Was machst du, wenn du dir eine schwere Erkältung oder einen fiesen Magen-Darm-Virus einfängst? Klar: Du meldest dich krank und kurierst dich zuhause aus. Aber was machen viele Frauen, wenn es ihnen mal psychisch nicht gut geht? Wenn sie sich erschöpft oder niedergeschlagen fühlen? Richtig: Sie tun diese Beschwerden als Nichtigkeit ab, reißen sich immer wieder zusammen und marschieren zur Arbeit.
"Ganz falsch", warnt die Psychologin Ilona Bürgel, "Und auch gefährlich! Psychische Erschöpfung hat nichts mit persönlicher Unfähigkeit zu tun, sondern ist ein wichtiges Alarmzeichen, dass man überfordert ist. Sie kann zu einem Burnout mutieren, das einen dann für längere Zeit aus dem Verkehr zieht." Anhand welcher Symptome du ein Burnout erkennst, klären wir hier.
Was ist ein Burnout?
Für den Begriff "Burnout" gibt es keine medizinisch-exakte Definition, obwohl es viele Studien dazu gibt. Er summiert Symptome körperlicher und seelischer Erschöpfung, ausgelöst durch lange andauernde Überforderung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt in ihrer Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICE) ein Burnout als nicht klassische Krankheit, die jedoch die Gesundheit von Betroffenen negativ beeinflussen kann, zu deren Behandlung ggf. ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden müsse.
Die Abgrenzungen zu einer Depression und einem Fatigue Syndrom sind schwammig, die Grenzen verlaufen da oft fließend und ohne klar abzugrenzende Merkmale. Viele Psycholog:innen sprechen aber vom Burnout als einer Vorstufe der Depression, die sich bei Nicht-Behandlung auswachsen kann zu einer richtigen Depression. Wenn man frühzeitig etwas dagegen unternimmt, sind die Heilungschancen jedoch recht gut. Dies hier sind die Warnsignale einer Depression.
Deshalb achte darauf: Besonders wenn du eigentlich genug geschlafen hast, sollte andauernde Müdigkeit und Niedergeschlagenheit dich misstrauisch machen, vor allem wenn sie mit extremer Lustlosigkeit und Antriebslosigkeit einhergeht und dir häufiger Fehler unterlaufen. Aber auch anhaltende Schlaflosigkeit oder ständige Einschlafschwierigkeiten können Warnzeichen sein.
Was ist das Rushing Woman Syndrom?
Die amerikanische Biochemikerin Dr. Libby Weaver hat zusätzlich zum Burnout den Begriff "Rushing Woman Syndrom" geprägt, der das Phänomen speziell in Bezug auf Frauen exakter auf den Punkt bringen soll: "Im Vordergrund steht die Wahrnehmung, ständig unter Druck zu sein", schreibt sie in ihrem Buch Das Rushing Woman-Syndrom.
"Das Hauptsymptom ist extreme, anhaltende Müdigkeit. Die betroffenen Frauen sind nicht nur abgrundtief müde, sondern häufig zugleich aufgedreht." Der Spagat zwischen Haushalt, Familie und Berufstätigkeit, den heutzutage immer mehr Frauen vollbringen müssen, hat häufig diese Symptomatik zur Folge.
Wann muss ich mit einem Burnout zum Arzt?
Am besten lässt du es gar nicht so weit kommen und horchst so früh wie möglich in dich hinein. Wenn sich das Gefühl der Erschöpfung breitzumachen beginnt und die Sehnsucht nach Erholung und Erleichterung immer größer wird, solltest du handeln und einen Arzttermin vereinbaren.
Eine Studie aus Schweden, wo übrigens Burnout als Krankheit anerkannt ist, zeigt, dass die Symptome eines Burnouts auch Jahre nach einer Behandung noch auftreten können. Warte also nicht zu lange.
Woran erkenne ich, ob ich ein Burnout habe?
Wie gesagt, das eine, klare Zeichen gibt es nicht. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Belastungsstadien verlaufen fließend. Es gibt allerdings einige deutliche Anzeichen, dass ein Burnout droht. Damit du gar nicht erst in die Erschöpfungs-Spirale gerätst, solltest du diese 7 stärksten Burnout-Signale erkennen und wissen, wie du ihnen am besten entgegensteuern kannst:
1. Du bist erschöpft, extrem müde, aber kannst nicht schlafen
Geistige Arbeit kann körperliche Erschöpfung verursachen. Vor allem, wenn du sehr viel arbeitest und die To-do-Liste nie kürzer wird. Stress führt dazu, dass in deinem Nervensystem der Sympathikus dominiert, der seit Urzeiten alle "Kampf oder Flucht"-Reaktionen auslöst. Dafür werden im Körper unter anderem die Hormone Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet, die deinen Körper in Alarmbereitschaft versetzen. Idealerweise steht der Sympathikus mit seinem Gegenspieler, dem für "Ruhe und Reparatur" zuständigen Parasympathikus, im Gleichgewicht.
"Das autonome Nervensystem wird vom Unterbewusstsein gesteuert und ist unseren Gedanken nicht zugänglich", erklärt Libby Weaver. Wenn du also den ganzen Tag unter Stress standest, bist du so mit Adrenalin geflutet, dass dein Körper bis spät in den Abend hinein im Kampf- und Flucht-Modus ist. Selbst wenn du dir sagst, dass du jetzt schlafen willst – dein fluchtbereiter Körper kann das nicht.
Um Schlaflosigkeit zu vermeiden, solltest du künftig ab 14 Uhr keinen Kaffee mehr trinken und abends keinen anstrengenden, sondern nur leichten Sport treiben. Sanfte Bewegung wie ein Spaziergang oder Yoga baut Adrenalin ab, so Expertin Weaver. Intensiver Sport dagegen ist letztlich Stress für den Körper und kurbelt die Adrenalin-Produktion wieder an. Baldrian und Hopfen, als Tee oder Dragee, können sanft dazu beitragen, dass du dich vor dem Schlafen entspannen kannst.
2. Du bist ängstlicher als sonst
Eigentlich bist du kein ängstlicher Typ, aber in letzter Zeit häufen sich Symptome wie Herzrasen und sogar Panikattacken? Achtung, dann bist du auf dem Highway zum Burnout. Und es wird höchste Zeit, entspannende Maßnahmen wie Massagen, Yoga und Meditation fest in deinen Alltag einzubauen.
SOS-Hilfe bei Panikattacken sind ein paar tiefe, bewusste Atemzüge. "Nichts kann den Körperzellen mehr Sicherheit vermitteln als das Atmen", so Weaver, "Mit kurzem, flachem Atem signalisieren wir dem Körper, dass unser Leben in Gefahr ist. Tiefe, langsame Atemzüge, die das Zwerchfell einbeziehen, teilen dem Körper das Gegenteil mit, dass alles gerade absolut sicher ist." Diese Atemübungen können helfen.
3. Du kannst dich nicht konzentrieren
Wenn deine Aufmerksamkeit wie ein Eichhörnchen von Gedanke zu Gedanke springt, wirst du zwangsläufig Fehler machen oder wichtige Dinge vergessen – was deinen Stresslevel weiter in die Höhe treibt.
Nimm dir mal einen ganzen Tag Auszeit. Klinke dich 24 Stunden komplett aus deinem Alltag aus. Nicht, um liegen gebliebene Dinge zu erledigen. Sondern um dich ganz auf dich zu konzentrieren, die sogenannte Self-Care. Die richtige Zeit, um zu meditieren, einen langen Spaziergang zu machen und dich nur um dich selbst zu kümmern!
4. Du bist niedergeschlagen
Die weltweiten Krisen, Ereignisse im Büro oder Zuhause drücken dich nieder? Deine Stimmung ist schlechter als üblich bei Stimmungsschwankungen und hält auch länger an? Dann könnte es sein, dass du auf eine Depression im klinischen Sinne zusteuerst.
Ob deine Niedergeschlagenheit die Begleiterscheinung eines Burnouts ist oder eine Depression ankündigt, kann ein:e Psycholog:in am besten klären. Warte nicht zu lange, sondern suche dir Hilfe. Psycholog:innen können am besten entscheiden, ob du eine Psychotherapie oder Psychopharmaka brauchst, oder ob ein paar Tage Auszeit reichen, um wieder eine positivere Lebenseinstellung zu bekommen.
5. Du wirst schnell wütend
Fast jede Frau hat mal einen Wutausbruch oder lässt sich unter Druck zu einer Überreaktion hinreißen. Wenn dein täglicher Umgangston jedoch immer aggressiver wird, ist es höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen. Denke daran: Wer psychisch angespannt ist, verkrampft auch körperlich. Ohne ein Ventil dafür zu finden, stauen sich die Emotionen – und entladen sich nicht selten in verbaler Aggression.
Tipp: Lass dich massieren, notfalls mit einem Massage-Gerät. Denn Massagen können dazu beitragen, sowohl die muskulären als auch psychischen Spannungen zu lockern und das Level des Stresshormons Cortisol im Körper um über die Hälfte zu senken, das belegen Studien. Auch ein heißes Bad mit einem Anti-Stress-Salz entspannt die Muskeln. Ganz falsch wäre jetzt ein anstrengendes Workout, das deinen Körper wieder unter Stress setzt. "Man profitiert jetzt von allen Bewegungsarten, die langsam durchgeführt werden und bei denen man auf den Atem achtet", betont Weaver, "Solche Übungen helfen, dem Gleichgewicht im vegetativen Nervensystem wieder näherzukommen." Tai-Chi, Qigong und Yoga sind ideale Sportarten für Frauen unter Stress.
6. Du fängst dir jeden Infekt ein
Auch ständige Erkältungen und andere körperliche Wehwehchen, die einfach nicht verschwinden wollen, sind eindeutige Zeichen dafür, dass dein Körper den Preis für einen erschöpften Geist zahlt.
Zieh die Reißleine. Überdenke deine Ernährung, sorge dafür, mit den wichtigsten Nährstoffen gut versorgt zu sein, vielleicht sogar mal kurmäßig mit einem Nahrungsergänzungsmittel, und sorge für ausreichend tiefen Schlaf, um dem Körper Futter und Zeit für Reparaturprozesse zu geben. Das sind die 10 besten Hausmittel bei Erkältung.
7. Du trinkst viel Kaffee und wirst immer unkonzentrierter
Du denkst, mit einem Kaffee nach dem anderen bekommst du mehr Power in deinen hektischen Alltag? Ganz falsch, weiß die Biochemikerin Weaver: "Nach ein paar Tassen Kaffee wird selbst die gelassenste, perfekt geerdete Frau innerlich zappelig." Statt wacher zu werden, verstärkt Kaffee den Stress und fördert den Weg ins Burnout. Weaver rät stressgeplagten Frauen dringend zu einer Kaffeepause.
Weaver: "Kaffee informiert die Hypophyse, dass sie die Nebenniere zur Adrenalin-Ausschüttung auffordern soll. Adrenalin wir frei, Blutdruck und Puls schießen in die Höhe und die Muskeln spannen sich an, um reaktionsbereit zu sein." Das alles ist Stress für deinen Körper! Steige auf grünen Tee oder Kräutertee um. Du wirst sehen, wenn du deinen Körper nicht wiederholt mit Adrenalin flutest, gewinnst du an Energie und Gelassenheit.
Wie hilft eine Auszeit gegen den Burnout?
Eine ein- oder auch mehrtägige Auszeit sind eine Chance, einem Burnout frühzeitig entgegenzuwirken. Das hat nichts mit "Blaumachen" zu tun. "Aus der Urlaubsforschung wissen wir, dass ein Kurzurlaub für die psychische Erholung mehr bringt als ein langer Urlaub", erzählt Ilona Bürgel, "Wichtig ist, dass man diesen Tag nicht nur als Auszeit von der Arbeit, sondern auch von den privaten Pflichten nutzt."
Schlafe dich richtig aus, gehe spazieren, mach eine geführte Meditation oder koche dir etwas Gesundes. Betrachte dich einmal in Ruhe aus der Vogelperspektive, um zu erkennen, was sich in deinem Leben dringend ändern muss.
Bevor du an einem Burnout erkrankst, gibt dir dein Körper mehrere Warnhinweise. Ignoriere sie nicht, sondern gehe ihnen nach und wähle entsprechende Gegenmaßnahmen. Wenn all das nicht hilft, solltest du deine:n Ärzt:in oder ein:e Psycholog:in aufsuchen.
Erwähnte Quellen:
Sofia Norlund et al. (2010): Burnout, working conditions and gender - results from the northern Sweden MONICA Study. BMC Public Health, https://doi.org/10.1186%2F1471-2458-10-326, zuletzt abgerufen am 19.04.2024
Kristina Glise, Lilian Wiegner und Ingibjörg H. Jonsdottir (2020): Long-term follow-up of residual symptoms in patients treated for stress-related exhaustion. BMC Psychology, https://bmcpsychology.biomedcentral.com/articles/10.1186/s40359-020-0395-8, zuletzt abgerufen am 19.04.2024
Tiffany Field et al. (2005): Cortisol decreases and serotonin and dopamine increase following massage therapy. The International journal of neuroscience, https://doi.org/10.1080/00207450590956459, zuletzt abgerufen am 19.04.2024
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