Eigentlich ist es erst 9 Uhr morgens – aber gedanklich bist du mit dem Arbeitstag schon durch. Der Grund: deine To-Do-Liste ist randvoll. Mails beantworten, Ablage organisieren, eine wichtige Besprechung – und über allem schwebt dieses eine große Projekt, was bald Abgabe hat.
Deine Liste ist so voll, dass du nicht weißt, wo du anfangen sollst. Und deshalb gar nichts tust. Stattdessen suchst du nach den besten Gummistiefeln für den Herbst, googelst Symptome für Nährstoffmangel (klar, du fühlst dich auch echt schlapp) oder räumst die Spülmaschine aus. Sind alles wichtige Dinge. Sie helfen dir nur im Job kein Stück weiter. Und so bist du mitten im Strudel der Aufschieberitis angekommen.
Was ist Prokrastination?
Dieses aufschiebende Verhalten hat einen Namen: Prokrastination. Das bedeutet übersetzt das Verschieben von bedeutsamen beruflichen oder privaten Aufgaben. Oder du ersetzt diese durch unwichtigere Handlungen.
Aber bevor du in Panik gerätst: Faulheit hat nichts mit Prokrastination zu tun. Prokrastination ist ein Prozess, der oft mit Ängsten und Stress verbunden ist und auf die Psyche schlagen kann, wie eine neue Studie der Universitätsmedizin Mainz zeigt. Aber woher kommt diese Aufschieberitis?
Welche Ursachen hat Prokrastination?
Angst vor einer Aufgabe oder Kritik bilden den perfekten Nährboden für Prokrastination. Es kommt aber noch etwas anderes hinzu: Viele Menschen schieben Dinge auf, wenn der akute Zeitdruck fehlt. Du lässt dir beispielsweise Zeit mit dem Erstellen einer Präsentation, bis zum Abend davor. Dann hast du richtig Druck und musst schnell handeln. Außerdem schenkt dir das kurzfristige Erledigen von unwichtigen Aufgaben kurzzeitig ein positives Gefühl - immerhin hast du etwas erledigt.
Gibt es verschiedene Arten der Prokrastination?
Die Psychologie unterscheidet zwischen aktiver und passiver Prokrastination.
- In der passiven Version vermeidest du, die Aufgabe zu erledigen aus Angst oder Selbstzweifeln. Du definierst Erfolg über äußere Bestätigung, statt an deine eigenen Fähigkeiten zu glauben. Zunehmender Termindruck bekräftigt deine Angst und führt dazu, dass du die Situation weiter vor dir herschiebst.
- Anders ist es bei der aktiven Prokrastination: Hier brauchst du den steigenden Druck, um in die Gänge zu kommen und die bevorstehende Aufgabe zu erledigen. Du bist selbstbewusst und beziehst den Erfolg auf deine Fähigkeiten. Etwas in letzter Minute zu schaffen, verstärkt bei diesen Personen den positiven Reiz. Menschen, die so ticken, suchen geradezu den Kick des Zeitdrucks.
Doch bei allem Negativen: Das Aufschieben auf einen späteren Zeitpunkt hat auch positive Aspekte und kann in bestimmten Situationen sinnvoll sein. Falls du einen kreativen Beruf hast, kennst du das vielleicht: Die besten Ideen bleiben lange aus, und kommen dir dann unter der Dusche. Letztlich hast du hier eine Aufgabe nach hinten geschoben, um dir Zeit zu geben, neue Einfälle zu entwickeln. Oder wenn sich an der Aufgabenstellung etwas verändern, ist es durchaus sinnvoll, erst andere Tätigkeiten abzuarbeiten.
5 Tipps, wie du das Aufschieben überwindest
Du hast dich dazu entschieden, in Zukunft weniger Dinge auf einen anderen Tag zu verlegen, weißt aber nicht, wie du deinen inneren Schweinehund überwinden kannst? Zum Glück haben wir diese 5 Tipps für dich zusammengestellt.
1. Priorisiere und schaffe so Struktur
Schreibe dir eine neue To-do-Liste und sortiere die Aufgaben darin zusätzlich nach ihrer Priorität. Tipp: Schreibe deine To-Dos lieber in ein schönes Notizbuch, statt auf Post-Its.
Wenn du Schwierigkeiten hast, Aufgaben zu priorisieren, kann dir die Eisenhower-Matrix aus der Psychologie helfen. Bei dieser Methode ordnest du deine Aufgaben nach Dringlichkeit (was muss zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein?) und Wichtigkeit (was muss unbedingt gemacht werden?) und arbeitest sie dann ab. Hier siehst du eine detaillierte Darstellung des Prinzips:

Die Eisenhower-Matrix priorisiert Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Wichtiges und Dringendes gehst du sofort selbst an, weniger Wichtiges oder Störendes erst später.
2. Nutze die Arbeitszeitreduktions-Methode
Es klingt paradox, bringt dich aber deinem gesetzten Ziel näher: Lege dir vor Beginn der Aufgabe ein realistisches Zeitfenster fest, welches du nicht überschreitest. Beispielsweise 30 Minuten. Setze dir für den Anfang ein möglichst schmalen Zeitrahmen. Denn je weniger Zeit du hast, umso produktiver arbeitest du. Erst wenn du in diesen 30 Minuten aktiv an der Sache gearbeitet hast und bereit bist für mehr, erweiterst du das Fenster.
3. Feiere auch kleine Teilerfolge
Motivation kann dir helfen, das Aufschieben zu vermeiden. Teile dir große, scheinbar unmögliche Aufgaben in kleine Stufen ein. Überlege dir für jeden Teilerfolg kleine Belohnungen – einen frisch gebrühten Kaffee in deiner Lieblingstasse oder 10 Minuten in der Sonne sitzen. Durch diese Anreize hältst du den Zeitabstand zwischen Arbeitsaufwand und Belohnung klein - das steigert die Motivation!
4. Erledige Unangenehmes zuerst
Es klingt gemein, ist aber der beste Weg, diese Ungeliebten Aufgaben vom Tisch zu bekommen. Es ist die klassische Methode der Selbstüberrumpelung, wie ein Sprung ins kalte Wasser oder das schnelle Abziehen eines Pflasters.
Vielleicht ist es ein bestimmter Bereich, der dir beim Lernen schwerfällt, eine lästige Erledigung oder ein unangenehmes Gespräch. Am besten absolvierst du diese nervigen Aufgaben so bald wie möglich nach dem Aufstehen, um Prokrastination und Aufschieberitis vorzubeugen. Der Rest des Tages wird dir dann wie ein Kinderspiel vorkommen.
5. Lasse keine Ablenkung zu
Wenn du dich mit einer schwierigen Aufgabe befasst, solltest du alle potenziellen Störquellen vermeiden. Zieh dir ein gemütliches Outfit an, an dem nichts einengt. Schalte dein Handy in den Flugmodus. Bitte alle in deiner Umgebung, dich mal eine Stunde nicht zu stören. Und wenn du absolute Ruhe brauchst, setze auf Noise-Cancelling-Kopfhörer.
Jeder Mensch prokrastiniert. Also entspanne dich und sei geduldig mit dir! Mit etwas Übung und Routine fällt es dir leichter, dich zu strukturieren. Wenn es erstmal läuft, bleibt dir genug Zeit, nach Gummistiefeln zu suchen oder Preise zu vergleichen. Ohne schlechtes Gewissen.
Erwähnte Quellen:
Beutel ME, Klein EM, Aufenanger S, Brähler E, Dreier M, et al. (2016) Procrastination, Distress and Life Satisfaction across the Age Range – A German Representative Community Study. PLOS ONE 11(2): e0148054. doi: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0148054