Als Adina sich vor 7 Jahren zum ersten Mal mit Ausmisten beschäftigte, tat sie das noch, ohne den Begriff Minimalismus zu kennen. Heute ist sie Minimalismus-Expertin und verrät, warum weniger Ballast ein Gewinn für die mentale Gesundheit ist.
Kannst du dich noch an dein erstes Mal Aussortieren erinnern?
Mich hat damals das Thema Clean Beauty beschäftigt. Da habe ich mein komplettes Badezimmer ausgeräumt, sämtliche Beautyprodukte auf ihre Inhaltsstoffe untersucht und geschaut: Was davon will ich wirklich auf meine Haut lassen? Danach befasste ich mich mit Zero Waste, mistete meine Küche aus und dann den Rest meiner Wohnung. Über ein Jahr lang habe ich wirklich nur mit dem Nötigsten gelebt.
Wie hat sich das angefühlt?
Befreiend, erleichternd und ermächtigend. Es war erstaunlich zu merken, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein. Fast wie die Magie im Urlaub, wo man ja auch nicht annähernd all das mitnimmt, was man hat. Und doch macht man die Erfahrung: Man kommt immer genau mit dem aus, was man zur Verfügung hat.
Welcher Ort eignet sich am besten für den Einstieg?
Der Kleiderschrank ist wunderbar, um zu starten. Die Kleidung, die wir tragen, ist die Verbindung zwischen uns und der Außenwelt und wir können mit ihr beeinflussen, wie wir uns fühlen und der Welt begegnen. Deswegen sollten am Ende auch nicht die schönsten Sachen übrig bleiben, sondern die, in denen wir uns am wohlsten fühlen.
Wie genau geht man vor?
Bevor man startet, sollte man sich überlegen, wie man sich fühlen möchte. Beim ersten Aussortieren empfehle ich, erst einmal sämtliche Klamotten aus allen Schränken und Schubladen auf einen Haufen zu werfen. Allein das ist schon beeindruckend, weil wir in der Regel völlig unterschätzen, wie viel wir wirklich haben. Dann nimmt man jedes Teil einzeln in die Hand und fragt sich: Ist das eines meiner Lieblingsteile? Wenn ja, wird es zurückgehängt, wenn nicht, kann es aussortiert werden. Wichtig ist, sich viel Zeit dafür zu nehmen und sich nicht zu überfordern. Also lieber 6, 7 oder 8 Durchläufe machen und jedes Mal ein kleines bisschen mehr aussortieren.
Aber was, wenn man vom Aussortierten doch mal was vermisst?
Meine Erfahrung ist: Begeht man den Prozess auf eine sehr mit sich verbundene Weise, kommt eigentlich nie der Moment, wo man sich richtig ärgert. Wer zu große Angst davor hat, kann die aussortierten Sachen auch erst einmal woanders zwischenlagern, statt sie sofort loszuwerden. Das schenkt etwas Sicherheit. Warum ist die Angst davor überhaupt so groß? Viele befürchten, Minimalismus bedeutet, ihnen wird etwas weggenommen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Einzig und allein wir selbst entscheiden darüber, was uns nicht mehr bereichert und was wir nicht mehr behalten wollen. Und wenn jemand sagt: "Klar, die 35. Jeans im Schrank bereichert mein Leben jetzt nicht so sehr, aber was schadet es denn, sie zu behalten?", rate ich: Probiere es aus! Wir spüren die Vorteile von mehr Platz und Raum in unserer Umgebung erst, nachdem wir ihn uns verschafft haben und ganz bewusst frei halten.
Warum fällt das so schwer?
Wenn wir ein Möbelstück besitzen, das viele Schubladen hat, dann füllen wir sie komplett – so sind wir gestrickt. Es ist die Angst vor Raum, die es anfangs schwer macht. Aber wir können uns auf das erleichternde Gefühl freuen, wenn wir erleben, wie gut es tut, nur noch das Wichtigste zu haben. Das ist für mich auch der Kern des Minimalismus: Wir sollten den Punkt auf der Skala zwischen viel und wenig Besitz finden, an dem wir sagen: Ich habe genau mein "Genug" gefunden.
Was macht Minimalismus mit der Seele?
Minimalismus ist ein Prozess, bei dem man neben der äußeren Inventur auch eine innere macht. Während man im Außen aussortiert, räumt man auch im Inneren auf. Wir sortieren nicht aus, weil wir denken, dass es uns durch wenig Besitz besser geht. Es ist ein Prozess der Selbsterkenntnis, wenn man den Weg bedacht und achtsam geht. Wir schaffen uns Raum für Ruhe und eine neue Form von Sicherheit und Freiheit. Die neue Sicherheit finden wir in uns selbst, nicht in Besitztümern. Und bekommen die Freiheit, dem zu begegnen, was das Leben uns zu bieten hat. Das ist für mich die ultimative Lebensqualität.
Fazit: Ausmisten ist kein Verzicht, sondern Befreiung
Wenn du dich in deinem Besitz auf das beschränkst, was du wirklich brauchst, fällt alles andere wie Ballast von dir ab. Expertin Adina Markowz sagt: "Minimalismus ist kein Wettbewerb, bei dem gewinnt, wer die wenigsten Dinge besitzt. Es ist eine Neudefinition des Genug, des individuell richtigen Maßes."