- Was ist Melatonin und wozu brauchst du es?
- Welche Melatonin-Präparate gibt es?
- Können Melatonin-Präparate den Schlaf wirklich verbessern?
- Für wen sind Melatonin-Produkte sinnvoll?
- Kann Melatonin auch gefährlich werden?
- Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?
- Soll ich bei Einschlafproblemen Melatonin einmal ausprobieren?
Ob als Tablette, Spray oder Gummibärchen: Melatonin wird derzeit in allen denkbaren Variationen beworben. Die Produkte mit dem "Schlafhormon" versprechen schnelleres Einschlafen und besseren Schlaf – und Einschlafhilfe können die meisten von uns angesichts der angespannten Weltlage momentan dringend gebrauchen.
Aber wem hilft es wirklich, und wie? Und welche Nebenwirkungen können auftreten? Wir haben den Schlafexperten Professor Ingo Fietze, Leiter des Schlafmedizinische Zentrums der Berliner Charité befragt.
Was ist Melatonin und wozu brauchst du es?
Melatonin ist ein Hormon, das hauptsächlich in der Zirbeldrüse des Zwischenhirns gebildet wird, sobald es dunkel wird. Es hilft dir, abends müde zu werden und fördert somit das Einschlafen. "Zwischen 20 und 24 Uhr produziert der Körper das meiste Melatonin und reguliert so den Tag-Nacht-Rhythmus", erklärt Professor Fietze.
Wieviel Melatonin gebildet wird, hängt davon ab, wieviel Licht auf die Netzhaut deines Auges fällt. Deshalb solltest du unmittelbar vor dem Schlafengehen auch nicht mehr am Display des Handys oder Computers sitzen, sondern das Licht dimmen.
Die Idee hinter den Melatonin-Kapseln & Co. ist, die Melatonin-Menge im Blut zu erhöhen und so das Einschlafen zu erleichtern. In der Regel enthalten diese in Deutschland frei verkäufliche Melatonin-Produkte zwischen 1 bis 2 mg Melatonin, und werden mit Sprays über die Schleimhäute oder in Kapselform über den Darm aufgenommen.
Welche Melatonin-Präparate gibt es?
Frei verkäufliche Präparate mit Melatonin gibt es in verschiedenen Formen. Zum Beispiel:
- in Tablettenform, z.B. von Oyono, das zudem Baldrian-, Weißdorn-, Zitronenmelisse- und Passionsblumen-Extrakt sowie B6 enthält, Einschlaf plus von Dr. Böhm mit den zusätzlichen Wirkstoffen Baldrian und Hopfenextrakt oder dormiLoges, das neben Melatonin noch seine Vorstufen, Tryptophan und Vitamin B6 enthält, beides Bausteine des Melatoninstoffwechsels, die die Eigenprodukton des Schlafhormons ankurbeln.
- in Sprays, z.B. von Dr. Theiss mit Zitronen-Minzgeschmack oder von Orthomol, das zudem entspannendes Passionsblumen- und Melissenextrakt enthält.
- in Lutschtablette, z.B. mit Kirschgeschmack von Dr. Jacob's, kombiniert mit dem Vitamin B12, das beruhigend auf Nerven und Psyche einwirkt.
- in Weichgummis, z.B. von Wick ZzzQuil Gute Nacht, kombiniert mit einschlaffördernden Bestandteilen wie Baldrian-, Lavendel- und Kamille-Extrakten sowie Vitamin B6, oder von Gumtamin Sleep Melatonin Gummies ebenfalls mit Vitamin B6- und Baldrianzusatz.
Können Melatonin-Präparate den Schlaf wirklich verbessern?
Einige kleinere Studien, in denen die Einschlafzeit von Probanden mit Melatonin-Ergänzungsmitteln und mit Placebos verglichen wurden, kommen zu dem Ergebnis, dass Melatonin-Gaben die Einschlafzeit verkürzen können, jedoch im Mittel lediglich um etwa 7 Minuten.
Das Durchschlafen fördern können die Produkte jedoch nicht, denn die Leber baut Melatonin innerhalb von einer Stunde wieder ab, egal ob es vom Körper selbst produziert oder von außen zugeführt wurde.
Professor Fietze ist daher auch grundsätzlich skeptisch: "Das oral oder über die Schleimhäute zugeführte Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin bringt keinen Mehrwert, wenn man einen normalen abendlichen Melatoninspiegel hat." Zudem fehlen ihm wissenschaftliche Studien zu den frei verkäuflichen Melatonin-Produkten: Als Nahrungsergänzungsmittel müssen sie, anders als Arzneimittel, ihre Wirkung nicht in klinischen Studien belegen.
Ein niedriger Melatonin-Spiegel kann zwar Einschlafstörungen verursachen, muss aber nicht. "Es gibt Schichtarbeiter, die nachts durchgearbeitet haben und morgens kein Melatonin mehr im Körper haben, und dennoch gut einschlafen“, weiß Profesor Fietze aus Erfahrung. So werden die Produkte in Studien auch eher zur Überwindung von Jetlag als für ernste Schlafprobleme empfohlen. "Zu 90 Prozent liegen Einschlaf-Probleme nicht am mangelnden Melatonin", so der Schlafforscher.
Für wen sind Melatonin-Produkte sinnvoll?
Bei den meisten Menschen über 55 Jahren sinkt altersbedingt die abendliche Melatonin-Produktion. Für diese Altersgruppe gibt es in Deutschland ein verschreibungspflichtiges Medikament für eine kurzzeitige Therapie, dazu gibt es Studien, die Langzeitwirkung des Präparats ist jedoch noch wenig erforscht. Zumindest macht für diese Altersgruppe eine abendliche Melatonin-Einnahme Sinn, zur Probe auch mal mit einem freiverkäuflichen Mittel.
Wer unter einem Jetlag leidet, dem kann zusätzliches Melatonin durchaus helfen, so ein in der Wissenschafts-Datenbank Cochrane aufgeführter Artikel. "Auch Schichtarbeiter*innen und Menschen, deren Schlaf-Wach-Rhythmus verschoben ist, können von kurzzeitigen Melatonin-Gaben profitieren", sagt Professor Fietze, "Jedoch bräuchte es dafür 2 bis 6 mg Melatonin unter ärztlicher Aufsicht."
Grundsätzlich spricht nichts dagegen, frei verkäufliche Melatonin-Sprays oder -Kapseln einmal ausprobieren. Wirken werden sie jedoch nur, wenn man tatsächlich unter einem abendlichen Melatonin-Mangel leidet. Ob dies bei dir der Fall ist, ist jedoch schwer nachzuweisen. Eine Untersuchung ist kostspielig und wird nicht von der Krankenkasse übernommen.
Kann Melatonin auch gefährlich werden?
Nein, nicht bei den frei verkäuflichen Produkten. "Eine Überdosierung ist praktisch nicht möglich", sagt Professor Fietze, "Eine toxische Wirkung ist bei 0,1 bis 8 mg nicht zu erwarten."
Nicht zu empfehlen sind Melatonin-Produkte für Schwangere und Stillende, dafür ist die Studienlage über mögliche Nebenwirkungen zu gering, und wenn auch du Medikamente wie Antidepressiva oder Antibiotika einnimmst, solltest du darauf verzichten.
Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?
"Die wahrscheinlichste Nebenwirkung ist, dass Melatonin nicht wirkt, oder sogar unruhig und wach macht", sagt Buchautor Fietze in Bezug auf die frei verkäuflichen Produkte.
Das verschreibungspflichtige Medikament jedoch sollte nach ärztlichem Rat eingenommen werden und kann seltene Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit am Tag, Übelkeit und Kopfschmerzen verursachen. Langfristig kann es, auch extrem selten, Leber und Nieren belasten, deshalb wird es nur kurzzeitig verschrieben.
Soll ich bei Einschlafproblemen Melatonin einmal ausprobieren?
Professor Fietze geht davon aus, dass bei jungen Menschen in 90 Prozent der Fälle keine Wirkung eintreten wird. "Unter den Stoffen, die bei Insomnikern schlaffördernd wirken, ist Melatonin ein ganz schwaches Mittel", so der Schlafexperte und empfiehlt Menschen mit Schlafstörungen eher Präparate mit Hopfen, Baldrian oder Melisse, um den Schlaf zu fördern oder aber Tryptophan, ein Nahrungsergänzungsmittel, welches Melatonin und auch das s.g. Glückshormon Serotonin anregt (gibt es z.B. von ZeinPharma). Tipp: Einige frei verkäufliche Melatonin-Produkte enthalten zusätzlich diese Bestandteile (z.B. Melatonin Plus Trinkgranulat von Doppelherz).
Auch solltest du deine Schlafumgebung genau unter die Lupe nehmen: Ob der Partner den Schlaf negativ beeinträchtigt (schnarch!), wie Raumtemperatur und Lichtverhältnisse im Schlafzimmer beschaffen sind oder was und wann man zum Abendbrot isst. Solche Veränderungen versprechen meist wesentlich größere und langfristigere Verbesserungen in der Schlafqualität als Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin.
Es gibt viele Stellschrauben, die zu einem besseren Schlaf führen. Melatonin-Produkte können dazu beitragen, müssen aber nicht. Unser Tipp: Wenn du Melatonin ausprobieren willst, suche dir ein Produkt aus, das zudem entspannend wirkende, schlaffördernde Inhaltsstoffe enthält wie Baldrian-, Lavendel oder Melissenextrakt sowie Tryptophan.