Mit 24 Jahren bekam Morsal die Diagnose Brustkrebs von ihrem Arzt. Die gebürtige Hamburgerin ging daraufhin ins Fitnessstudio – in der Hoffnung, beim Sport ihre Krankheit zumindest für ein paar Stunden ausblenden zu können. Der Sport hat jede Menge Energie und Farbe in ihr Leben gebracht. Heute ist sie fast täglich im Gym – und lässt sich vom Krebs nicht unterkriegen.
Sportsfreunde 2018: Morsal im Interview
Women's Health: Bevor wir mit den Fragen starten – deine bunten Socken sind großartig!
Morsal: Danke sehr. ich ziehe immer gerne farbenfrohe Socken an. Sie spiegeln meine Energie und Freude wider. Und mit ihnen an den Füßen startet jeder Tag direkt mit einem Lächeln.
Mit den Socken an den Füßen, wie sieht dein Tag aus?
Ich bin seit 3,5 Jahren Flugbegleiterin, Fliegen ist seit meiner Kindheit der große Traum gewesen, den ich so zum Beruf machen konnte. Zu Hause bereichert mein 5-jähriger Golden Retriever mein Leben und lässt keine Langeweile aufkommen. Außerdem lese und koche ich gerne und viel. Und natürlich ist mir die Zeit mit meinen Freunden sehr wichtig.
Was waren deine ersten sportlichen Erlebnisse?

Mit 6 ging es bei mir mit Ballett los, bis ich mit 18 aus beruflichen Gründen aufgehört habe. Ansonsten habe ich in meiner Jugend keinen Sport getrieben, da ich immer schlank war und das Thema Sport bei mir nicht so präsent war wie jetzt.
Dafür sind Bewegung und Sport heute ganz groß bei dir!
Auf jeden Fall. 2011 habe ich nach meiner ersten Krebsdiagnose auch zum ersten Mal ins Fitnessstudio geschnuppert, ich wollte – ich brauchte – einen Ausgleich, eine Ablenkung. Jetzt sind pro Woche 3 Krafttraining- und 3 oder 4 HIIT-Einheiten angesagt. 2016 habe ich Boxen für mich entdeckt, durch die vielen OPs in den letzten Jahren konnte ich das aber nicht regelmäßig machen.
Durch Bewegung bin ich einfach viel entspannter, starte den Tag gelassener. Der Endorphinschub durchs Training macht dich einfach immun gegen Ärger. Und auch der Job ist dadurch einfacher. Vor einem Langstreckenflug entspanne ich mit Yoga oder Pilates, so kann ich auch bei 16 Stunden im Flieger ruhig und gelassen bleiben.
Was hat dich denn bei den ersten Besuchen im Gym fasziniert?
Ich kann einfach meine Kopfhörer aufsetzen, mich auf meinen Körper fokussieren und ganz in meine Welt eintauchen. Das ist mittlerweile einfach Routine bei mir. Am liebsten morgens für 2 Stunden, aber wenn es zeitlich nicht anders geht, findest du mich spätestens am Abend im Gym.
Wie hat sich diese Faszination bis heute weiterentwickelt?
Sie ist auf jeden Fall gewachsen und tut es immer noch. Bewegung und Sport sind nicht einfach nur ein Lifestyle, sie verbinden Menschen miteinander, sie können heilend wirken und sie geben dir die Möglichkeit, das Beste aus dir herauszuholen. Das Tollste daran ist, dass man kein Profi sein muss, um anzufangen. Denn jeder entwickelt seine eigene Richtung, wohin der eigene Sport führen soll.
Wie hat dein Umfeld auf deinen plötzlichen Sportboom reagiert?

Natürlich haben nicht alle meine Freunde so ein großes Sportpensum wie ich, aber das ist ja kein Problem. Ich habe außerdem so viele tolle neue Menschen durch den Sport kennengelernt, die meine Leidenschaft teilen; wir tauschen uns aus, motivieren und inspirieren uns gegenseitig und machen schlechte Tage direkt ein Stückchen besser.
Dein Schlüsselereignis, das dich zum Sport gebracht hat, war deine Krebsdiagnose. Wie bist du damit im ersten Moment umgegangen?
Die Erinnerung brennt sich einfach in dein Gedächtnis. Im Mai 2011 habe ich einen Knoten in meiner Brust entdeckt. Vor lauter Arbeitsstress habe ich es aber aufgeschoben, zum Arzt zu gehen, bis ich immer dünner wurde. Und dann kam die Diagnose: Mammakarzinom in der linken Brust.
Am Anfang habe ich vieles in mich hineingefressen und einfach nur für den Alltag funktioniert. Du willst natürlich weiterleben, aber das kann einen Kampf ohne Enddatum bedeuten. Du weißt nicht, wann du diesen Feind los wirst – und diese Ungewissheit belastet natürlich extrem.
Durch den Sport hast du es geschafft, Mut und Kraft zu schöpfen?
Ja! Nach der Diagnose musste ich einen Weg finden, mich selbst wieder glücklich zu machen, meine Krankheit zu vergessen, abzuschalten und mir Kraft zu geben. Und das war der Sport. Die Bewegung hat wieder Farbe ins Leben gebracht – denn für mich hat jede meiner Sportarten eine ganz eigene Farbe. Das Boxen ist rot, weil ich voll fokussiert und stark wie ein Löwe sein muss; das Laufen an der frischen Luft ist blau, ich fühle mich frei und spüre die Natur um mich herum, kann sie einatmen; und Krafttraining ist grün, wie Hulk oder Popeyes Spinat. Für viele hört sich das vielleicht komisch an, aber so definiere ich die Dinge. Sport ist ein "Ja" zu dir selbst, du kannst dich verändern, dein Leben neu gestalten.
Mit den "Sportfarben" sind wir auch wieder bei deinen bunten Socken. Ist das ein Teil deiner Lebenseinstellung?

Unbedingt. Ich lebe viel intensiver und bewusster, habe bei vielen Dingen eine andere Sichtweise als früher. Dinge, die mich früher aufgeregt haben, sind es heute nicht mal mehr wert, darüber nachzudenken. Ich habe mich selbst neu kennengelernt und bin zu einem ganz anderen Menschen geworden – und bin sehr stolz darauf.
Außerdem habe ich Menschen kennengelernt, die es in meinen Augen viel schlimmer getroffen hat. Sie haben mir so viel Power und Ehrgeiz mitgegeben und gehören heute fest zu meinem Leben. Ich will diese Erfahrung nicht missen, da sie mich zu der gemacht hat, die ich heute bin. Ich schätze das Leben in jeder Sekunde. Was viele als selbstverständlich ansehen, ist für mich ein kostbares Geschenk, nämlich unsere Gesundheit und das Leben!
Du hast seit 2011 insgesamt 4 Brustkrebsdiagnosen erhalten. Bist du heute krebsfrei?
Im Oktober hatte ich meine letzte Operation, alle Behandlungen habe ich auch hinter mir. Ab diesem Zeitpunkt zählt man 5 Jahre, inklusive Kontrollen, danach ist man "clean", sprich krebsfrei. Diese Zeit beginnt jetzt für mich. Das heißt, auf mich aufzupassen und alles langsam anzugehen.