Schon in der Kindheit entwickelte die New Yorker Autorin Lydia Wang die hartnäckige Angewohnheit, an ihren Haaren zu drehen; meist in Momenten von Stress, Angst oder Langeweile. Sie wollte immer mal wieder damit aufhören, doch die blöde Gewohnheit fühlte sich nie schlimm genug an, um viel Mühe in das Aufhören zu investieren. Auch dass sie dadurch in peinliche Situationen geriet, war nicht Grund genug. Wie damals, als ein Lehrer an der Highschool sie einmal vor all ihren Klassenkameraden nachahmte und bloßstellte.
Doch je älter sie wurde, desto entschlossener war sie, die Angewohnheit abzulegen. Komplett überwunden hat sie das Haarezupfen noch nicht, aber Fortschritte verzeichnet sie schon: "Ich fühle mich in sozialen und beruflichen Situationen selbstbewusster, wenn ich meine Haare in Ruhe lasse", sagt sie. "Ich bin sogar überzeugt, dass ich bei Telefonaten kompetenter klinge, wenn ich meine Haare zurückbinde, obwohl die Person am anderen Ende der Leitung davon nichts mitbekommt." Du hast auch solche "bad habits", die du ablegen willst? Dann solltest du hier weiterlesen.
Woher kommen lästige Angewohnheiten?
"Das Ändern einer Gewohnheit, selbst einer banalen, ist schwierig, weil man oft nicht merkt, dass sie da ist, bis man das Verhalten abgelegt hat", erklärt Dr. Wendy Wood, emeritierte Professorin für Psychologie und Wirtschaft an der University of Southern California und Autorin des Buches "Good Habits, Bad Habits – Gewohnheiten für immer ändern" (Piper Verlag, 18 Euro).
Aber woher kommen diese automatisierten Verhaltensweisen, und warum sind sie im Gehirn so fest verankert? "Schlechte Gewohnheiten, gute Gewohnheiten und sogar extrem einfache Gewohnheiten, wie zum Beispiel einen Schlüssel zum Öffnen einer Tür zu verwenden, entstehen durch denselben Prozess", sagt Dr. Judson Brewer, Direktor für Forschung und Innovation am Mindfulness Center der Brown University School of Public Health. "Der Prozess beinhaltet 3 Schlüsselelemente: einen Auslöser, ein Verhalten und eine Belohnung."
Angenommen, du bist gestresst, du drehst an deinen Haaren oder isst Schokolade. All das lenkt dich ab und fühlt sich besser an als der Stress. Belohnung führt zu Wiederholung und trainiert dein Gehirn, dasselbe wieder zu tun, wenn du dich erneut in einer ähnlichen Situation befindest.
Einige dieser Gewohnheitsschleifen, wie gedankenloses Naschen oder an der Lippe kauen, sind leicht zu identifizieren. Ängstliches Sorgen hingegen kann eine Gewohnheit sein, aber man merkt es vielleicht nicht, bis man das Muster aus Auslöser, Verhalten und Belohnung wahrnimmt. "Im Allgemeinen ist es einfacher zu erkennen, sobald man anfängt, ganz bewusst darauf zu achten", sagt Dr. Brewer.
Wie kann ich aufhören mit einer schlechten Gewohnheit?
Zunächst solltest du dir klarmachen: Das Beenden bestimmter Gewohnheiten bringt etliche Vorteile. Wer zum Beispiel nicht mehr mit den Fingern im Gesicht herumfummelt, bekommt eine gesündere Haut. Der Erfolg, eine tief verwurzelte Gewohnheit durch Achtsamkeit, Neugier und Selbstmitgefühl zu überwinden, kann zudem die psychische Gesundheit stärken: "Viele dieser Gewohnheiten werden durch Sorgen und Ängste hervorgerufen. Sie an ihrer Wurzel zu bekämpfen, kann so auch das psychische Wohlbefinden erheblich verbessern", sagt Brewer.
Und wie geht das konkret? Sobald du eine schlechte Angewohnheit identifiziert hast, finde heraus, was sie auslöst. "Normalerweise entstehen diese Verhaltensweisen durch eine Form von Stress", sagt die Neurowissenschaftlerin Dr. Claudia Aguirre. Versuche daher als Erstes, diese Stressquellen zu entfernen. Manchmal ist der Auslöser aber auch oberflächlicher Natur, einfach, weil er seit Ewigkeiten zu deiner täglichen Routine gehört, zum Beispiel wenn du immer vor dem Einschlafen noch ein wenig durch Instagram scrollst oder automatisch zum Süßigkeitenschrank gehst, sobald du von der Arbeit nach Hause kommst. Machst du dir das bewusst, ist der Anfang schon gemacht. Und wann ist der richtige Zeitpunkt? "Ein Umzug, der Beginn eines neuen Jobs oder eine neue Beziehung sind die besten Gelegenheiten, um Gewohnheiten zu ändern", sagt Dr. Wood.
Wie du neue Gewohnheiten nutzen kannst, um dir alte abzugewöhnen
"Da gewohnheitsmäßige Verhaltensweisen automatische Reaktionen sind, hilft es, eine Barriere zwischen den Auslöser und die Gewohnheit einzufügen", rät Dr. Wood. Liegst du also abends mal wieder im Bett und willst noch ein bisschen Insta durchforsten, logge dich aus der App aus. Diese neue Gewohnheit zwingt dich zukünftig dazu, den zusätzlichen Schritt der Anmeldung zu unternehmen, der dir Bedenkzeit verschafft und dich daran erinnert, dass du diese blöde Angewohnheit ja ablegen wolltest.
Wichtig ist auch, dass du dir eine Ersatzbeschäftigung zulegst, die weniger schädlich als die bisherige ist und eine neue Gewohnheit werden kann. Wenn du nicht ständig zu Süßem greifen willst, sorge dafür, dass du auf dem Weg zu den Naschvorräten an Obst vorbeikommst: Süße Weintrauben oder ein paar Datteln stillen den Jieper auf Zucker ebenfalls. Und wenn du dich das nächste Mal dabei erwischst, wie du an den Nägeln knabberst, halte inne und trage stattdessen einen hübschen Nagellack auf.
Keine Sorge, dir steht keine freudlose Zukunft bevor, denn all diese Sachen müssen kein Dauerzustand werden: "Diese Ersatzgewohnheiten können auch nur vorübergehend sein", sagt Dr. Aguirre. Denn nach einiger Zeit wirst du sie meist gar nicht mehr benötigen. Worauf du aber auch in Zukunft keinesfalls verzichten solltest, ist, den psychologischen Aspekt der Belohnung, sooft es geht, für dich zu nutzen. "Je belohnender etwas ist, desto öfter tun wir es", so Dr. Brewer. "Häufig stellen Menschen fest, dass sie sich konzentrierter und selbstsicherer fühlen, wenn sie ihrer üblichen Gewohnheit widerstehen", so Brewer. Und das ist doch die größte Belohnung, oder?
Sei nicht so streng und gönne dir Pausen
Wenn du bei der Festigung eines neuen Verhaltens mal einen oder 2 Tage aussetzt, ist das noch kein Grund zur Panik: Der Fortschritt bleibt laut einer Studie von Dr. Wood dennoch erhalten. Sei also in erster Linie gnädig mit dir selbst. Selbst wenn du deine Gewohnheit nach 2 Monaten noch nicht komplett losgeworden bist, solltest du nicht das Gefühl haben, versagt zu haben.
Statt dich selbst unter Druck zu setzen, rät Dr. Aguirre dazu, bewusst Mini-Momente wahrzunehmen, in denen du dein Verhalten bemerkst, reflektierst und Achtsamkeit und Selbstfürsorge übst. Denn gut zu sich selbst zu sein, ist der Schlüssel zu Glück und Erfolg. Frag dich in diesen Momenten: "Wie fühlt es sich an, wenn ich nett zu mir selbst bin?" Spoiler: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es sich ziemlich gut anfühlt. Muster zu durchbrechen, kann Zeit in Anspruch nehmen, aber Selbstmitgefühl ist auf jeden Fall eine Gewohnheit, die es wert ist, beibehalten zu werden.
Schlechte Gewohnheiten kannst du ablegen wie alte Klamotten. Das geht am besten, indem du dir bewusst machst, wie schädlich oder lästig sie sind und dir neue, bessere suchst. Mit unseren Tipps bist du schon auf dem richtigen Weg.