Lebenskrisen: So meisterst du sie | SOUL♥SISTER

Resilienz lernen
Wie du Lebenskrisen bewältigst und daran wächst

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Zuletzt aktualisiert am 17.12.2018
So meisterst du Lebenskrisen
Foto: Joshua Rawson-Harris / unsplash.com

Eigentlich lief gerade alles so gut und plötzlich stimmt überhaupt nichts mehr. Krise – aktuell wird dieser Begriff fast ausschließlich mit der Corona-Pandemie assoziiert. Abgesehen vom Virus, das die ganze Welt lahmlegt, gibt es aber auch persönliche Schicksalsschläge, die eine Krise hervorrufen können: Ob dramatische Trennung, vermasselte Prüfungen oder ein schrecklicher Verlust in der Familie – solche Lebenskrisen kommen häufig völlig unerwartet und stoßen dich erst einmal in ein tiefes, dunkles Loch.

Wie sollst du das nur verarbeiten? Wie kommst du da wieder heraus, am besten stärker als zuvor? Wir haben mit zwei Krisen-Experten über Überwindungsstrategien und innere Stärke gesprochen – und darüber, wie Resilienz das Leben verbessert.

(Lebens-)Krisen lassen sich nicht planen

Ein Kontrollverlust trifft Menschen heute besonders hart. Wir leben in einer Gesellschaft, in der alles optimierbar und kontrollierbar scheint. Fitnesstracker, Kalorienzähler und Checklisten erzeugen die Illusion, du hättest jeden Aspekt deines Lebens unter strenger Kontrolle. Ein gefährlicher Irrtum.

Dass das Leben selbst aber gar nicht planbar ist, merkst du dann in Krisensituationen – und wirst dadurch ganz schön aus der Bahn geworfen. Wie du mit Tiefpunkten umgehst, hängt von einer ganz essenziellen psychischen Qualität ab: der Resilienz.

Was bedeutet Resilienz?

Der Begriff Resilienz (von lat. resilire "zurückspringen") beschreibt in Wissenschaft und Technik die Fähigkeit eines Systems oder Materials, nach einer starken Belastung in den Ausgangszustand zurückzukehren. Für die menschliche Seele könnte man ihn etwa mit 'innere Stärke' oder 'Stressresistenz' übersetzen. Es ist die Fähigkeit, eine Krise zu bewältigen und gestärkt aus ihr hervorzugehen. Doch nicht nur das: Resilienz hilft dir in turbulenten Phasen einen kühlen Kopf zu bewahren und allgemein stressresistenter zu bleiben.

Die Grundsteine für deine psychische Widerstandskraft werden schon in der frühen Kindheit gelegt, sagt Dr. Mirriam Prieß, Autorin des Buches 'Resilienz. Das Geheimnis innerer Stärke. Widerstandskraft entwickeln und authentisch leben' (Südwest Verlag, um 20 Euro, hier geht's direkt zum Buch): Wächst ein Kind in einem offenen und liebevollen Umfeld auf, so Prieß, erlebt es die Grundlagen der Resilienz, also Augenhöhe, Empathie, Offenheit, Respekt und Wertschätzung als selbstverständliche Werte.

Auch wenn sich das Leben immer schneller dreht: Besinne dich in Krisen auf dich selbst.
Rich Soul / unsplash.com

Wie kann ich Resilienz trainieren?

Die gute Nachricht zuerst: Die Fähigkeit, Krisen gut zu bewältigen, kannst du trainieren. Aber: Es ist ein langer Prozess und erfordert absolute Ehrlichkeit zu sich selbst. Viele Menschen, die sich mit einer Krise konfrontiert sehen, verleugnen dies nämlich gerne mal. "Resilienz ist die Fähigkeit, zu sich und zu dem, was ist, zu stehen“, definiert Mirriam Prieß, die häufig mit Burn-Out-Patienten arbeitet. Laut Prieß verlieren viele Menschen Zeit und Kraft damit, Dinge abzuwehren, anstatt sich ihnen zu stellen.

Auch Resilienztrainer Ulrich Siegrist, der Betroffenen mit seinem Ausfüllbuch ‘Resilienz trainieren. Wie Sie Schritt für Schritt innere Stärke erlangen und Krisen überstehen‘ (mvg Verlag, um 9 Euro, hier geht's direkt zum Buch) eine praktische Hilfe an die Seite stellt, erklärt: "Akzeptanz – das anzunehmen, was sich nicht ändern lässt – ist einer der ersten wichtigen Schritte der Resilienz."

6 Strategien, die dir bei der Krisenbewältigung helfen können

Eines vorab: Ein anfängliches Gefühl der Hilflosigkeit und der Überforderung ist angesichts einer Lebenskrise oder eines Schicksalsschlages nicht verwunderlich. Hast du aber längere Zeit die Befürchtung, alleine nicht mit der Situation umgehen zu können, hol dir Hilfe! Ein Therapeut oder Coach hat das Wissen und die praktische Erfahrung, dir zur Seite zu stehen.

1. Innehalten und die Krise akzeptieren

Im Angesicht einer Krise neigen wir dazu, immer weiter funktionieren zu wollen und uns abzulenken. Diese "Flucht nach vorn" solltest du möglichst vermeiden. Versuche eher, bewusst innezuhalten. Sondiere deine Lage und versuche, die Krise zu definieren und anzunehmen. Siegrist nennt diesen Schritt "persönliche Standortanalyse".

Tagebuch schreiben hilft beim Verarbeiten von Problemen und negativen Gedanken.
fotografierende / unsplash.com

2. Klarheit schaffen durch Visualisierung

Ulrich Siegrist hat erkannt, dass Visualisierung und Aufschreiben ein wichtiger Schritt zur Bestandsaufnahme und Verarbeitung ist und hat daher für sein Buch hilfreiche Tests und Aufgaben entwickelt. Vielen Menschen helfen sogenannte "Bullet Journals" mit Checklisten mit kleinen Zielen, Klarheit und Kontrolle über eine Situation zu erlangen. Auch ein Tagebuch kann helfen, mit schwierigen Situationen umzugehen und später aus ihnen zu lernen.

3. Persönliche Ressourcen entdecken

Besinne dich auf dich selbst: Welche Eigenschaften schätz du an dir, welche Eigenschaften könnten dir in der aktuellen Krise hilfreich sein? Wenn du an eine andere Krise denkst, die du in der Vergangenheit gemeistert hast, fallen dir sicher Dinge ein, die du gut gemacht hast und andere, aus denen du lernen kannst. Auch dein Umfeld gehört zu deinen Ressourcen: Vielleicht der Partner, der dir immer zuhört, eine gute Freundin oder die Eltern. Scheue dich niemals, Hilfe anzunehmen: Du bist nicht allein auf der Welt, auch wenn es sich in schwierigen Situationen manchmal so anfühlt.

4. Dialogfähigkeit als Basis innerer Stärke

Mirriam Prieß sieht die Dialog- und Beziehungsfähigkeit als Basis von Resilienz. Diese Dialogfähigkeit ist essenziell für unser berufliches und privates Leben und beruht auf mehreren Faktoren: Interesse, Offenheit, Empathie, Augenhöhe und Wertschätzung.

Wie trainierst du diese Fähigkeiten? Die Medizinerin rät, dich immer mal wieder in dein Gegenüber hineinzuversetzen. Dieser Platzwechsel trainiert deine Empathie- und Dialogfähigkeit. Denn genau da sieht Prieß die Ursache vieler Krisen: "Ob im beruflichen oder privaten Bereich, viele Konflikte entstehen und eskalieren, wenn Betroffene nicht offen sind, sondern in ihrer eigenen Welt leben und diese als Maßstab nehmen." Neben der äußeren Dialogfähigkeit zähle auch die innere Dialogfähigkeit, erläutert Prieß: "Eine gelingende Beziehung zu sich selbst ist Grundlage unserer Gesundheit."

5. Selbstliebe und Achtsamkeit fördern

Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper – was klingt wie eine ziemlich abgedroschene Phrase, ist tatsächlich sehr wichtig! Überleg mal: Wie oft bist du schon krank geworden, wenn du sowieso schon gestresst warst? Oder wie dein Körper auf stressige Phasen mit Pickeln, fahler Haut und Krankheitssymptomen reagiert. Psyche und Körper hängen eng zusammen, weshalb du auch in stressigen Zeiten, wenn du trauerst oder etwas verarbeitest, für einen gesunden Körper sorgen solltest. Mache regelmäßig Sport, praktiziere Yoga und bewege dich an der frischen Luft. Ernähre dich gesund und versorge deinen Körper mit allem, was er braucht, um diese anstrengende Zeit zu überstehen.

Ja, es ist nicht immer einfach, sich in schweren Zeiten aufzuraffen, aber denke immer an das wohlige Gefühl, das du hast, wenn du dir ein bisschen Zeit für dich genommen hast. Vielleicht verabredest du dich mit deinen Freundinnen zu einer Yoga Challenge, in der ihr einen Monat lang jeden Tag 15 Minuten Yoga praktiziert. Oder du nimmst dir vor, zwei Monate lang auf Lebensmitteln zu verzichten, die dir nicht guttun. Sieh dies nicht als zusätzlichen Stressfaktor, sondern als eine Art Prophylaxe, die dich vor zukünftigen Krisen bewahrt.

6. Lebenskrisen bewältigen: proaktiv handeln

Ein wichtiges Merkmal resilienter Menschen ist laut Resilienzcoach Siegrist die Fähigkeit, selbst in scheinbar aussichtslosen Situationen proaktiv zu handeln. Resiliente Menschen verfallen also nicht in eine passive Starre und lassen sich von der Krise beherrschen, sondern bleiben selbstverantwortlich und bewältigen die Krise mithilfe ihrer eigenen Ressourcen: "Die proaktive Handlung legt Wert darauf, dass das eigene Verhalten ein Ergebnis von bewussten und zielgerichteten Entscheidungen ist", erklärt Siegrist. Zu dieser Proaktivität gehört es, selbstbewusst zu sein, bewusste Entscheidungen zu treffen, realistische Lösungen zu finden und seine nächsten Schritte zu planen.

Leitsatz von Mirriam Prieß: "Innere Stärke entsteht durch die Fähigkeit, das anzunehmen, was ist, dem auf Augenhöhe zu begegnen und das Bestmögliche daraus zu machen. Wer seine innere Stärke finden will, hört auf, eigene Schwächen zu verteidigen und steht zu dem, wer sie oder er ist."

Mit diesen 6 Strategien für mehr Resilienz bist du besser für Krisen gewappnet. Wenn du alleine nicht mehr weiter weiß, solltest du dir unbedingt professionelle Hilfe suchen. Seelische Unterstützung in Notsituationen findest du zum Beispiel hier.