Nicht jede Schwangerschaft ist geplant, oft stellt die Aussicht auf eine Mutterschaft Frauen vor große Probleme. Es drohen schwerwiegende Veränderungen im Leben, insbesondere wenn Frauen mit der Situation alleine dastehen.
Aber einfach die Zeit zurückdrehen oder den Reset-Knopf drücken geht nicht, sosehr manche Frau, die ungewollt schwanger ist, sich das wünscht. Es steht eine schwierige Entscheidung an. Die können wir dir nicht abnehmen. Aber wir können dich mit sachlichen Informationen unterstützen, wie und wo dir weitergeholfen werden kann.
Warum werden Frauen ungewollt schwanger?
Vorweg: In den letzten 10 Jahren ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland um mehr als 10 Prozent gesunken. 2020 wurden laut Statistischem Bundesamt rund 100.000 Abbrüche gemeldet, 2010 waren es noch 110.400. Aber wenn die Abbruchrate in den letzten Jahren gesunken ist – auf null wird die Zahl wohl nie sinken. "Es kann passieren, dass eine Frau vollkommen ungewollt schwanger wird", sagt Dr. Ines Thonke von Pro Familia. "Sexualität ist nicht rational." Der Verstand schaltet sich dabei aus, und zwar nicht nur, wenn etwa Alkohol im Spiel ist.
Hinzu kommt: Auch die sichersten Verhütungsmittel können versagen: Von 1000 Frauen, die eine Spirale haben, wird pro Jahr eine schwanger. Bei der Pille kann die Quote auf 8 von 100 hochschnellen, wenn ein Magen-Darm-Infekt die Runde macht. "Es ist wichtig zu wissen, dass eine ungewollte Schwangerschaft nicht immer mit der eigenen Nachlässigkeit zu tun hat", so die Expertin.
Nicht zuletzt aufgrund der immer noch hohen Zahlen ist es wichtig, dass über das Thema Abtreibung informiert und aufgeklärt wird, auch wenn einige radikale Abtreibungsgegner:innen das gerne verbieten lassen möchten und deshalb sogar schon Ärzt:innen verklagt haben. Also nehmen wir einfach mal an, dir oder einer Freundin passiert es irgendwann, dass ihr vor dieser Entscheidung steht. Hier steht, was du wissen musst.
Bis wann ist eine Abtreibung möglich beziehungsweise erlaubt?
Das Gesetz sagt: Bis zum Ende der 12. Woche nach der Empfängnis ist der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland straffrei. Was können Frauen tun, die erst in der 13. Woche feststellen, dass sie schwanger sind, aber das Baby nicht bekommen wollen? Das kommt immer wieder vor, gerade wenn der Zyklus unregelmäßig ist oder die Betroffene eine Schwangerschaft gar nicht für möglich hält – etwa weil die Pille weiter genommen wird. In anderen europäischen Ländern ist im Gegensatz zu Deutschland ein Abbruch auch noch später möglich, etwa in Holland bis zur 22. Woche. Rund 1000 deutsche Frauen jährlich sind Patientinnen in den dortigen Kliniken.
"In Deutschland gibt es die medizinische Indikation", so Thonke. "Ein Beispiel: Ist eine Frau glaubhaft suizidgefährdet, wäre ein Abbruch unabhängig von der Schwangerschaftswoche straffrei." Auf diese Regelung können sich Patientinnen auch berufen, wenn das ungeborene Kind schwer krank oder behindert ist. Denn auch das kann eine Situation sein, mit der die Mutter so überfordert ist, dass es ihre körperliche oder seelische Gesundheit stark gefährdet. Knapp 4 Prozent der Abtreibungen in Deutschland geschehen nach einer medizinischen Indikation.
Was muss ich tun, wenn ich mich für eine Abtreibung entscheide?
Vor allem: Deine Ärztin oder deinen Arzt konsultieren. Einfach so für morgen einen Termin machen geht allerdings nicht, selbst wenn du dir ganz sicher bist oder so schnell wie möglich aus der Situation herauswillst.
Du musst zunächst nachweisen, dass du dich hast beraten lassen, indem du einen sogenannten Beratungsschein vorlegst. Den bekommst du bei zahlreichen staatlich anerkannten kommunalen oder freien Trägern wie pro familia, die Schwangerenkonfliktberatungen kostenlos anbieten. Die Beratung muss dem Gesetz nach "ergebnisoffen" verlaufen und kann eine große Hilfe sein, die eigenen Gefühle zu sortieren. Zum Zeitpunkt des Abbruchs muss der Schein mindestens 3 Tage alt sein.
Übrigens: Auch einige zertifizierte Ärztinnen und Ärzte machen die Beratungen. Der oder die beratende Ärzt:in darf dann aber nicht auch den Abbruch vornehmen.
Wie genau läuft ein Schwangerschaftsabbruch ab?
Es gibt zwei gängige Methoden des Schwangerschaftsabbruchs:
Abbruch per OP
Hier wird zuerst der Muttermund etwas geweitet. Dazu werden Metallstifte verwendet: zuerst ein ganz dünner, dann ein etwas dickerer, bis der Eingang zur Gebärmutter etwa 5 Millimeter geöffnet ist. Das gelingt leichter, wenn er zuvor per Vaginaltablette erweicht wurde.
Heute erfolgt eine Abtreibung nicht mehr per Kürette, mit der die Ärztin oder der Arzt die Gebärmutter ausschabt, sondern mit einer Art Strohhalm, durch den der Embryo abgesaugt wird. Das Ganze dauert nur wenige Minuten und erfolgt unter Betäubung. Der Eingriff kann ohne Probleme in örtlicher Betäubung vorgenommen werden, die allermeisten Abbrüche finden aber unter Vollnarkose statt.
Einige Frauen haben danach leichte Schmerzen, weil sich die Gebärmutter zusammenzieht. Darüber hinaus treten Komplikationen wie eine Verletzung der Gebärmutter aber selten auf.
Schwangerschaftsabbruch per Tablette
Hier schluckt die Schwangere in einer Arztpraxis oder Klinik einen Arzneistoff, der das Schwangerschaftshormon Gestagen ausschaltet. 1,5 bis 2 Tage später folgt eine zweite Tablette mit einem Wirkstoff, der die Gebärmutter zusammenzieht, was wie bei einer starken Regelblutung ziemlich wehtun kann. Diese Tablette ist nicht frei käuflich und bekommst du auch nicht in der Apotheke, sondern nur in der Arztpraxis bzw. Klinik.
Nach der Einnahme bleiben Patientinnen für etwa 3 Stunden in der Klinik oder der Praxis. In diesem Zeitraum kommt es üblicherweise zu einer Blutung, mit welcher der Embryo ausgestoßen wird.
Welche Abtreibungsmethode ist besser?
Jenseits der 9. Woche musst du dir diese Frage nicht stellen: Der medikamentöse Abbruch ist dann hierzulande nicht zugelassen. Ansonsten gilt: Das ist eine Typ- und Kostensache. Viele Frauen halten es für gut, dass sie von dem chirurgischen Eingriff selbst nichts mitbekommen und dass es geschafft ist, sobald sie die Klinik verlassen haben.
Ein medikamentöser Abbruch zieht sich über mindestens 2 Tage hin und wird bewusst wahrgenommen. Ein Vorteil ist allerdings: Es ist keine Narkose nötig, die immer noch nicht zu 100 Prozent risikofrei ist. "Außerdem bietet der medikamentöse Abbruch mehr Privatsphäre, das ist für manche Frauen wichtig", weiß Thonke. "In Schweden, Österreich und der Schweiz findet er sogar überwiegend zu Hause statt."
Was kostet eine Abtreibung?
Der medikamentöse Abbruch mit der Pille Mifegyne schlägt mit 200 bis 400 Euro zu Buche, der chirurgische kostet zwischen 200 und 600 Euro, je nachdem, welche Methode und welche Narkoseform du wählst. Eine Abtreibung nach der Beratungsregelung musst du selbst bezahlen.
Liegt dein Einkommen unter 1.001 Euro pro Monat und du hast keine Ersparnisse, oder liegt eine Vergewaltigung vor, übernimmt der Staat – allerdings nur, wenn du es vor dem Eingriff bei einer gesetzlichen Krankenkasse beantragst (auch dann, wenn du privat oder gar nicht krankenversichert bist).
Hat ein Abbruch Auswirkungen auf meine Fruchtbarkeit?
Nein. Das Gerücht hält sich, weil die früher üblichen Ausschabungen häufiger zu Komplikationen geführt haben als die heute gängige Absaugung – ganz zu schweigen von den illegalen Abtreibungen auf dem Küchentisch oder im Badezimmer, die jahrhundertelang die Norm waren. Das sollte jede Frau über ihre Fruchtbarkeit wissen.
Welche körperlichen Spuren hinterlässt eine Abtreibung?
Ein:e Frauenärzt:in kann deinem Körper nicht ansehen, ob du einmal abgetrieben hast oder nicht. "Man kann davon ausgehen, dass für gewöhnlich keine Spuren zurückbleiben", erklärt Dr. Thonke.
Selbst wenn du zu den ganz wenigen Frauen gehören solltest, bei denen die Gebärmutter verletzt wurde oder sich im Zuge des Eingriffs entzündet hat, lässt sich das später nicht einem Abbruch zuordnen. Es gibt viele andere mögliche Gründe dafür.
Welche Nachwirkungen gibt es bei einer Abtreibung?
Eine Frau erholt sich im Normalfall schnell von einer Abtreibung. Nach einer Operation muss sie 1 bis 2 Tage mit leichten bis mittelschweren Schmerzen und Blutungen rechnen, wobei die meisten Frauen in dieser Zeit mit wenigen Schmerztabletten zurechtkommen.
Nach 14 Tagen darf sie bereits wieder baden, Tampons benutzen und Sex haben. Beim medikamentösen Abbruch hält die starke Blutung für gewöhnlich einen halben bis ganzen Tag lang an, in den 14 Tagen danach sind leichte Schmierblutungen normal. Schmerzen treten in den ersten Tagen auf.
Wann habe ich mich seelisch von einer Abtreibung erholt?
Das ist sehr unterschiedlich. "Die meisten Frauen sind nach dem Abbruch einfach nur erleichtert", sagt Dr. Thonke. Im Gegensatz zur Darstellung von Abtreibungsgegner:innen haben diese Frauen sich die Entscheidung nämlich nicht leicht gemacht und haben eine sehr belastende Zeit durchgemacht. Wann eine Abtreibung gesünder als Austragen sein kann.
Das sogenannte "Post-Abortion-Syndrom", nach welchem ein Abbruch mit Depressionen, Trauer, Schuld und Scham einhergeht, ist Quatsch. Es gilt Expert:innen als Erfindung von Abtreibungsgegner:innen. Thonke zufolge gibt es allerdings 2 Konstellationen, die das Risiko für Schwierigkeiten deutlich erhöhen, mit dem Geschehenen fertig zu werden. Die erste ist eine ambivalente Haltung im Vorfeld: Wer sich bis zuletzt nicht sicher war mit der Entscheidung, hadert auch danach öfter. Betroffen sind außerdem Frauen, die bereits vor der ungewollten Schwangerschaft psychische Probleme hatten.
Wann kann ich nach dem Eingriff wieder mit der Pille anfangen?
Sofort. Du kannst am selben Tag die erste Pille nehmen. Wie du verhüten willst, solltest du vor dem Abbruch besprechen, sonst ist es möglich, dass du in 14 Tagen wieder schwanger wirst. Erkundige dich über hormonfreie Verhütungsmethoden.
Wenn du die Spirale willst, lass sie dir unmittelbar nach dem Abbruch einsetzen. Die Rate der Ausstoßungen sei dann nur ganz minimal erhöht, so Dr. Thonke. Sprich deine:n Gynäkolog:in darauf an, sogar wenn es direkt vor dem Eingriff ist. Da ist er oder sie nämlich verpflichtet, sich noch einmal Zeit zu nehmen für ein Gespräch.
Gibt es in meiner Region jemanden, der Schwangerschaftsabbrüche vornimmt?
Das ist noch immer nicht überall der Fall. Längst nicht jede:r Frauenärzt:in macht auch Schwangerschaftsabbrüche. "In einigen Regionen im Allgäu müssen Frauen selbst heute noch über 100 Kilometer weit fahren", so Thonke. Für eine Mutter von 3 Kindern oder jemanden mit wenig Geld kann das ein echtes Problem sein. Wo genau in deiner Gegend Abbrüche möglich sind, erfährst du bei der Beratung.
Wo kann ich mich weiter informieren?
Sehr gute Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch gibt es auf familienplanung.de. Die Website ist auch mit der Beratungsstellen-Datenbank der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verlinkt, die mit mehr als 1600 Einträgen fast alle deutschen Schwangerschaftsberatungsstellen umfasst. Per Postleitzahl erhältst du eine Auswahl von Angeboten in deiner Nähe, unter denen du das für dich am besten passende wählen kannst. Auch werdende Väter können eine kostenlose Beratung in Anspruch nehmen.
Ausführliche Infos zum Thema stehen auch auf profamilia.de, wo du dir die Broschüre "Schwangerschaftsabbruch" herunterladen kannst, sowie auf abtreibung.at.
Fazit: Eine ungewollte Schwangerschaft ist herausfordernd und erfordert oft eine schwere Entscheidung
Moderne Methoden machen Abbrüche jedoch sicher, und es gibt viele Anlaufstellen, die dich mit Beratung und Informationen unterstützen. Wichtig ist, dir Zeit zu nehmen und dich gut zu informieren, um die für dich beste Entscheidung zu treffen.
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