Suchtverhalten bei Zigaretten

Suchtverhalten von Raucherinnen
Warum kann ich nicht einfach aufhören?

Veröffentlicht am 13.01.2016
Mit dem Rauchen aufzuhören fällt vielen Frauen nicht leicht
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"Wer das Rauchen wirklich verstanden hat, der kann damit aufhören", sagt der Berliner Psychologe Hans-Joachim Ruhr, "Und zwar dauerhaft". Seit Jahren bietet er Nichtraucherprogramme an – mit Erfolg. Rund die Hälfte derer, die seine Kurse besucht haben, sind heute Nichtraucher:innen. Wir haben ihn gefragt, warum es Rauchern so schwer fällt, das Qualmen einfach sein zu lassen.

Woran erkenne ich eigentlich, dass ich ernsthaft nikotinabhängig und nicht bloß Gelegenheitsraucher bin?
Das erkennt man recht gut daran, wie viel Zeit am Morgen vergeht, bis man die erste Zigarette raucht. Wer gleich nach dem Aufstehen ans Qualmen denkt und es auch tut, ist süchtiger als jemand, der sich erst auf dem Weg zur Arbeit die erste Zigarette ansteckt. Es gibt zudem den sogenannten Fagerström Test für Zigarettenabhängigkeit. Anhand von rund 6 Fragen wird hier der Grad der Abhängigkeit kategorisiert. Inzwischen hat man herausgefunden, dass sich Nikotinsucht sogar mittels Gehirnscan nachweisen lässt. Raucher:innen entwickeln im Laufe der Zeit nämlich sogenannte Nikotin-Rezeptoren. Diese bilden sich allerdings auch wieder zurück, sobald man Nichtraucher:in wird.

Gibt es einen bestimmten Typus Mensch, der raucht?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Jeder kann süchtig werden, schon nach 5 Zigaretten kann sich eine Sucht entwickeln. Positiv ist, dass sich die Zahl der Raucher in den letzten Jahrzehnten stark reduziert hat. In den 50er Jahren haben rund 80 Prozent der Männer geraucht. heute sind es nur noch 30 Prozent. Bedenklich ist allerdings, dass die Frauen langsam aufholen und gleichzeitig die Kurve weiblicher Lungenkrebspatientinnen steigt.

Warum fällt es Raucher:innen so irre schwer, mit dem Rauchen aufzuhören?
Da gibt es zweierlei Gründe. Zum einen die körperliche Abhängigkeit und zum anderen die psychische. Das Nikotin ist für Ersteres verantwortlich, da es schlichtweg süchtig macht. Letzterer Grund ist wesentlich komplexer und schwieriger nachzuvollziehen. Jedenfalls für jemanden, der noch nie geraucht hat. Schließlich verbinden Raucher:innen ganz bestimmte Gewohnheiten mit ihrer Zigarettensucht. Diese Gewohnheiten zu verändern, löst im Raucher regelrecht Verlustängste aus. Für sie ist die Zigarette mit positiven Dingen verknüpft wie Geselligkeit oder Belohnung. Meine Herausforderung ist es, den Menschen klar zu machen, dass diese Haltung absurd ist. Keine Feier ist geselliger, nur weil dort geraucht wird. Und warum sollte ein so unnatürlicher Vorgang wie der, dass man Rauch einatmet, eine Belohnung sein? Raucher:innen sind die einzige Lebewesen, die nicht weglaufen, wenn es Rauch riecht. Das sollte einem zu denken geben.

Apopos Laufen: Wer läuft, setzt Glückshormone frei und lenkt sich vom Nikotin-Jieper ab. Deshalb gehört Laufen zu den erfolgsversprechenden Strategien, wenn man langfristig Nichtraucher:in werden und bleiben will. So geht's:

Aber ist der gesundheitliche Aspekt für Raucher:innen nicht gravierend genug, um sie zu überzeugen, mit dem Rauchen aufzuhören?
Manchmal frage ich die Teilnehmer meiner Seminare, wie viele verschiedene Giftstoffe sie in einer Zigarette vermuten. Die meisten denken an 20 oder maximal 50 Stoffe. Dabei sind es 4.500. Eine solche Information schockt Raucher:innen zwar, aber wenn man ihnen mit dem erhobenen Zeigefinger kommt, blocken sie ganz schnell ab. Man kann Raucher:innen nicht zwingen. Sie müssen schon von allein kommen und den Wunsch mitbringen, Nichtraucher:in zu werden. Man muss Raucher:innen klar machen, was für einen enormen Nutzen sie davon haben, sobald sie Nichtraucher:innen werden. Ein Beispiel: Je früher man mit dem Rauchen aufhört, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dieselbe Lebenserwartung wie ein Nichtraucher zu haben. Auch ein interessanter Vergleich ist, dass ein Raucher genauso gefährlich lebt wie jemand mit 30 Kilo Übergewicht.

Was erzählen Sie den Teilnehmern Ihrer Seminare?
Das Dilemma, in dem ein:e Raucher:in steckt, ist seine bzw. ihre Ambivalenz. Man hat Angst zu Rauchen, weil man die Konsequenzen kennt, man hat aber auch Angst vor dem Aufhören, weil dann die Panik aufsteigt. Ich versuche diese Ambivalenz in ihnen aufzulösen. Dafür muss man sie verstehen und zu dem Schluss kommen 'Ich bin süchtig und entscheide mich komplett dagegen'. Heißt im Klartext: Man entscheidet sich für etwas – das Nichtrauchen. Der Raucher muss akzeptieren, dass er nur durch absolute Abstinenz vom Nikotin loskommt. Dieser Prozess dauert in der Regel einige Stunden, in denen der Raucher regelrecht eine emotionale Achterbahnfahrt erleben kann: Es gibt Höhen und Tiefen und am Ende bleiben die positiven Aspekte übrig – endlich Nichtraucher!

Wer gehört hauptsächlich zu Ihren Teilnehmern:innen?

Durchschnittlich sind das Menschen um die 40, die plötzlich die körperlichen Einbußen des Rauchens spüren. Häufig auch solche, die eine schwerwiegende Diagnose von ihrem Arzt bekommen haben wie beispielsweise COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung oder auch "Raucherlunge" genannt). Diese Patienten sind hochmotiviert. Wer jung und gesund ist und sich topfit fühlt, hält sich in der Regel für unverwundbar und lässt sich nicht oder nur ungern eines Besseren belehren.

Was halten Sie von Trends wie e-Zigarette, Shisha oder Öko-Zigaretten?
Gar nichts. Diese Dinge sind genauso schädlich und mitunter sogar noch gefährlicher als herkömmliche Zigaretten. Sie enthalten Nikotin und machen süchtig. Was die Öko-Verpackungen der Hersteller angeht – das ist eine clevere Marketing-Strategie, um das Gewissen der Konsumenten zu erleichtern. Fakt ist aber, dass Öko-Zigaretten kein bisschen besser sind als normale Zigaretten. Es wäre letztlich genau dasselbe, als würde ich biologisch angebautes Arsen verkaufen.

Rauchen aufhören ist möglich, auch wenn man noch so süchtig ist. Doch man muss es wirklich wollen. Wenn man es nicht alleine schafft, sollte man sich Hilfe holen, bei einem Coach wie Hans-Joachim Ruhr oder zum Beispiel mit Kursen der Bundeszentrale für gesundheitlich Aufklärung (BZfgA). Jeder Versuch, vom Rauchen loszukommen, lohnt sich!