr Menschen in Deutschland neu mit HIV: 2023 waren es etwa 2.200, so die aktuellsten Zahlen im Epidemiologischen Bulletin 2024 des Robert Koch-Instituts. Etwa 620 Deutsche erhielten ihre Diagnose erst, nachdem sie bereits schwer erkrankt waren. Etwa 96.700 Menschen lebten 2023 mit HIV/AIDS in Deutschland, geschätzte 8.200 davon wissen nach Hochrechnungen nichts von ihrer Infektion.
Zur Erinnerung: Früh erkannt lässt sich das "Humane Immundefizienz-Virus", kurz HIV, mit Hilfe neuer Medikamenten in seiner Vermehrung stoppen. Mit ihrer Hilfe können Infizierte den Ausbruch des Immunschwäche-Syndroms AIDS verhindern und ein fast normales, nahezu symptomfreies Leben führen. Auch ist HIV unter Therapie nicht übertragbar.
Warum sind HIV-Test und Behandlung so wichtig?
Studien zufolge wirkt die medikamentöse Therapie umso besser, je eher sie beginnt. Je länger Infizierte das HIV-Virus unbehandelt in sich tragen, desto mehr gesundheitliche Beeinträchtigungen machen ihnen zu schaffen. Das können schwere Infekte aller Art, mit Folgen bis hin zu Hirnschäden sein. Das Dramatische: Ist AIDS erst einmal ausgebrochen, kann das Immunsystem Krankheiten nicht mehr abwehren, die Folge sind schwere, lebensbedrohliche Erkrankungen.
Zwar kann man auch später noch mit einer Behandlung beginnen. Es bleiben aber oft massive gesundheitliche Schäden zurück. Damit es nicht so weit kommt, sollten Betroffene nach einer Infektion frühzeitig mit der Medikation beginnen. Leider meiden aus Angst vor Stigmatisierung immer noch zu viele Menschen den ersten Schritt: einen HIV-Test.
Zudem haben Forscher 2022 in einer an der Universität Oxford durchgeführten Studie eine neue, ansteckendere und leichter übertragbare HIV-Variante entdeckt. Experten gehen zwar nicht von einer schnellen Verbreitung der in den Niederlanden nachgewiesenen Variante aus, doch seit der Corona-Pandemie wissen wir, dass sich das auch schnell ändern kann. Also zögere nicht, lass dich im Zweifelsfall testen.
Wie kann ich mich auf HIV testen lassen?
Es ist tatsächlich der einzige sichere Weg, um herauszufinden, ob du infiziert bist: ein HIV-Test. Sexuell aktive Frauen, die ungeschützten Verkehr hatten, sollten sich mindestens einmal pro Jahr testen lassen, außer du bist in einer festen Beziehung, in der beide Partner:innen negativ getestet und zuverlässig treu sind.
Es gibt mehrere Testmöglichkeiten, sowohl Labortests in Arzt-Praxen, aber mittlerweile auch Selbsttests, die bequem zu Hause durchgeführt werden können und Studien zufolge recht zuverlässig sind. Diese kannst du in der Apotheke kaufen oder einfach online bestellen (z.B. hier über amazon.de: Autotest VHI, INSTI oder Exacto). Kosten: zwischen 20 und 50 Euro. Achte auf das CE-Prüfzeichen der Europäischen Union.
Sicher ausschließen lässt sich eine HIV-Infektion 6 Wochen nach der Ansteckung in einem Labortest oder nach 12 Wochen mit einem Schnelltest. Einen Überblick über HIV-Test-Möglichkeiten findest du auf Internetseiten der Deutschen Aids-Hilfe.
Wann soll man sich testen lassen?
Am besten, sobald du einen begründeten Verdacht hast, z. B. ungeschützter Verkehr mit jemandem, der möglicherweise infiziert ist oder vielleicht selbst mit einer infizierten Person ungeschützten Sex hatte. Es kann also nicht schaden, den One-Night-Stand nach so etwas zu fragen, am besten natürlich VOR dem Sex (und unabhängig von der Antwort trotzdem auf ein Kondom bestehen).
Wichtig also: Aufmerksamkeit! "Die meisten Menschen registrieren gar nicht, dass sie sich mit HIV infiziert haben", sagt Dr. Michael Horberg, der in den USA zur Behandlung von HIV-Patient:innen forscht. Anfangs gibt es bei einer HIV-Infektion wie erwähnt oft keine Symptome, und wenn, dann gleichen sie Krankheiten, die auch andere Ursachen haben können.
9 mögliche HIV-Symptome bei Frauen
In Studien sind die häufigsten HIV-Symptome erforscht worden. Die folgenden 9 Symptome sollten dich unbedingt aufmerksam machen, sie könnten auf eine HIV-Infektion hindeuten, vor allem wenn mehrere von ihnen immer wieder auftreten:
1. Du hast öfter Fieber und Erkältungen
Eine immer wieder auftretende, leicht erhöhte Temperatur von etwa 38 Grad Celsius, begleitet von Erkältungen, gehört zu den häufigsten ersten HIV-Symptomen. "Der Körper bekämpft einen Fremdkörper, in diesem Fall aber ohne Erfolg", erklärt Horberg.
Hintergrund: Mit einer erhöhten Körpertemperatur geht der Körper normalerweise erfolgreich gegen schwächere Viren wie Erkältungsviren vor – für HIV reicht leichtes Fieber aber nicht aus. "Wenn die Chance besteht, dass man sich infiziert hat, sollte man sich bei diesem Symptom auf HIV testen lassen", rät Dr. Horberg.
2. Du wachst nachts nassgeschwitzt auf
Wenn du ohne erkennbare Ursache nachts häufiger so stark schwitzt, dass du Pyjama und Bettlaken wechseln musst, solltest du wachsam werden. "Der Körper versucht dann, Giftstoffe auszuscheiden", weiß Experte Horberg.
Nachtschweiß deutet jedoch nicht nur möglicherweise auf HIV hin, sondern kann auch ein Anzeichen für die Menopause oder bestimmte Krebsarten sein. Dr. Horberg: "Nächtliches Schwitzen sollte man auf jeden Fall beim Arzt abklären lassen."
3. Du bekommst Hautausschlag
Einige mit HIV infizierte Menschen entwickeln einen leicht rötlichen Hautausschlag am ganzen Körper, manchmal auch nur in Form von ein paar roten Punkten. Der Ausschlag hält in der Regel mindestens eine Woche an und juckt nicht. Es handelt sich um eine Entzündungsreaktion des Körpers als Antwort auf eine Infektion.
4. Du hast Halsschmerzen
Entzündliche Reaktionen auf ernsthafte virale Infektionen können auch im Hals stattfinden und Schluckbeschwerden und Rötungen im Hals auslösen. "Viele verschiedene Viren können Halsschmerzen auslösen", sagt Dr. Horberg, "Doch wenn man sich Sorgen wegen einer möglichen HIV-Infektion macht, sollte man den Arzt aufsuchen."
5. Du fühlst dich müde und unwohl
"In den ersten Wochen nach einer HIV-Infektion fühlen die meisten sich einfach müde und kränklich", erklärt Experte Horberg. Die tägliche Routine wird zur Herausforderung. Mögliche Ursache: "Der Kampf gegen das HIV-Virus erschöpft den Körper", so Horberg.
6. Du hast geschwollene Lymphknoten
Wenn die Lymphknoten am Hals, in den Achseln und in der Leiste geschwollen sind, bedeutet das, dass dort die Produktion Infekt-abwehrender Zellen auf Hochtouren läuft. Horberg: "Mehr als ein Drittel der HIV-Neuinfizierten berichten von geschwollenen Lymphknoten." Auch andere Krankheiten gehen mit diesen Symptomen einher. Wenn du Knoten an verschiedenen Körperstellen spürst, sollte das immer ein Anlass sein, eine:n Ärzt:in aufzusuchen.
7. Du hast eine Pilzinfektion
Hefepilze besiedeln in der der Regel friedlich deinen Mund und deine Vagina. Zum Problem werden sie nur, wenn sie unkontrolliert wachsen und eine unangenehme, juckende Pilzinfektion auslösen. Und das kann neben anderen Ursachen auch passieren, wenn du schon länger mit HIV infiziert bist, ohne behandelt zu werden.
Auch Krankheiten wie Diabetes können zu häufigen Pilzinfektionen führen, und manche Frauen ohne HIV-Infektion fangen sich häufiger einen Pilzbefall ein als andere. Dennoch: Wenn sich die Beschwerden häufen und du in letzter Zeit ungeschützten Geschlechtsverkehr hattest, solltest du dich testen lassen.
8. Du hast Geschwüre im Mund
"Mundgeschwüre sind weiche, runde, weißliche Punkte auf der Lippeninnenseite und können als Entzündungen infolge der körperlichen Abwehr von HIV-Viren ausgelöst werden", weiß Horberg. Wunde Stellen im Mund können natürlich auch andere Ursachen haben, aber in Kombination mit anderen verdächtigen Symptomen solltest du sie durchaus ernst nehmen.
9. Du verlierst scheinbar grundlos an Gewicht
"In späteren Stadien einer unbehandelten HIV-Infektion verliert der Körper an Fett- und Muskelmasse", so Horberg, "Das Virus verursacht dann einen Appetitverlust und verhindert, dass der Körper Nahrung richtig verwertet." Natürlich schwankt dein Gewicht immer mal wieder. Aber wenn Menschen in deinem engsten Umfeld dich darauf ansprechen, solltest du wachsam werden.
Was hilft bei einer HIV-Infektion?
Infizierten helfen ein schneller Test und schnelle Behandlung. Allen Menschen hilft: Eindämmung des Virus. Sich selbst testen lassen, hilft also auch, HIV unter Kontrolle zu bringen.
Das 95-95-95-Programm der Vereinten Nationen gegen HIV/AIDS (UNAIDS) hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 HIV unter Kontrolle zu bringen.
Danach sollen 95 Prozent aller Menschen mit HIV von ihrer Infektion wissen, davon 95 Prozent eine antiretrovirale Therapie erhalten und wiederum 95 Prozent dieser Menschen in Therapie eine Viruslast unter der Nachweisgrenze haben. Nur so lässt sich die Seuche beenden.
Laut dem Robert Koch-Institut (Epidemiologisches Bulletin vom Juli 2024) wurden zwei der drei Ziele in Deutschland Ende 2023 erreicht: Etwa 92 Prozent der Träger:innen wurden diagnostiziert; 99 Prozent befinden sich in Therapie und bei 96 Prozent verläuft die Therapie erfolgreich. Trage dazu bei, dass das so bleibt oder die Zahl sogar noch steigt. Indem du dich im Zweifelsfall testen lässt oder anderen dazu rätst!
Die Infektionsgefahr ist zwar oft geringer, als man vielleicht denkt, aber dennoch ist ein HIV-Test nach ungeschütztem Sex wichtig. Vor allem, weil die ersten Symptome oft einer Erkältung ähneln und eine Infektion daher leicht unbemerkt bleibt. Ein Test gibt dir Gewissheit, und falls nötig, kannst du früh mit der Behandlung beginnen und das Virus im Griff behalten.
Mehr Informationen zum Thema HIV findest du bei der Deutschen Aids-Hilfe.
Erwähnte Quellen:
Robert Koch-Institut. Epidemiologisches Bulletin 28/2024 vom 11. Juli 2024, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2024/28/Art_01.html, zuletzt abgerufen am 16.09.2024
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Chris Wymant et al. A highly virulent variant of HIV-1 circulating in the Netherlands.Science375,540-545(2022). doi: 10.1126/science.abk1688, zuletzt abgerufen am 16.09.2024
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Kahn JO, Walker BD. Acute human immunodeficiency virus type 1 infection. N Engl J Med. 1998 Jul 2;339(1):33-9. doi: 10.1056/NEJM199807023390107, zuletzt abgerufen am 16.09.2024
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