Der Einstieg in die Welt der Hautpflege ist für viele zunächst pure Begeisterung – endlich all die vielversprechenden Seren, Cremes und Peelings ausprobieren, die einen glatten, geschmeidigen und ebenmäßigen Teint versprechen. Doch Dermatologinnen warnen: Weniger ist oft mehr.
"Viele glauben, dass mehr Produkte automatisch bessere Ergebnisse bringen", erklärt Dr. Aegean Chan, Fachärztin für Dermatologie, Dermatopathologie und medizinische Direktorin der California Dermatology Group. "Aber zu viele starke Wirkstoffe gleichzeitig zu verwenden, kann schnell nach hinten losgehen." Das Resultat sind häufig Rötungen, Trockenheit oder Reizungen. "Wenn die Haut überfordert ist, reagiert sie gestresst – und das verhindert gute Resultate", so Chan.
Das bedeutet jedoch nicht, dass beliebte Produkte wie Retinol-Augencremes oder chemische Peelings aus dem Badezimmerschrank verschwinden müssen. Entscheidend ist, sie gezielt und mit Bedacht in die Pflegeroutine zu integrieren, um Überreaktionen zu vermeiden. Expertinnen erklären hier, welche Inhaltsstoffe sich nicht miteinander vertragen, welche Risiken entstehen können – und wie sich Pflegeprodukte sicher kombinieren lassen.
Warum du Retinol und Alpha-Hydroxysäuren nicht zusammen verwenden solltest
Retinol gehört zur Gruppe der Retinoide, also Vitamin-A-Derivate, die bei Akne, Hautalterung und Unreinheiten helfen. Es regt die Zellerneuerung an und stimuliert Fibroblasten – jene Zellen, die für die Kollagenproduktion verantwortlich sind. Das Ergebnis: eine straffere, glattere Haut. Doch die Anwendung hat auch Tücken. Retinol kann die Hautbarriere schwächen – die natürliche Schutzmauer der Haut. "Man kann sie sich wie eine Ziegelwand vorstellen", erklärt Dr. Chan. "Die Hautzellen sind die Ziegel, die Lipide der Mörtel." Wird die Zellerneuerung durch Retinol beschleunigt, geraten diese Strukturen aus dem Gleichgewicht: Die Haut verliert Feuchtigkeit, Reizstoffe dringen leichter ein – Trockenheit, Brennen und Schuppung können die Folge sein.
Alpha-Hydroxysäuren (AHAs) wie Glykolsäure, Milchsäure oder Mandelsäure wirken wiederum, indem sie den "Mörtel" zwischen den Hautzellen auflösen. So fördern sie ein sanftes Peeling und hinterlassen einen glatten, frischen Teint. Doch auch hier gilt: In zu hohen Konzentrationen – besonders über 10 Prozent – können AHAs die Hautbarriere beschädigen.
"Sowohl Retinol als auch AHAs beeinflussen die Hautschutzbarriere negativ", betont Dr. Chan. Und obwohl beide Wirkstoffe starke Vorteile bieten, "kann ihre gleichzeitige Anwendung mehr schaden als nützen", ergänzt Dr. Joshua Zeichner, Associate Professor für Dermatologie am Mount Sinai Hospital in New York. Vor allem Glykolsäure gilt als besonders intensiv, da sie aufgrund ihrer feinen Molekülstruktur tiefer in die Haut eindringt. "Das macht sie wirksam, aber auch reizanfälliger als andere AHAs", warnt Zeichner.
So machst du es besser
Wer also das Beste aus beiden Welten möchte, sollte die Wirkstoffe zeitlich getrennt einsetzen – etwa an unterschiedlichen Tagen oder zu unterschiedlichen Tageszeiten. So profitiert die Haut von beiden Wirkstoffen, ohne überfordert zu werden.
Grundsätzlich gilt: Neue Wirkstoffe sollten immer einzeln eingeführt werden. Wer zum ersten Mal mit aktiven Inhaltsstoffen wie Alpha-Hydroxysäuren oder Retinol arbeitet, startet am besten mit Retinol. "Retinoide sind wohl die wirksamsten Wirkstoffe bei einer Vielzahl von Hautproblemen sind", erklärt Dr. Chan. Wichtig ist, Retinol abends anzuwenden, da Sonnenlicht seine Wirksamkeit mindern kann.
Doch Vorsicht: Nicht gleich täglich loslegen. Dr. Chan empfiehlt, anfangs nur zwei- bis dreimal pro Woche zu starten und die Haut genau zu beobachten. Verträgt sie das Produkt gut, kann die Anwendung schrittweise auf jeden Abend gesteigert werden.
Gerade bei Einsteigerinnen kann es in den ersten 6 bis 8 Wochen zu einer sogenannten Retinol-Purge kommen – einer vorübergehenden Hautreaktion mit Rötungen, Trockenheit oder kleinen Unreinheiten. Das ist normal und ein Zeichen dafür, dass die Haut sich anpasst. Wer diese Phase hinter sich hat, kann anschließend behutsam einen AHA-Wirkstoff in die Routine integrieren.
Dr. Chan empfiehlt, Retinol und AHA an unterschiedlichen Tagen zu verwenden – etwa 4 bis 5 Nächte pro Woche Retinol und an den übrigen Tagen eine milde AHA-Behandlung. Wichtig: Bei ersten Anzeichen von Reizungen wie Spannungsgefühl, Rötung, Schuppung oder Trockenheit sollte die Anwendung pausiert werden, bis sich die Haut beruhigt hat. Danach kann die Routine langsam wieder aufgebaut werden.
Warum Retinol und Vitamin C sich nicht vertragen
Retinol kennen wir nun – aber was passiert, wenn man es mit Vitamin C kombiniert, einem der beliebtesten Antioxidanzien in der Hautpflege? Vitamin C gleicht den Hautton aus, unterstützt die Kollagenbildung und schützt vor freien Radikalen. Klingt nach einem Dream-Team, oder? Leider nicht ganz.
Vitamin C – insbesondere in Form von L-Ascorbinsäure – ist hochwirksam, aber auch instabil. Damit es seine antioxidative Wirkung entfalten kann, wird es mit einem sehr niedrigen pH-Wert formuliert. Das Problem: Dieser saure pH-Wert kann die Haut reizen und ihre natürliche Schutzbarriere schwächen, besonders bei empfindlicher oder zu Entzündungen neigender Haut wie Rosazea oder Ekzemen.
Kombiniert man hochkonzentriertes Vitamin C (über 20 Prozent) mit Retinol, ist die Wahrscheinlichkeit für Reizungen, Brennen und Rötungen groß.
So machst du es besser
Die gute Nachricht: Du musst dich nicht zwischen beiden entscheiden. Die Lösung liegt im Timing. Vitamin C wirkt am besten morgens, da es als Antioxidans die Haut tagsüber vor UV-Strahlung, Umweltverschmutzung und freien Radikalen schützt – natürlich in Kombination mit Sonnencreme.
Retinol hingegen sollte ausschließlich abends angewendet werden, da es durch Licht abgebaut werden kann. Morgens Vitamin C, abends Retinol – so profitierst du von beiden Inhaltsstoffen, ohne deine Haut zu überlasten.
Außerdem rät Dr. Joshua Zeichner, Vitamin C nicht mit weiteren aktiven Wirkstoffen zu kombinieren, da es die Stabilität beeinflussen kann. "Eine gute Hautpflegeroutine sollte nicht mehr als zwei Schritte haben – zwei morgens, zwei abends", erklärt er.
Was bei Retinol und Beta-Hydroxysäuren zu beachten ist
Dass Retinol nicht gut mit Alpha-Hydroxysäuren harmoniert, ist bekannt – aber wie sieht es mit Beta-Hydroxysäuren (BHAs) aus, also Wirkstoffen wie Salicylsäure, die ebenfalls häufig in chemischen Peelings verwendet werden? Laut Dermatologin Dr. Chan gilt hier dasselbe Prinzip: Vorsicht bei der Kombination.
BHAs gelten zwar im Allgemeinen als sanfter zur Haut als AHAs, doch sie wirken auf andere Weise. Während AHAs die Verbindung zwischen Hautzellen lösen, um abgestorbene Zellen an der Oberfläche zu entfernen, dringen BHAs tiefer in die Poren ein und lösen dort überschüssiges Öl. Das macht sie besonders effektiv bei fettiger oder zu Akne neigender Haut.
In niedriger Konzentration sind BHAs meist gut verträglich – doch in Kombination mit Retinol kann es schnell zu viel werden. "Beide Wirkstoffe beeinflussen die Hautbarriere und erhöhen das Risiko von Reizungen, wenn sie gleichzeitig verwendet werden", erklärt Dr. Chan. Typische Reaktionen sind Trockenheit, Brennen und Rötung.
So machst du es besser
Im Gegensatz zu Alpha-Hydroxysäuren müssen BHAs und Retinol nicht zwingend an getrennten Abenden verwendet werden – entscheidend ist die Form des BHA-Produkts. Dr. Chan empfiehlt abwaschbare Produkte, also Peelings, die nur kurz auf der Haut bleiben. "Lass das Produkt 30 Sekunden bis eine Minute einwirken und wasch es dann ab", rät sie. Dadurch sinkt das Risiko für Irritationen deutlich. Anschließend kann das Retinoid aufgetragen werden.
Zum Abschluss sollte immer eine Feuchtigkeitscreme oder ein hydratisierendes Serum folgen, um die Hautbarriere zu stärken und Reizungen vorzubeugen.
Es kommt immer auf die Art des Wirkstoffs an
"Aktive Inhaltsstoffe sind wirksam, aber sie müssen mit Bedacht eingesetzt werden", sagt Dr. Zeichner. Er unterscheidet zwei Kategorien:
- Aktive Inhaltsstoffe wie Retinol, AHAs, BHAs oder Vitamin C, die gezielt auf Hautprobleme wirken.
- Unterstützende Inhaltsstoffe wie Hyaluronsäure, Ceramide, Glycerin oder Squalan, die Feuchtigkeit spenden, die Hautbarriere stärken und sie widerstandsfähiger machen.
FAQ: Hautpflege-Kombinationen richtig anwenden
Ja, aber mit Vorsicht. Retinol macht die Haut empfindlicher gegenüber UV-Strahlung. Deshalb ist tagsüber ein Breitband-Sonnenschutz mit mindestens LSF 30 Pflicht. Trage Retinol nur abends auf und meide direkte Sonne, wann immer möglich.
Typische Anzeichen sind Spannungsgefühl, Brennen, Trockenheit, kleine Hautschüppchen oder verstärkte Rötungen. Diese Symptome zeigen, dass die Hautbarriere überlastet ist. In diesem Fall die aktiven Wirkstoffe pausieren und auf beruhigende, feuchtigkeitsspendende Produkte setzen.
Feuchtigkeitsspender wie Hyaluronsäure, Ceramide, Glycerin oder Squalan können mit fast allen Wirkstoffen kombiniert werden. Sie stärken die Hautbarriere, gleichen Reizungen aus und machen aktive Pflegeprodukte besser verträglich.





