Sophia Thiel
Sophia Thiel im Interview – der wahre Grund ihrer Auszeit

Ihre 1,3 Mio. Follower haben sie sehnlichst vermisst – wir auch! Mit uns sprach Sophia offen und ehrlich über ihre Essstörung und ihr neues Buch
Sophia Thiel ist zurück
Foto: Andra

Zwei Jahre lang war Sophia Thiel von der Bildfläche verschwunden, doch jetzt ist sie endlich zurück. Ihr Comeback feiert sie mit ihrem neuen Buch "Come Back Stronger". Darin erzählt sie offen und schonungslos, wie es dazu kam, dass sie unter dem Druck der Öffentlichkeit zusammenbrach, eine schwerwiegende Essstörung entwickelte und andere private Dramen durchlitt.

Vor allem aber geht es in dem Buch um ihre persönliche Reise aus dieser schweren Zeit und darum, wie sie lernte, sich selbst zu akzeptieren, ihre Bulimie zu überwinden und wieder glücklich zu sein. Wir durften den 26-jährigen Instagram-Star im Online-Interview treffen.

Sophia Thiel: Come back stronger
Dan Carabas
Sophia Thiels Buch über den langen Weg zu ihrem neuen alten Ich, jetzt bei Amazon erhältlich.

Was hat sich während deiner Auszeit verändert und was hast du in dieser Zeit über dich gelernt?

Ich habe gemerkt, dass ich den Draht zu mir selbst verloren hatte in der ganzen Zeit vor der Auszeit. Dass ich nicht mehr genau definieren konnte: Was will ich eigentlich? Was macht mich glücklich? Was brauche ich, um langfristig arbeiten zu können? Auch wenn es manchmal nicht ganz einfach war, dieser ganze Prozess war total nötig, um an dem Punkt zu sein, wo ich heute bin.

In deinem Buch schreibst du ganz offen und ehrlich über deine Essstörung. An welchem Punkt hast du realisiert, dass du eine Essstörung hast?

Die ersten Anzeichen hatte ich bereits 2015 nach meinen ersten Bodybuilding-Wettkämpfen. Damals hatte ich zum allerersten Mal heimliche Essanfälle. Ich war so ausgelaugt. Mein Körperfettanteil war super niedrig, was an meinen Diäten lag, die eigentlich nur aus Eiweiß und Kohlenhydraten bestanden.

Dann hatte ich plötzlich das Bedürfnis Riesenportionen Nüsse zu essen oder pures Öl zu trinken. Das war mein Körper, der sich mit Alarmsignalen meldete, aber ich habe immer versucht diese zu unterdrücken, bis ich nicht mehr standhalten konnte und unkontrolliert alles in mich reinstopfte. Da Nüsse und Öl nicht auf meinem Ernährungsplan standen, habe ich es als Fehler betrachtet, etwas Verbotenes. Je krasser ich in Form war, desto höher war die Rechnung, die ich im Nachhinein bezahlen musste. Das war kein Jojo-Effekt, sondern ein ganz klares Muster, in das ich gefallen bin.

Und was hat dir da heraus geholfen?

In erster Linie war es meine Psychotherapie, die mir half, mit allem aufzuräumen und meine Baustellen anzugehen. Und natürlich die Beziehung zu meinem Freund, weil er bei mir geblieben ist und mir gezeigt hat, dass ich wertvoll und liebenswert bin, so wie ich jetzt bin. Ohne irgendwelche Bedingungen. Ohne in Topform zu sein.

Ich dachte immer, dass ich nur dann etwas verdient hätte, wenn ich Leistung erbringe, mein Selbstwert war sehr stark über Leistung definiert. Parallel zur Therapie habe ich Bücher gelesen. Über Symptome und Muster zu lesen und herauszufinden, dass es genau das Schema ist, dem ich entspreche.... Je mehr ich mich mit diesem Krankheitsbild auseinandersetzte, umso schmerzhafter und traurig war es für mich, aber gleichzeitig auch sehr befreiend. Dann fing ich an, mein Buch zu schreiben. Das half insbesondere dabei, das ganze aus der Vogelperspektive zu betrachten, Dinge zu reflektieren, falsche Entscheidungen zu entdecken und mein Verhalten besser zu verstehen. On top habe ich wieder mit meiner Familie und Freunden Kontakt aufgenommen. Es waren also verschiedene Dinge, die mir gutgetan und die mir da rausgeholfen haben.

Was rätst du Familie und Freunden von Betroffenen einer Essstörung? Wie können sie helfen?

Die Scham von Essgestörten auf der einen Seite und die Hilflosigkeit der Angehörigen und Freunde auf der anderen Seite sind die grundlegenden Probleme. Deshalb ist offene Kommunikation das A und O, dass man wirklich über alles redet, die Betroffenen wissen lässt, dass man für sie oder ihn da ist. Aber wirklich einzugreifen oder zu sagen, was derjenige tun soll in so einer Situation oder das Verhalten negativ zu bewerten, ist eher kontraproduktiv. Die Person kann es nur aus eigener Kraft schaffen. Aber man kann natürlich vorsichtig versuchen, Lösungsvorschläge zu geben. Therapie möchte ich beispielsweise in Zukunft mehr ansprechen, weil es allen helfen kann, sich professionelle Hilfe zu holen.

Wie ernährst du dich heute?

Ich bin unglaublich froh darüber, dass Essen für mich in den Hintergrund gerückt ist. Früher drehten sich mein ganzer Alltag und meine Gedanken nur um die Diät, wie ein selbsterschaffenes Gefängnis aus Ernährungsregimen. Heute schiebe ich keine Panik mehr, wenn wir beispielsweise ins Restaurant gehen, weil ich gelernt habe, dass ich im Restaurant essen kann und es mir nicht wehtut. Oder dass ich einfach in den Urlaub fahren kann, ohne Mealprep für eine Woche oder meine Lebensmittelwaage mitzunehmen.

Das hört sich krass an, aber ich war irgendwann an einem Punkt, wo ich mich total abhängig von diesen Sachen gemacht habe. Jetzt tracke ich schon mal ab und zu pi-mal Daumen, aber es ist nicht mehr so, dass ich Salat oder Gemüse abwiege. Wenn mal mehr in die Schüssel fällt, ist es mir heute wurscht, weil ich einfach nicht mehr so fixiert darauf bin, dass ich 365 Tage im Jahr mit Sixpack rumlaufen muss. Eine Wettkampfform kann man nicht das ganze Leben lang halten. Es ist wirklich nur für diesen Tag X.

Du sagst, du hast dich früher eingeschränkt und gegen deinen Körper gearbeitet. Wie hast du es geschafft, in dich hinein und auf deinen Körper zu hören?

Bei mir war Eisbaden beziehungsweise Kältetherapie das Geheimrezept. Auch kalte Duschen versetzen mich stark in meinen Körper. Anfangs habe ich Angst, dann hyperventiliere ich leicht und dann erst fange ich an, mich zu entspannen. Dabei schüttet mein Körper jede Menge Endorphine aus, wodurch ich mich sehr lebendig fühle.

Ich brauchte schon immer sehr starke Reize, um mich zu entspannen. Früher waren es beispielsweise starke Massagen. Weil es durch die Pandemie und die damit zusammenhängenden Einschränkungen nicht möglich war, dass mich jemand massiert, habe ich im Winter die Kälte für mich entdeckt. Einfach an einen See fahren und mich da reinsetzen. Das bedeutet Ruhe und Zeit für mich.

Wie sieht heute ein typischer Tag von Sophia Thiel aus?

Im Alltag stehe ich normalerweise mit meinem Freund um halb 6 auf, trainiere von 7 bis um 9, dusche, frühstücke. Was dann folgt, ist meistens sehr abwechslungsreich: Manchmal ist es reine Laptoparbeit mit E-Mails beantworten, Recherche usw. Oder eben Tage wie heute mit Produktionen, TV-Shows, Youtube-Videodrehs oder Fototerminen. Also ganz unterschiedlich. Meistens bis ca. 17/18 Uhr und dann ist der Tag auch schon wieder vorbei. Am Wochenende nehme ich mir dann immer ein bisschen Zeit für mich und mache etwas mit meiner Familie oder meinen Freunden – soweit das möglich ist.

Also versuchst du schon, humane Arbeitszeiten einzuhalten?

Genau. Mit Pausen und ohne durchzuarbeiten. Früher bin ich um 6 Uhr aufgestanden, habe 1 Stunde lang für 2 Tage vorgekocht, 1 Stunde Kardio trainiert, 2 Stunden Krafttraining und dann nochmal 1 Stunde Kardio. Und dann hat mein Arbeitstag erst um 12, 13 Uhr angefangen und deswegen habe ich manchmal bis 20, 21 Uhr gearbeitet und bin danach tot ins Bett gefallen. Und am nächsten Tag ging es genauso weiter, egal ob Feiertag oder Wochenende. Das war das, was mich völlig ausgebrannt hat.

Social Media – Fluch oder Segen?

Beides (lacht). Es hängt davon ab, wie man Social Media nutzt, wie man es für sich bewertet. In meiner schlimmsten persönlichen Phase, mit privaten Schicksalsschlägen, der Essstörung und meiner Auszeit war es irgendwie ein Fluch, weil so viele Augen mich beobachtet und beurteilt haben. Das hat das Ganze nur noch schlimmer gemacht, als es sich eh schon angefühlt hat. Aber es ist auch ein Segen, denn es macht mir immer Spaß. Ich lerne so viele verschiedene Leute kennen, arbeite an vielen verschiedenen Projekten und kann mich kreativ entfalten. Das, was mich inspiriert und was ich befürworte, kann ich als positiven Einfluss an andere geben, auch Hilfestellungen. Es hat also auch gute Seiten, es kommt nur drauf an, was man damit anfängt.

Sophia Thiel
Dan Carabas / Sophia Thiel
Nach 2 Jahren Auszeit wirkt Sophia Thiel wieder glücklich und zufrieden.

Während deiner Auszeit musst du ohne Instagram, Youtube und Co. auf einmal sehr viel Zeit gehabt haben. Wie hast du die Zeit anders genutzt?

Am Anfang wusste ich gar nicht, was ich mit der ganzen Zeit anfangen sollte, die ich plötzlich ohne Social Media hatte. Auf einmal war ich alleine mit mir und meinen destruktiven Gedanken. Das schreibe ich auch in meinem Buch. Erstmal hat sich alles verschlimmert, weil ich keine Aufgabe mehr hatte. Ich fühlte mich von der Gesellschaft ausgestoßen, als ob ich kein Teil mehr davon wäre. So brauchbar wie ein benutztes Taschentuch.

Dann habe ich gesehen, was ich alles machen kann und mich gefragt: Was macht mir Spaß? Zuerst bin ich zurück in meine Gymsucht und Essstörung verfallen. Erst später habe ich wieder was mit Freunden unternommen und war mit meinem Freund Rapha reisen, als es noch möglich war. Ich hatte auf einmal wieder Augen dafür, was es sonst noch alles in der Welt gibt. Das war ein totaler Gegensatz zu meiner Bodybuilding-Zeit, in der ich das Leben wie durch einen Strohhalm betrachtete.

Hast du dich vor deinem Comeback auf deine Community gefreut oder hattest du eher Respekt?

Die Freude hat überwogen, weil ich ja froh über meine Entwicklung war. Natürlich hatte ich auch im Hinterkopf: Was ist, wenn die Leute die alte Sophia erwarten? Wenn sie denken, da kommt die durchtrainierte Sophia mit Sixpack? Dann gibt’s ja eine Überraschung! Ich dachte auch, dass mir einige deshalb entfolgen werden. Während meiner Auszeit ist meine Followerschaft von 1,3 auf 1,1 Millionen gesunken. Innerhalb von einer Woche waren die Follower aber wieder zurück und es war schön zu sehen, dass meine Ehrlichkeit und mein "neues altes Ich" so einen Zuspruch bekommen hat.

Kannst du es jetzt besser ausblenden, wenn doch mal Kritik kommt? Geht es dir nicht mehr so nahe?

Früher habe ich mir manchmal helfen lassen, Kommentare zu beantworten, als beispielsweise Facebook- und Youtube-Kommentare sehr negativ wurden. Von Missständen wegzugucken ist aber nie gut, um sie lösen. Heute kann ich Gott sei Dank besser damit umgehen. Alles, was meine Optik oder meinen Körper betrifft, berührt mich nicht mehr wirklich. Ich bin mittlerweile älter, habe meine wahren Werte fernab vom Aussehen für mich herausgefunden, weiß endlich, wer ich bin.

Jetzt mache ich mir eher Sorgen, was Bemerkungen über meine Figur bei meiner ja doch recht jungen Community anstellen könnten. Deshalb möchte ich in Zukunft mehr dagegen angehen und Leute für fiese Kommentare zurechtweisen. Es könnte auf meinen Social Media-Kanälen also eventuell recht holprig werden. Jetzt kann es sein, dass ich auch mal grantig werde. Weil ich eben auch mit jüngeren Followerinnen und Followern schreibe auf Instagram, die mir ihre Leidensgeschichte in Sachen Essstörung erzählen, und das tut mir in der Seele weh. Die Kritik zieht heute zwar an mir vorbei, aber die Leute wissen nicht, was sie damit bei Jüngeren anrichten können.

Was beschäftigt dich aktuell?

Das Buchprojekt ist super aufregend. Ich bin gespannt, wie die Leute drauf reagieren, vor allem meine Community und insbesondere auf die neuen Themen. In Zukunft richte ich meinen Fokus auf mentale Gesundheit, Aufklärung, Psychotherapie. Ich möchte Bewusstsein schaffen und zur Selbstreflexion anregen, auch was den eigenen Umgang mit Social Media anbelangt.

Gibt es noch etwas, das du zu deinem Buch sagen möchtest?

Ich bin wahnsinnig froh über die Veröffentlichung, weil ich über 1 Jahr dran geschrieben habe. Also beziehungsweise ich und eine Autorin, die meine ganzen wirren Gedanken sortiert hat, damit sie Sinn ergeben. Ich quatsche ja immer ein bisschen drunter und drüber, aber letztendlich habe ich jedes einzelne Wort geschrieben und sie hat mir wirklich sehr dabei geholfen, Struktur reinzubringen.

Beim Prozess des Schreibens hatte ich richtige Flashbacks in die negativen Phasen, aber dass es jetzt so kompakt komprimiert in einem Buch ist, ist irgendwie so, als ob ich jetzt alles Vergangene loslassen könnte. Das finde ich richtig schön. Und ich bin gespannt, was in Zukunft auf mich zukommen wird. Es wird auf jeden Fall Projekte geben, die dazu passen. Ich möchte beispielsweise mit anderen Youtubern über mein Buch sprechen, da bin ich auch schon im Austausch mit einigen.

Sophia Thiel ist zurück! Ihr Buch bietet wirklich intime Einblicke in ihre wohl schwierigste Zeit. In schöner Sprache verpackt sie ihre persönliche Geschichte und tritt wieder an, um vielen Menschen zu helfen und sie zu inspirieren.