Nichts fiebern wir so entgegen wie einem wohlverdienten Urlaub. Jedoch zeigt sich, dass Reisen immer mehr zu einer zwiespältigen Angelegenheit wird: Zum einen gibt es für uns Menschen nichts Erholsameres als ein paar Tage dem Alltagsstress zu entfliehen und abzuschalten. Zum anderen wird genau dieser Massentourismus für unseren Planeten zur Belastung.
Man könnte sagen: Der Planet braucht also mal Urlaub von uns bzw. von unserer Art zu reisen. Das Schöne? Immer mehr Menschen machen sich Gedanken um ihren ökologischen Fußabdruck und finden Wege, ohne schlechtes Gewissen neue Orte zu entdecken. Wie das am besten gelingt? Das zeigen wir dir hier.
Die besten Tipps fürs klimaneutrale Reisen findest du in unserer Bildergalerie. Hier im Text findest du noch ein paar Gedanken, Fakten und Ideen zum nachhaltigen Reisen.
Wie kann ich klimaneutral reisen?
Die grünste aller Reisen führt nicht in die Ferne, keine 10.000 Kilometer weit weg. Sie dauert keine 3 bis 6 Wochen und braucht kein Flugzeug. Die grünste aller Reisen beginnt im eigenen Land. Die nächste Nähe als größte Weite zu erleben, kann so spannend wie unterhaltsam, befreiend oder auch erhellend sein.
Denn ganz ehrlich: Wie oft hast du schon Urlaub in Deutschland gemacht, wenn du die Möglichkeit hattest, ein anderes Land zu entdecken? Wie wäre es also, dem vermeintlich Bekannten anders zu begegnen und sich auf eine Reise im eigenen Land einzulassen?
Die Frage: "Was ist Reisen?", hat der französische Schriftsteller und Nobelpreisträger Anatole France (1844–1924) bereits zu Zeiten gestellt, als von Pauschalurlauben und All Inclusive noch keine Rede war: "Ein Ortswechsel? Keineswegs! Beim Reisen wechselt man seine Meinungen und Vorurteile."
Warum ist es so wichtig, klimaneutral zu reisen?
Reisen, das geht in Erfurt so gut wie in Australien. Denn weite Reisen tragen dazu bei, die Welt an ihre Belastungsgrenze und über diese hinauszuführen. Der deutsche Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger brachte das schon 1958 in einem Essay auf den Punkt: "Der Tourismus zerstört das, was er sucht, indem er es findet." Das gilt heute mehr als noch gegen Ende der 1950er, als man jährlich um die 30 Millionen Reiseankünfte weltweit verzeichnete. 2019 waren es um die 1,5 Milliarden. Seit der COVID-19-Pandemie wurde zwar 2020 ein Rückgang der internationalen Touristenankünfte im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet, jedoch sind diese seit 2021 wieder gestiegen.
Der Massentourismus sei zu einer der "wichtigsten Industrien des Jahrhunderts" geworden, schreibt auch der italienische Autor Marco d’Eramo, der sich in seinem Buch "Die Welt im Selfie" (2018) dem Thema widmet. Untertitel des Werkes: "Eine Besichtigung des touristischen Zeitalters." In Deutschland erbringt die Reisebranche pro Jahr eine Bruttowertschöpfung, die der tourismuspolitische Bericht der Bundesregierung auf knapp 100 Milliarden Euro beziffert. Laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen entstehen aber auch etwa 5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen direkt durch den Tourismus – das sind Jahr für Jahr mehr als eine Milliarde Tonnen. Davon entfallen 40 Prozent auf Flugreisen und 32 Prozent auf den Autoverkehr, 21 Prozent auf die Unterkünfte und 3 Prozent auf die Reisen mit Bus und Bahn.
Wie belastet das Reisen das Klima und die Umwelt?
Die Entfernung zum Reiseziel und die Wahl des Verkehrsmittels haben enormen Einfluss. Ein Flug von Deutschland auf die Kanaren und zurück hat einen Ausstoß von ungefähr 1800 Kilogramm CO2 zum Resultat. Pro Person, wohlgemerkt. Ein vollbesetzter Mittelklassewagen könnte einmal um die ganze Welt fahren, ohne dabei mehr Kohlendioxid auszustoßen.
Hinzu kommen weitere Effekte des Verkehrs auf Umwelt und Klima. Geht man wie der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) davon aus, dass diese etwa 2- bis 5-mal höher liegen als die alleinige Wirkung des ausgestoßenen CO2, wird deutlich, dass Massentourismus für die Gesundheit des Planeten ein verheerender Virus ist.
Jedoch sind die Belastungen auf unseren Planeten vielfältig und beschränken sich nicht nur alleine auf den Ausstoß von Treibhausgasen. Auch die Abholzung, Bausünden, Verkehrs-Overkill, Berge von Müll – ob an Land oder im Ozean, Ausbeutung von Arbeitskräften, Verzerrung sozialer und ökonomischer Gefüge sowie nicht zuletzt die Zerstörung von Kulturgütern gehören dazu. Der internationale Tourismus spielt eine wichtige Rolle in unserer heutigen Gesellschaft, denn er beeinflusst beinahe alle Bereiche der Umwelt. Angesichts dessen ist es umso wichtiger, dass jeder einzelne darauf achtet, seinen ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten.
Wie verändert der Klimaschutz das Reisen?
Die Reisebranche steht am Scheideweg. Zwar müssen wir unsere Reisegewohnheiten nicht auf Spaziergänge um den Block reduzieren, allerdings müssen wir uns bemühen, anders zu reisen. Sich als Weltbürger:innen zu verstehen heißt eben nicht, dass uns die ganze Welt gehört und sich alle wie und wo auch immer bedienen können. Es bedeutet, dass wir eine Verantwortung für diese Welt haben und uns in ihr so bewegen, dass unser Vergnügen nicht notwendig Schaden für andere mit sich bringt.
Auch als ein Kriterium für Urlaubsqualität gewinnt Nachhaltigkeit mehr und mehr an Bedeutung, es wiegt oft schon schwerer als Urlaubsbräune oder ausufernde Badelandschaften. So gaben in der Umfrage einer Buchungsplattform etwa 81 Prozent der Reisewilligen an, sie würden im nächsten Jahr in einer nachhaltigen Unterkunft Urlaub machen wollen. Fast die Hälfte bemängelte allerdings, es gebe nicht genügend nachhaltige Angebote.
Immerhin: Google hat festgestellt, dass sich die Anzahl der Suchen nach Öko-Hotels innerhalb des vergangenen Jahres verdoppelt habe. Deswegen führte die Suchmaschine ein Informations- und Kennzeichnungssystem ein, das es den Nutzern leichter machen soll, die Umwelteinflüsse ihrer Reisen zu kontrollieren. Flüge werden nach ihren CO2-Emissionen eingestuft, und Unterkünfte, die von einer unabhängigen Organisation zertifiziert wurden, werden neben einem entsprechenden Icon auch mit einer Liste versehen, die genau aufführt, wie sehr sich eine Unterkunft um Nachhaltigkeit und Umwelt verdient macht. "Wir sehen deutlich, dass das Interesse an Nachhaltigkeit steigt", sagt Andrea Nicholas von der Zertifizierungsinstitution Green Tourism in Edinburgh, und:"Es entwickelt sich zu einem Must-have.“
Darf man wegen des Klimas jetzt bald gar nicht mehr reisen?
Sich um die Nachhaltigkeit Gedanken zu machen, heiße nicht, dass man auf seinen Urlaub komplett verzichten müsse, erklärt Justin Francis, Geschäftsführer von Responsible Travel, einem nachhaltigen britischen Reiseunternehmen. Aber was heißt es dann? Kurz und knapp ließe es sich etwa mit dem großen deutschen Schriftsteller Theodor Fontane auf den Punkt bringen: "Wer reisen will, muss zunächst Liebe zu Land und Leuten mitbringen."
Etwas weniger romantisierend ließe sich der nachhaltige, grüne Tourismus beschreiben als ein Sammelbegriff für mehr Verantwortungsbewusstsein unterwegs, für eine Art zu reisen, die nicht nur auf unsere Erholung bedacht ist und die nicht nur unser Wohl fördert, sondern auch das anderer und das der Umwelt.
Anders ausgedrückt geht es darum, die negativen Folgen des Reisens zu minimieren, seien sie ökonomischer, ökologischer, kultureller oder sozialer Art. Das klingt dramatischer, als es ist, führt aber im besten Fall dazu, dass eine verantwortungsbewusste Reise einen Beitrag leistet, um natürliches, soziales und kulturelles Erbe zu bewahren und somit zu mehr Vielseitigkeit beizutragen. Was auch für uns Reisende eine bereichernde Erfahrung ist, weil es uns zu einem besseren Verständnis der Verhältnisse vor Ort und einer tieferen Verbindung mit diesen verhilft.
Was kannst du tun, um klimafreundlicher zu reisen?
Du möchtest dieses Jahr vermehrt auf deinen ökologischen Fußabdruck achten und versuchen, so nachhaltig, fair und grün zu reisen wie möglich? Wir haben ein paar Tipps, die sich im Urlaub umsetzen lassen.
- Wenn sich ein Flug nicht vermeiden lässt, wähle eine Airline mit möglichst neuen Maschinen und versuche die CO2-Emissionen deines Trips zu kompensieren (dazu findest du online verschiedene Organisationen).
- Versuche, eine kleine Unterkunft zu beziehen, beispielsweise ein Gästezimmer, eine Ferienwohnung, ein B&B oder ein Tiny House. Wenn es doch ein Hotel sein soll, dann eines von unabhängiger Seite entsprechend zertifiziertes.
- Wenn möglich, All Inclusive-Resorts vermeiden. Dort spielt der Umgang mit Ressourcen oftmals wenig eine Rolle.
- Nimm bei deinem nächsten Trip eine eigene Wasserflasche mit, statt immer wieder Wegwerfflaschen aus Plastik zu kaufen. Klingt banal? Mag schon sein. Doch sind an die 34.000 Plastikflaschen, die pro Minute im Mittelmeer landen, auch nur eine Kleinigkeit?
- Bemühe dich, individuell auf Entdeckungstouren zu gehen, statt in der geführten Reisegruppe Klischee-Erlebnisse zu konsumieren.
- Versorge dich unterwegs bei lokalen Anbietern, kaufe frische Ware auf einem Markt und gehe abends dort essen, wo es auch die Einheimischen hinzieht.
- Informiere dich schon im Vorfeld über Gepflogenheiten und Sitten im Gastland oder in der Region, die du bereist, denn das hilft dir, wie ein guter Gast rücksichtsvoll aufzutreten.
Was bringt die Zukunft?
Nachhaltiger Tourismus schließt also umweltverträgliches Reisen ein, ist als Begriff aber viel weiter zu fassen. Und so gelangt man zu den Fragen, die ganz am Anfang allen Reisens stehen: Warum verreisen wir überhaupt? Was versprechen wir uns vom Anderswo? Treiben uns Neugier und Fernweh in die Fremde? Soll es, wohin wir reisen, überhaupt fremd sein? Und ist es nicht der Reiz einer jeden Reise, sich selbst im Anderen anders zu erleben und vielleicht gar als ein Anderer zurückzukommen?
Manchen ist das alles zu viel. Sie wollen in der Hauptsache einen Tapetenwechsel, eine Flucht aus dem Alltag. Gutes Wetter, Selfies, Urlaubsbräune. Tagsüber Pool und abends deutsches Bier. Aber den Horizont erweitern? Lieber zusehen, wie die Sonne am selbigen im Meer versinkt. Es bringt überhaupt nichts, dem Wunsch nach Erholung mit einer genussfeindlich moralisierenden Einstellung zu begegnen. Aber wenn wir alle uns über unseren Urlaub mehr Gedanken machen, steigen die Chancen erheblich, mit unseren Reisen nicht die größtmögliche Öko-Sünde zu begehen, sondern ein Tickchen mehr zur umwelt- und sozialgerechten Gestaltung von Tourismus beizutragen. Schönen Urlaub – für uns alle!
Du willst Fernweh und Fairness ab sofort besser miteinander vereinbaren? Die besten Tipps für grünes Reisen findest du oben in der Galerie. Also, klick dich durch und viel Spaß beim fair-reisen.