So baust du Fett ab und Muskeln auf - mit Hilfe von Kohlenhydraten
Carb Cycling war früher eine eher nischenhafte Ernährungsstrategie – ähnlich wie das Zählen von Makronährstoffen, das Hinzufügen von Proteinpulver in den morgendlichen Smoothie oder der Verzicht auf Kuhmilch zugunsten von pflanzlichen Drinks. Dank sozialer Medien hat sich dieses Konzept jedoch mittlerweile im Mainstream etabliert.
Aber was genau verbirgt sich hinter dem Begriff "Carb Cycling"? Und wie kann es dir helfen, deine Trainingsziele zu erreichen? Wir haben uns den carbfokussierten Ernährungsplan genauer angeschaut und erklären den Trend mithilfe der Meinung von Ernährungsexperten und Personal Trainern.
Was genau ist Carb Cycling?
Die Idee ist simpel: Über einen bestimmten Zeitraum wechselst du zwischen Tagen mit hoher, mittlerer und niedriger Kohlenhydratzufuhr – basierend auf deiner körperlichen Aktivität und deinen individuellen Bedürfnissen. Einen festen Plan, der für alle gleichermaßen gilt, gibt es nicht.
Grundsätzlich bedeutet Carb Cycling, an Tagen mit intensiven Trainingseinheiten mehr Kohlenhydrate zu konsumieren und an ruhigeren Tagen weniger. Das Ziel: Deinem Körper die nötige Energie für das Training liefern, während an Ruhetagen die Fettreserven als primäre Energiequelle genutzt werden. Fans dieser Methode glauben, dass der Körper dadurch Kohlenhydraten besser verstoffwechselt, wenn sie wieder konsumiert werden – was zu besseren Trainingsergebnissen wie schnelleren Bestzeiten oder erhöhter Leistungsfähigkeit führen soll.
Es gibt zahlreiche Carb-Cycling-Methoden. Laut Brian Murray, A.C.E.-zertifizierter Personal Trainer und Ernährungsexperte, folgen Leistungssportler:innen wie Bodybuilder:innen oft einem wöchentlichen Muster. Dies kann beispielsweise einen Tag mit hoher Kohlenhydratzufuhr beinhalten, gefolgt von drei Tagen mit sehr wenig Kohlenhydraten. Diese Sportler:innen verfolgen ihre Kohlenhydrataufnahme genau, wobei die exakte Menge von Gewicht, Muskelmasse, Trainingszielen und Aktivätslevel abhängt.
Für eine durchschnittlich aktive Frau empfiehlt Murray jedoch ein flexibleres, tägliches Carb Cycling. Allerdings gibt es nur wenige wissenschaftliche Daten zu den kurz- und langfristigen Auswirkungen dieser Methode. In Kreisen von Spitzensportler:innen ist das Konzept zwar seit Jahren bekannt, die Beweise für seine Wirksamkeit sind jedoch weitgehend anekdotisch.
Was sagen Expert:innen dazu?
"Carb Cycling wird seit Jahren im Leistungssport eingesetzt, obwohl es nur wenige wissenschaftliche Belege dafür gibt – und für Freizeitsportler:innen gibt es gar keine", sagt die Ernährungsberaterin Jenna Hope.
"Für Freizeitsportlerinnen hat Carb Cycling kaum oder gar keinen Einfluss auf ihr Training." Hope betont zudem, dass nicht nur der Mangel an wissenschaftlicher Evidenz gegen diese Methode spricht: "Das strikte Regime und das akribische Zählen von Makronährstoffen können zu einer gestörten Beziehung zum Essen führen. Daher empfehle ich, sich eher auf die Qualität der Ernährung und das intuitive Essen zu konzentrieren, anstatt Makronährstoffe zu zählen."
Warum brauchen wir Kohlenhydrate?
Kurz gesagt: Kohlenhydrate werden im Körper zu Glukose abgebaut, die als Energiequelle für Muskeln und Organe dient – egal, ob es darum geht, ein intensives Training zu absolvieren, 10.000 Schritte zu sammeln oder einfach nur zu atmen.
Es gibt zwei Hauptarten von Kohlenhydraten:
- Stärkehaltige Kohlenhydrate (z. B. Brot, Reis, Nudeln, Kartoffeln, Linsen, Haferflocken), die aus komplexen Mehrfachzuckern (Polysacchariden) bestehen und dem Körper lang anhaltende Energie liefern.
- Zucker (z. B. Fruktose in Obst, Laktose in Milch, Saccharose in Zucker und Süßigkeiten), die schnell vom Körper aufgenommen werden und ihm rasche Energie liefern.
"Bei der Auswahl von Kohlenhydraten sollte man solche bevorzugen, die zusätzliche Nährstoffe enthalten", sagt Ernährungsberaterin Nichola Ludlam-Raine. "Stärkehaltige Lebensmittel liefern Ballaststoffe, Vitamin C, Vitamin B6, Kalium und Kupfer. Obst und Gemüse sind essenziell für eine ausgewogene Ernährung, Milchprodukte enthalten Kalzium und Protein."
Wie viele Kohlenhydrate brauche ich wirklich?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, dass mindestens 50 Prozent der täglichen Energiezufuhr aus Kohlenhydraten stammen sollte. Da 1 g Kohlenhydrate ca. 4 kcal liefert, sollten bei einer durchschnittlichen täglichen Zufuhr von 2000 kcal mindestens 250 g Kohlenhydrate pro Tag verzehrt werden.
In der Realität ist es jedoch nicht ganz so einfach. Der individuelle Bedarf an Kohlenhydraten variiert, da er stark von der körperlichen Aktivität abhängt. Je aktiver man ist und je höher der BMI, desto mehr Kohlenhydrate werden als Energiequelle benötigt.
Ein Tipp: Ballaststoffreiche Gemüsesorten sollten nicht in die Berechnung der Kohlenhydratzufuhr einfließen, da sie für eine gesunde Verdauung wichtig sind.
Kann Carb Cycling beim Abnehmen helfen?
Obwohl einige Menschen an kohlenhydratarmen Tagen Gewicht verlieren, ist für eine nachhaltige Gewichtsabnahme letztendlich die Gesamtenergiezufuhr entscheidend – egal ob in einer kohlenhydratreichen oder kohlenhydratarmen Ernährung.
"Die gesamte Ernährung ist beim Abnehmen eher entscheidend als das reine Verändern der Kohlenhydratzufuhr", sagt Hope. "Stärkehaltige Kohlenhydrate wie Süßkartoffeln und Vollkornreis sind reich an B-Vitaminen und Ballaststoffen und halten länger satt als raffinierte Kohlenhydrate wie weißes Brot und weiße Nudeln."
Sollte ich Carb Cycling ausprobieren?
Das hängt davon ab, wie man "Carb Cycling" definiert. Wenn es um ein intensives, auf Makronährstoffe genau abgestimmtes Carb Cycling geht, kommt diese Methode vor allem für Ausdauersportlerinnen infrage – also für Menschen, die sich Herausforderungen wie Marathons oder Triathlons stellen. Erste Hinweise (wenn auch nicht viele) deuten darauf hin, dass eine reduzierte Kohlenhydrataufnahme vor intensiven Trainingseinheiten dem Körper helfen könnte, Kohlenhydrate später effizienter zu nutzen, wenn sie wieder zugeführt werden.
"Carb Cycling wird hauptsächlich von Spitzensportlerinnen unter der Aufsicht von Ernährungsberaterinnen angewendet, die den genauen Kohlenhydratbedarf individuell berechnen", erklärt Ernährungsberaterin Jenna Hope. "Bei Profisportlerinnen wird es typischerweise über einen Zeitraum von vier Wochen durchgeführt."
Die langfristigen Auswirkungen dieser Methode sind nicht ausreichend erforscht, und ein intensives Carb Cycling über einen längeren Zeitraum wird nicht empfohlen.
Welche "abgespeckte" Variante von Carb Cycling gibt es?
Wer einfach an Trainingstagen mehr Kohlenhydrate essen möchte, muss sich nicht strikt an das Konzept des Carb Cyclings halten. "Carb Cycling bedeutet, an bestimmten Tagen sehr wenige Kohlenhydrate zu essen. Doch für Freizeitsportlerinnen ist ein extremes Vorgehen in dieser Hinsicht nicht nötig", so Hope. "Es kann von Vorteil sein, an Trainingstagen die Kohlenhydrataufnahme leicht zu erhöhen, um die Energiereserven aufzufüllen. Allerdings solltest du an trainingsfreien Tagen nicht auf eine extrem niedrige Kohlenhydratzufuhr – typischerweise weniger als 50 g pro Tag – setzen."
"Ich empfehle eher, an Trainingstagen einfach etwas mehr Kohlenhydrate zu essen, anstatt die Zufuhr an anderen Tagen drastisch zu reduzieren", sagt Hope. In diesem Sinne bedeutet Carb Cycling letztlich nichts anderes, als an Tagen mit viel Cardio mehr Kohlenhydrate zu sich zu nehmen – ohne jede einzelne Grammzahl akribisch mitzuzählen oder an Rest Days die Kohlenhydratzufuhr drastisch zu senken.
Wie kann ich die richtige Menge an Kohlenhydraten in meinen Tag integrieren?
An Tagen mit intensivem Training empfiehlt Ernährungsberaterin Nichola Ludlam-Raine folgendes Vorgehen:
2–4 Stunden vor dem Training
"Eine Mahlzeit mit langsam verdaulichen (niedrig-glykämischen) Kohlenhydraten ist ideal", sagt Ludlam-Raine. Geeignete Optionen sind:
- Porridge mit Milch
- Thunfisch-Pasta in Tomatensauce
- Hähnchen mit Basmati-Reis und Gemüse
- Süßkartoffel mit Hüttenkäse-Salat
1–2 Stunden vor dem Training
"Ein kohlenhydratreicher Snack, etwa eine Banane, ein Marmeladenbrot oder ein Müsliriegel, zusammen mit einem hydrierenden Getränk wie Wasser, Milch oder einem isotonischen Sportgetränk, sorgt für ausreichend Energie, um das Workout erfolgreich zu absolvieren."
Während des Trainings
Bei langen Trainingseinheiten – etwa einem ausgedehnten Lauf oder Workouts über eine Stunde – ist es wichtig, die Energielevel aufrechtzuerhalten.
"Pro Stunde sollten 30–60 g Kohlenhydrate aufgenommen werden", empfiehlt Ludlam-Raine. Das kann geschehen in Form von:
- einem isotonischen Sportgetränk
- verdünntem Fruchtsaft
- einer Banane
- einem Energie-Gel
Nach dem Training
Auch wenn das Workout vorbei ist, bleibt eine kohlenhydratreiche Mahlzeit essenziell, um die Glykogenspeicher wieder aufzufüllen.
"Kohlenhydrate können die Stresshormon-Reaktion auf das Training reduzieren und das Immunsystem stärken", sagt Ludlam-Raine. "Optimal sind Lebensmittel mit einem hohen Nährstoffgehalt wie Vollkornprodukte, Gemüse und Milch – letzteres liefert zusätzlich wertvolles Protein."
Wichtig: Bevor du extreme Änderungen an deiner Ernährung vornimmst, solltest du dich mit einem Arzt oder Ernährungsberater abstimmen.
Fazit: Carb Cycling kann Benefits bringen, ist jedoch für Hobbysportlerinnen nicht nötig
Carb Cycling kann für Leistungssportler:innen unter professioneller Aufsicht sinnvoll sein, bringt Freizeitsportler:innen aber kaum Vorteile. Entscheidend für Leistung und Regeneration ist nicht das akribische Zählen von Kohlenhydraten, sondern eine bedarfsgerechte Ernährung. Wer an Trainingstagen etwas mehr komplexe Kohlenhydrate konsumiert und auf eine insgesamt ausgewogene Ernährung achtet, unterstützt seinen Körper optimal – ohne komplizierte Ernährungsstrategien. Letztlich gilt: Eine individuelle Herangehensweise, die sich an den eigenen Energiebedürfnissen orientiert, bringt langfristig die besten Ergebnisse.
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