Der Blick streift über die Postkarten im Ständer vor dem Buchladen. "Never give up!" steht da, oder: "Alles, was du brauchst: Liebe, Freundschaft und Schokolade!" "Aufstehen, Krone richten, Weitertanzen!" Alles Sprüche, die du schon unzählige Male gelesen hast. Und wie so oft bei Dingen, die du ständig liest, wirken die Sprüche irgendwie schwammig und bedeutungslos.
In diese Schublade wird auch der Spruch „Glaube an dich selbst!" regelmäßig sortiert. Die englische Variante „Believe in yourself“ ist mindestens ebenso häufig auf lustig bedruckten Tassen zu finden oder mit einem kitschigen Bild unterlegt auf diversen Facebook-Pinnwänden zu lesen.

Doch es steckt mehr hinter dieser inflationär verwendeten Weisheit. Es ist keine weitere Phrase, die Wandtattoo-Hersteller lieben, wie „Live, Laugh, Love“. Denn es ist tatsächlich so: Wenn du an dich selbst glaubst, erhöhst du deine Chancen auf Erfolg. Das ist keine Kalenderweisheit, sondern ein bekanntes psychologisches Phänomen, das man als self-fulfilling prophecy oder auf deutsch als selbsterfüllende Prophezeiung bezeichnet.
Was ist eine self-fulfilling prophecy?
Das Konzept der Selbsterfüllenden Prophezeiung wurde von dem Soziologen Robert Merton ausgearbeitet. Man prophezeit etwas für die Zukunft, das zunächst nicht stimmt, zum Beispiel: „Ich werde dieses Jahr befördert.“ Aufgrund dieser Vorhersage änderst du aber dein Verhalten dann so, dass die Prophezeiung sich erfüllt. Das heißt, du tust alles dafür, um den Erwartungen gerecht zu werden.

Für das Beispiel hieße das, dass du dich besonders bemühst, einen guten Eindruck bei der Chef:innenetage zu hinterlassen und im Job noch mehr Einsatz zeigst.
Auch unterbewusste Faktoren helfen dir auf dem Weg zur geplanten Beförderung. Ohne etwas bewusst zu verändern, verhältst du dich zum Beispiel deinen Arbeitskolleg:innen gegenüber schon ein bisschen so, als wärest du bereits befördert worden. Dieses kompetente und engagierte Auftreten bringt dich ebenfalls weiter in Richtung der gewünschten Position.
Wie funktionieren selbsterfüllende Prophezeiungen?
Das Phänomen „Self-fulfilling Prophecy" beruht auf verschiedenen Wirkmechanismen. Zum einem richtest du deine Handlungen bewusst und aktiv so aus, dass die Vorhersage Wirklichkeit wird. Zum anderen wird die Zukunft auch durch unterbewusste Handlungen beeinflusst. Wie du über dich und dein zukünftiges Leben denkst, spielt also eine wichtige Rolle. Doch nicht nur die eigene Erwartungshaltung beeinflusst das Leben, auch das Umfeld kann maßgeblich dazu beitragen, wer du bist und wie du dich entwickelst.
Welche Auswirkungen Selbsterfüllende Prophezeiungen haben können und wie wichtig es ist, dass du dir dein Leben in den schönsten Farben ausmalst, zeigen diese spannenden Forschungsergebnisse.
Der Rosenthal-Effekt
Der Psychologe Robert Rosenthal führte einige bekannte Studien zur Selbsterfüllenden Prophezeiung durch. Insbesondere erforschte er, wie sich die Erwartungshaltung anderer auf die individuelle Leistung auswirken kann.
1965 testete er für eine Studie zum Schuljahresbeginn die Intelligenz der Schüler:innen an amerikanischen Grundschulen. Daraufhin wählte er einige Schüler:innen aus, die er als besonders intelligent bezeichnete - doch nicht aufgrund der Ergebnisse, sondern rein zufällig!
Er teilte den Lehrer:innen mit, dass von diesen Schüler:innen hervorragende Leistungen zu erwarten seien. Als am Schuljahresende erneut die Intelligenz gemessen wurde, zeigte sich, dass die (nur angeblich) leistungsstarken Schüler:innen sich tatsächlich stärker verbessert hatten als die anderen.

Wie kann es sein, dass sich die Schüler:innen, wie prophezeit, besser entwickelt haben als die Mitschüler:innen, obwohl alle zu Beginn des Jahres das gleiche Potenzial hatten? Nur die Lehrer:innen wussten, welche Schüler:innen angeblich besonders leistungsstark sind. Das heißt, ihre Erwartungen haben dazu geführt, dass sie die ausgewählten Kinder anders gefördert haben und diese sich deshalb besser entwickeln konnten.
Der Wissenschaftler Rosenthal schließt aus seinen Forschungsergebnissen: „Wenn wir eine bestimmte Verhaltensweise von jemandem erwarten, dann ist es wahrscheinlich, dass wir uns gegenüber dieser Person so verhalten, dass das erwartete Verhalten mit hoher Wahrscheinlichkeit auftritt.“
Auch Strukturen wie Rassismus oder Sexismus werden durch diesen Mechanismus verstärkt. In dem Moment, in dem man ein Vorurteil gegen jemanden hat, wegen des Geschlechts, der Herkunft oder der Kleidung zum Beispiel, verändert man das eigene Verhalten diesen Personen gegenüber. Schubladendenken führt also nicht nur zu einer verzerrten Sichtweise, sondern kann auch die Verhaltensweise manipulieren, so dass sich Vorurteile erfüllen, als Reaktion auf eben diese.
Der Placebo-Effekt

Auch der Placebo-Effekt ist ein Beispiel für eine Selbsterfüllende Prophezeiung. Du erhältst eine Therapie, die jedoch keine Wirkstoffe enthält. Nur der Glaube daran, dass die Tablette, Übung oder Salbe beispielsweise, dir dabei hilft, gesund zu werden, reicht aus, um den körpereigenen Heilungsprozess anzustoßen. Das gilt natürlich nicht bei jeder Krankheit und oft wird der Placebo-Effekt nur unterstützend eingesetzt!
Wenn dir teilweise allein der Glaube an die Heilkraft von etwas helfen kann gesund zu werden, wie ist das dann bei Sport? Sport hält fit und ist ein wichtiger Bestandteil eines gesunden Lebensstils. Die Wissenschaftlerin Ellen Langer der Harvard University fragte sich deshalb: Profitiert man gesundheitlich auch deshalb von Sport, weil man an die Benefits der Aktivität glaubt?
Placebo beim Sport: Fördert körperliche Betätigung die Gesundheit mehr, wenn man sie als Sport wahrnimmt?
Ihre Forschungsfrage war diese: Ist es gesünder, sich täglich zu bewegen in dem Wissen, dass man gerade Sport macht, als täglich aktiv zu sein, ohne sich dabei bewusst zu sein, dass man gerade etwas für die Fitness macht?

Um diese Frage zu beantworten, führte sie eine Studie mit 84 Zimmermädchen durch. Das Aufräumen, Putzen und Bettenbeziehen erfordert einen hohen körperlichen Einsatz. Und doch würde niemand den Hausputz als Home-Workout bezeichnen, oder?
Forscherin Langer teilte die Hausangestellten zufällig in zwei Gruppen auf und führte bei allen Frauen einen Gesundheitscheck durch. Der einen Gruppe erklärte sie zusätzlich, dass ihre berufliche Tätigkeit durchaus mit Sport gleichgesetzt werden kann und sie gesundheitlich von der Arbeit profitieren. Der anderen Gruppe wurde dies nicht mitgeteilt. Sie dachten, es handle sich lediglich um eine Gesundheitsstudie.
Nach einem Monat wurden die Frauen befragt und eine erneuter Gesundheitscheck durchgeführt. Die Zimmermädchen, die wussten, dass ihre Arbeit auch gut für die Fitness ist, nahmen sich tatsächlich als sportlicher wahr. Auch die Zahlen sprechen dafür: die Probandinnen in der „Sportgruppe" hatten Gewicht verloren, einen niedrigeren Körperfettanteil und gesenkten Blutdruck, ein gesünderes Taille-Hüft-Verhältnis und einen geringeren BMI. Dabei hatte sich ihre eigentliche Aktivität nicht verändert, nur die Denkweise. In der Vergleichsgruppe gab es diese körperlichen Veränderungen nicht.
Das heißt: Wie sehr deine Gesundheit von Bewegung profitiert, hängt auch davon ab, ob du dich bei deiner Aktivität sportlich fühlst oder nicht. Ob Betten aufschütteln oder Rope Workout, Squats oder die Glastüren von oben bis unten putzen, Hauptsache ist, dass du dich bewegst und dabei das richtige Mindset hast! Und ein weiteres Plus: ein abwechslungsreiches Training stärkt den Körper am besten.
Mit diesem Wissen kannst du jetzt in eine richtige Erfolgsschleife starten. Erwarte nur das Beste von dir und du wirst auch bessere Leistungen erbringen. Dieser Erfolg gibt dir dann noch mehr Selbstvertrauen und mit der Überzeugung, dass du alles schaffen kannst, wirst du auch deine nächste Herausforderung mit links meistern.
Negative Auswirkungen einer selbsterfüllenden Prophezeiung
Doch Vorsicht, natürlich kann das auch ins Gegenteil umschlagen und plötzlich steckst du in einem Teufelskreis und weißt nicht wie du aus der Abwärtsspirale wieder herauskommen sollst.
Das passiert zum Beispiel bei Prüfungsangst. Du bist angespannt und befürchtest, dass du in einer Prüfung versagst. Durch diesen Druck und die Angst schneidest du tatsächlich schlechter ab. Das Versagen bestätigt das negative Selbstbild, du glaubst immer weniger an dich selbst und mit dieser Selbsteinschätzung hast du in der nächsten Prüfungssituation automatisch schlechtere Chancen auf Erfolg.
Auch der Körper ist durch negative Gedanken manipulierbar. Forscher konnten in Studien zeigen, dass ältere Menschen, die einen Sturz befürchten, deutlich häufiger stürzen als Personen, die davor weniger Angst haben. Das heißt: Nicht die tatsächliche Leistungsfähigkeit ist oftmals das Problem, sondern Zweifel und Ängste!
Und jetzt? Stärke dein Mindset!
Wie nehmen dich die Menschen in deinem Umfeld wahr? Hatten sie von Beginn an Vorurteile und behandeln dich auf eine Art und Weise, die dich in eine Ecke drängt, in der du dich gar nicht siehst? Versuche dies zu thematisieren oder zeige, dass mehr in dir steckt, als dein Gegenüber dir zutraut! Auch wenn andere nicht an dich glauben, versuche dir selbst zu vertrauen!
Nimm außerdem Abstand von dem Gedanken, dass du eine Verliererin bist, wenn etwas mal nicht so optimal läuft. Frage dich stattdessen mit welcher Einstellung du ans Werk gegangen bist:
- Wie war deine Erwartungshaltung?
- Hast du wirklich daran geglaubt, dass du befördert wirst?
- Hast du entsprechend dein Verhalten geändert?
- Haben immer wieder Selbstzweifel an dir genagt?
Wenn du merkst, dass du selbst nicht an die Prophezeiung geglaubt hast, kannst du zumindest daran selbst etwas ändern! Wie die Wissenschaft zeigt, hat die Erwartungshaltung, und somit auch deine Selbstzweifel, einen viel größeren Einfluss auf das Leben als es manchmal scheint.
Du kannst die Idee der Self-fulfilling prophecy für dich nutzen. Ab jetzt ist "Glaub an dich selbst!" dein Motto, nunmehr wissenschaftlich geprüft und empfohlen.