Geduld lernen: So hast du weniger Stress im Alltag

Geduld lernen
So schaffst du es endlich, geduldiger zu sein

Veröffentlicht am 16.04.2024
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Foto: Mark Nazh / Shutterstock.com

Du bist es heute gewohnt, alles sofort oder wenigstens ohne allzu lange Wartezeit zu bekommen. Die neue Staffel der Lieblingsserie, das Buch, das gerade neu erschienen ist, oder die Sneakers, die du via Expressversand geordert hast. Alles ist innerhalb kürzester Zeit heruntergeladen, gestreamt oder bestellt.

Das klingt komfortabel und irgendwie sinnvoll, wenn man bedenkt, dass dir seit jeher suggeriert wird, Zeit sei bares Geld. Warten ist heute ähnlich verpönt wie Faulsein. Leerlauf soll bestenfalls immer gefüllt werden, damit du bloß keine Zeit verplemperst. Dank aktuellster Technik und entsprechender Apps wurden Wartezeiten quasi abgeschafft. Egal, ob in der Bahn, im Wartezimmer oder während der Autofahrt – du kannst unterwegs Sprachen lernen, Podcasts hören, stundenlang durch Timelines scrollen und dich dem Gefühl hingeben, 24/7 beschäftigt zu sein. Das hat Folgen.

Wartezeiten sind kleine Verschnaufpausen

Was auf den ersten Blick so aussieht, als hättest du Langeweile durch Effizienz ersetzt, ist bei näherem Hinsehen nicht unbedingt von Vorteil. Anders gesagt: In einer Welt, in der es permanent um Ablenkung und Tempo geht, in der du den Livestandort des Paketboten checken und Sprachnachrichten in doppelter Geschwindigkeit abspielen kannst, wundert es nicht, dass du das Warten verlernt hast. Du hast das Gefühl, das Warten sei das Anstrengende. Dabei ist es oft die Fülle der Dinge, mit denen du heute Wartezeiten auszufüllen versuchst, die dich in Wirklichkeit so schlaucht.

Wenn du dich ständig in all den Optionen verzettelst, die du stattdessen wahrnehmen könntest, während du an der Kasse darauf wartest, dass der Vordermann seine Einkäufe endlich verstaut, gerätst du in einen Zustand von Daueranspannung. Dabei sind Wartezeiten im Alltag oft nichts weniger als kleine Verschnaufpausen, nach denen sich die meisten insgeheim eigentlich sehnen.

Wer abwarten kann, hat viele Vorteile im Leben

Kurz gesagt: Geduldig abwarten zu können, ist wichtig und tut Körper und Seele gut. Jedenfalls wenn man den zahlreichen Studienergebnissen Glauben schenkt, die in den letzten Jahrzehnten hierzu veröffentlicht wurden.

Die wohl bekannteste Studie zum Thema ist das sogenannte Marshmallow-Experiment des US-Psychologen Walter Mischel, in dem die allgemeine Fähigkeit zur Selbstkontrolle bei 4-Jährigen untersucht wurde. Man bot den Kindern eine Süßigkeit ihrer Wahl an und überließ ihnen die Entscheidung, den Keks oder Marshmallow entweder sofort zu verspeisen oder einen zweiten zu erhalten, sollten sie es schaffen, eine gewisse Zeit der Versuchung zu widerstehen. Einige Kinder warteten geduldig oder lenkten sich bewusst ab, um nicht schwach zu werden. Andere hingegen verspeisten die Süßigkeit sofort oder schon nach kurzer Zeit. Wirklich interessant wurde das Studienergebnis allerdings erst, als das Forscherteam 13 Jahre später den Lebensweg ebendieser Studienteilnehmenden verfolgte. Das Ergebnis: Diejenigen, die sich schon als Kind gut selbst kontrollieren konnten, waren als Erwachsene zielstrebiger, erfolgreicher in Schule oder Ausbildung, seltener drogenabhängig und sozial kompetenter als die Ungeduldigen. Obendrein konnten sie deutlich besser mit Rückschlägen umgehen.

Ist die Geduld genetisch bedingt oder erlernbar?

Bleibt die Frage, ob die Fähigkeit zur Geduld in den Genen steckt und du der Ungeduld somit mehr oder weniger machtlos ausgeliefert bist. Das Fazit der Wissenschaft: Geduld ist nicht angeboren, sondern abhängig vom sozialen Umfeld und tatsächlich jederzeit erlernbar. Demnach hängt die Bereitschaft, auf etwas zu verzichten zugunsten einer Belohnung in der Zukunft, maßgeblich davon ab, ob du dem positiven Outcome auch wirklich vertraust.

Heißt konkret: Wenn du deiner Chefin glaubst, dass sie dir die versprochene Gehaltserhöhung am Ende des Jahres wirklich gibt, nimmst du bereitwilliger die anfallenden Überstunden in Kauf. Wurdest du in der Vergangenheit jedoch mehrfach enttäuscht, tendierst du eher dazu, das Hier und Jetzt auszukosten. Auch wenn die Bereitschaft, warten zu können, für einige nach einer verstaubten Tugend klingen mag, die allenfalls quengelnden Kindern beigebracht werden sollte – Geduld ist enorm wichtig, gerade dann, wenn du erwachsen bist und dein Leben selbst in der Hand hast.

Geduld ist eine Frage der Gewohnheit

Es geht aber nicht immer nur Belohnungen oder deren Aufschub. Ein Tipp des Autors Fumio Sasaki („Hello, habits“, FinanzBuch Verlag, 20 Euro) für mehr Geduld lautet, den entsprechenden Wahlmöglichkeiten zwischen einem „mehr heute“ und einem „mehr morgen“ nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Vielmehr sei das Etablieren gesunder Routinen der Schlüssel, um auf lange Sicht gesehen mit ungeliebten Gewohnheiten zu brechen.

Mangelnde Geduld muss aber nicht das Resultat eines schwachen Willens sein. Manchmal liegt der Grund für die Ungeduld auch in einem geringen Selbstvertrauen. Gedanken wie „Das schaffe ich ja doch nicht“ führen dazu, dass du vorzeitig das Handtuch wirfst. Und auch der permanente Vergleich mit anderen kann dazu führen, dass du schneller aufgibst. Nach dem Motto „Wenn ich nicht die Beste sein kann, brauche ich gar nicht am Ball zu bleiben“. Schade, denn damit beraubst du dich zahlreicher Möglichkeiten und schürst umso mehr Frust. Deshalb ist die erste und wohl wichtigste Lektion im Geduld lernen: Fange bei dir selbst an.

Was für Strategien für mehr Geduld gibt es?

"Etwas Geduld bitte!" Das sagt sich so leicht. Aber wie geht das konkret? Diese Tipps helfen dir, geduldiger zu warten oder beharrlicher zu bleiben.

1. Den Istzustand annehmen

„Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“, heißt es. Das solltest du dir immer dann ins Gedächtnis rufen, wenn dir der Geduldsfaden zu reißen droht. Ein Stau löst sich nicht schneller auf, wenn du aufs Lenkrad schlägst. Damit schadest du dir am Ende nur selbst, weil du so deinen Stresspegel erhöhst. In solchen Momenten hilft es, den Istzustand zu akzeptieren. Wer es dann noch schafft, dankbar für die unverhoffte Verschnaufpause zu sein, spielt quasi in der Königsklasse der Geduldigen.

2. Ausdauer von Talent unterscheiden

Der japanische Autor Fumio Sasaki rät dazu, positive Gewohnheiten zu etablieren. In seinem Buch „Hello, habits“ beschreibt er außerdem, dass Menschen oft dazu tendieren, die Fähigkeiten anderer als Talent zu bezeichnen, das ihnen glücklicherweise in die Wiege gelegt wurde. Laut Sasaki sei das vermeintliche Talent aber vielmehr das Resultat von Beharrlichkeit. Auch Spitzensportler müssen geduldig trainieren, Rückschläge einstecken und permanent an sich arbeiten, um ihre Leistung abrufen zu können. Wer sich das vor Augen hält, versteht, warum es sich lohnt, Geduld zu beweisen und nicht gleich aufzugeben, wenn es um eigene Ziele und Träume geht.

3. Organisiert vorgehen

Wer in Zeitnot gerät, wird schneller ungeduldig. Und oft liegt das an schlechter Organisation. Wer unstrukturiert seinen Alltag durchlebt, den Kopf voller To-dos und Termine hat, sich aber permanent verzettelt, kommt unweigerlich in die Bredouille. Eine gute Hilfe bieten dann Bullet-Journals – individuelle Organisationssysteme in Buchform, mit deren Hilfe du deinen Alltag wunderbar strukturieren kannst. Das macht den Kopf frei und hilft, die Dinge gelassener und mit mehr Geduld zu nehmen.

4. Realistisch bleiben

So simpel und doch so wichtig: Wenn du dir Ziele steckst und den Weg dorthin nicht mit einer gesunden Portion Realismus pflasterst, ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Eine neue Sprache lernen oder die Beförderung absahnen – all das geht nicht von jetzt auf gleich, es braucht Zeit. Wer immer bloß Abkürzungen nehmen möchte, die möglichst bequem und unkompliziert sind, verkennt etwas Entscheidendes: Große Ziele beziehen ihren Wert unter anderem durch die Tatsache, dass sie Geduld und Beharrlichkeit erfordern. Wären sie im Schnelldurchlauf zu erreichen, würden sie kaum diese Anziehungskraft ausüben und wären auch nicht so wertvoll.

Geduld zu lernen ist nicht schwer, aber es erfordert etwas – Geduld. Je mehr du Verzögerungen und Wartezeiten als Momente der Ruhe und der Entspannung wahrnimmst, desto angenehmer wird dein Leben.