Hilfe annehmen
3 Tipps, um erfolgreich um Hilfe zu bitten

„Ich brauche Hilfe“ – ein Satz, der nicht so leicht über die Lippen geht. Weshalb du ihn trotzdem öfter sagen solltest, und wie dir das gelingt!
Helping Hands
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In diesem Artikel:
  • Warum es schwer fällt, Hilfe anzunehmen
  • Warum man öfter um Hilfe bitten sollte
  • So bittest du um Hilfe

Wenn es ums Geben und Helfen geht, hast du kein Problem, oder? Liebend gern gießt du die Pflanzen deiner Eltern, wenn sie im Urlaub sind, bekochst deine Nachbarin, wenn sie krank im Bett liegt oder sagst alle Aktivitäten für die Woche ab, wenn deine Freundin mit Liebeskummer auf deine Umarmungen angewiesen ist. Ist doch schließlich selbstverständlich!

Na klar, anderen helfen – das fühlt sich gut an. Das bestätigt eine Studie der beiden Psychologinnen Tristen Inagaki und Naomi Eisenberger von der University of California in Los Angeles. In einem Test konnten die beiden Forscherinnen bei Frauen, die ihren Partner:innen in einem Zustand des Schmerzes beistanden, Erregungen im Belohnungszentrum des Gehirns messen. Geliebten Menschen zu helfen, löst also positive Gefühle in dir aus, die in etwa mit einem Stück Schokolade oder auch Sex zu vergleichen sind!

Kein Wunder, dass du gerne anderen unter die Arme greifst! Doch wie verhält sich das Ganze, wenn du nicht die Hilfe Gebende Person bist, sondern die, die sie benötigt?

Warum es schwer fällt, Hilfe anzunehmen

Freunde helfen einander
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Hilfe geben fällt einfacher als Hilfe annehmen. Dabei sind beide Parts gleich wichtig.

Hilfe annehmen gestaltet sich deutlich schwieriger, als selbst zu helfen. Warum gibt man viel lieber, als dass man annimmt? Die Gründe ergeben sich aus den negativen Gefühlen, die durch das um Hilfe bitten ausgelöst werden. Der Wunsch nach sozialer Anerkennung ist groß, jedoch impliziert Hilfsbedürftigkeit Schwäche, da sie Unzulänglichkeiten und Unfähigkeit bestätigt und diese soll – in einer Welt, in der das eigene Leben vermeintlich perfekt ist – doch niemand sehen!

Aber nicht nur die Angst vor negativer Beurteilung macht es schwer, nach Unterstützung zu fragen, auch die Angst vor Ablehnung bestimmt die Art und Weise, wie selbst mit der Überforderung umgegangen wird. Laut einer Studie der Sozialpsychologin Naomi Eisenberger werden beim Erfahren von Ablehnung im Hirn dieselben Regionen aktiviert, wie bei physischem Schmerz. Da liegt es auf der Hand lieber gestresst alles unter einen Hut bekommen zu wollen, als um Hilfe zu bitten und die Gefahr einzugehen, enttäuscht und verletzt zu werden. Klassischer Selbstschutz! Doch rechnet sich das auf?

Warum man öfter um Hilfe bitten sollte

Du denkst dir: Auf keinen Fall werde ich vor meiner Chefin zugeben, dass die Aufgaben, die sie mir gegeben hat, zu viele sind! So bekomme ich nie diese Beförderung. Und no way, dass ich meiner Freundin sage, ich brauche Trost, nachdem der Typ, den sie von Anfang an nicht leiden konnte, mich abserviert hat. Da nimmt sie mich doch nie wieder ernst!

Ja, es mag erst einmal unlogisch klingen, sich diesen vermeintlich negativen Gedanken zu stellen, aber es lohnt sich! Letztlich geschieht vieles davon nämlich nur im Kopf. Wir sagen dir, warum:

1. Um Hilfe bitten stärkt soziale Beziehungen

Freundinnen helfen einander
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Soziale Beziehungen werden stärker, wenn man zusammen arbeitet. Das geht nur wenn man und sich gegenseitig unterstützt und Unterstützung zulässt.

Das Leben ist schlicht und einfach nicht allein zu meistern. Der Mensch ist ein soziales Wesen und evolutionär sogar darauf angewiesen Hilfe zu geben und anzunehmen. Wissenschaftler:innen des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig fanden heraus, dass diese Hilfsbereitschaft bereits von Kleinkind-Alter an in uns Menschen vorhanden ist. Denn: sie stärkt das Kollektiv und ermöglicht ein friedliches und soziales Zusammenleben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass deine Chefin dich für deine kämpferische Art, alles allein zu lösen, lobt, ist demnach eher gering. Vielmehr könnte die Frage aufkommen, ob dein Verhalten einem Ego-Trip gleicht und dich teamunfähig macht. Mit einem „ich brauche deine Hilfe“ ist am Ende also nicht nur dir geholfen, sondern vor allem auch deinen Beziehungen zu den Menschen um dich herum!

2. Schwäche zeigen ist eine Stärke

Klingt wie ein überholtes Mantra, ist aber nun mal wahr! Dass Verletzlichkeit zu zeigen bei anderen gut ankommt, wurde in mehreren Studien bewiesen. Und wenn du einmal darüber nachdenkst, musst du dir sicherlich eingestehen, dass dir andere Menschen sehr viel sympathischer sind, wenn sie nicht so wirken, als würden sie alles problemlos meistern. Du fühlst dich ihnen viel näher, wenn sie ihre Unsicherheiten Preis geben. Das macht sie greifbarer.

Warum man die Schwächen anderer jedoch so begrüßt, während man die eigenen um jeden Preis verheimlichen will, erklärt eine Studie der Universität Mannheim. Der Grund liegt in der Diskrepanz zwischen der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Umso abstrakter etwas in der eigenen Vorstellung ist (in diesem Fall die Unsicherheiten und Probleme deines Gegenübers), umso positiver fällt auch die Wertung darüber aus. Denke daran, dass die anderen deine Schwächen nicht als Versagen ansehen werden, wenn du das nächste Mal um Hilfe bitten möchtest.

3. Um Hilfe bitten bringt dich weiter

Help
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Wer eigene Schwächen nicht zeigt, wird sie auch schwerer überwinden.

Und dann liegen da noch viele Gründe ganz einfach auf der Hand. Zum Beispiel, dass die Arbeit, die dir deine Chefin zu viel aufgetragen hat, viel leichter fällt, wenn dir jemand dabei hilft. Und auch die Traurigkeit über dein Beziehungs-Aus lässt sich einfacher ertragen, wenn deine Freundin dich dabei in den Arm nimmt. Hilfe annehmen spart Kraft und Zeit!

Außerdem liefert es Chancen über sich selbst hinaus zu wachsen. Denn machst du immer alles nur allein, wirst du Fehler weniger bemerken und wenig Feedback bekommen. Gemeinsam lassen sich unterschiedliche Herangehensweisen erarbeiten und Lösungen für Probleme finden. Dafür Bedarf es einfach ein bisschen Mut und Eingeständnis.

So bittest du um Hilfe

Ja, die Liste der Vorteile nach Hilfe zu fragen ist lang. Deswegen ist der Akt an sich aber noch lange nicht einfach. Zu sehr sind die Ängste und negativen Gefühle in den Köpfen verankert. Gut, dass wir ein paar Tipps haben, damit dir dies in Zukunft besser gelingt!

1. Klar kommunizieren

Frau nimmt Hilfe an
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Am besten kann Hilfe gegeben werden, wenn ganz klar ist, wo und wie sie benötigt wird. Kommunikation ist der Schlüssel.

Wenn du bemerkst, dass du einer Situation oder Aufgabe nicht gewachsen bist und dich dazu entscheidest, um Hilfe zu bitten, dann überlege dir vorher genau, wie du das tust. Anstatt grundsätzlich davon auszugehen, dass dir Menschen helfen sollten und regelrecht nach Unterstützung zu verlangen, solltest du höflich nach ihr fragen und auch kommunizieren, dass du sie erstens: wirklich benötigst und zweitens: ein „Nein“ als Antwort legitim ist. Dies ist wichtig, um Ablehnung vorzubeugen.

Deine Mitmenschen werden dir viel eher unter die Arme greifen, wenn sie merken, dass du ihre Hilfe wertschätzt und du es ohne sie nicht schaffst. Das bestätigt auch die Studie des Max-Planck-Instituts. Die Kleinkinder, deren Hilfsbereitschaft in einem Experiment getestet wurde, kamen eher zur Hilfe geeilt, wenn sie erkennen konnten, dass bereits Energie in die Lösungsfindung gesteckt wurde und die hilfsbedürftige Person allein nicht weiterkommt.

2. Die richtigen Fragen

Bei Schwierigkeiten in deinem Studienfach solltest du nicht unbedingt deine Oma um Hilfe bitten, bei einem handwerklichen Problem nicht unbedingt deinen 7-jährigen Neffen – das liegt auf der Hand. Du wirst viel eher Hilfe bekommen, wenn du dich an die Personen wendest, die Expert:innen auf dem Gebiet sind, auf dem du die Hilfe benötigst. Außerdem vermeidest du Ablehnung, indem du genau erklärst, weshalb du dich an sie – und nicht an jemand anderen – wendest.

Dabei kannst du ruhig ein bisschen charmant werden. Wenn du zu deiner Freundin sagst: „Dein Geburtstagskuchen hat sooo lecker geschmeckt, hättest du Lust mir bei meinem zu helfen?“, verpackst du in deine Fragestellung direkt eine Bestätigung ihrer Fähigkeiten, auf die du gerade angewiesen bist. Das wird ihr das Gefühl geben, dass ihr Können von besonderem Wert ist und sie positiv stimmen. Und diese Positivität ist oft ausschlaggebend! Schließlich greifst du doch auch lieber jemandem unter die Arme, wenn du glaubst, dass du tatsächlich etwas beisteuern kannst und das auch noch geschätzt wird, oder?

3. Dankbar sein

Thank You
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Wer Dankbarkeit zeigt, dem hilft man gerne wieder.

Sich für die gegebene Hilfe zu bedanken, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Doch auch hier kommt es auf das „wie“ an. Mit einem simplen „Danke“ ist es meist nicht getan. Du möchtest schließlich, dass dir das um Hilfe bitten nächstes Mal leichter fällt und das gelingt nur, wenn andere dir gerne helfen.

Frage vorab, ob du etwas im Gegenzug leisten kannst oder halte die Person, die dir hilft, auf dem Laufenden, was die Entwicklung deines Problems betrifft. Das zeigt, dass dir die Beziehung zu ihr allgemein wichtig ist und nicht mit der Hilfestellung beginnt und endet. Auch hier geht es einfach um Wertschätzung! Denn aus einer Studie der American Psychological Association geht klar hervor, dass Menschen, denen Wertschätzung entgegengebracht wird, viel mehr Hilfsbereitschaft an den Tag legen und auch von sich aus – ohne Aufforderung – gerne anderen unter die Arme greifen.

Es ist also klar! Um Hilfe bitten bringt dich im Leben weiter und näher an die Menschen, die dir wichtig sind. Und auch, wenn es etwas Mut und Überwindung Bedarf lohnt es sich zuzugeben, dass man eben nicht alles allein schaffen kann. Und ganz ehrlich? Wer kann das schon?

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Soul Sister 2 / 2023

Erscheinungsdatum 19.09.2023