Gehören bei dir Multivitamintabletten, Kräuterblut oder Magnesiumkapseln zum Alltag? Oder wappnest du dich immer mit einer Extra-Portion Vitamin C und D aus der Dose gegen Erkältung und Covid-19? Da wärst du nicht die einzige.
Rund ein Drittel aller Deutschen nimmt regelmäßig Vitaminpillen oder andere Nahrungsergänzungsmittel ein. Ihr Motto: Vitamine sind doch gesund – warum sollte man da nicht der Ernährung ein bisschen nachhelfen? Unsere Expertin erklärt dir, ob Vitaminpräparate wirklich sinnvoll sind, und wann sie sogar schaden können.
Inzwischen wissen wohl alle, dass Vitamine enorm wichtig für die Gesundheit sind. Eine ausgewogene Ernährung mit vielen Vitaminen und Spurenelementen ist die Basis für ein gesundes Leben. Aber im stressigen Alltag bleibt oft nicht die Zeit, um immer frisch zu kochen, und abends auf dem Sofa schmeckt Knabberkram einfach viel besser als ein Apfel.
Vitaminpräparate scheinen da der ideale Weg zu sein, der Gesundheit ohne viel Aufwand etwas Gutes zu tun. Es gibt sie in den verschiedensten Formen: als Brausetabletten, Dragees oder als Saft. Oft schmecken sie lecker und sind dazu noch preiswert. Also greifen viele in der Drogerie oder dem Supermarkt beherzt zu, wenn dort die Packungen mit den Nahrungsergänzungen angeboten werden.
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Das Wichtigste einmal ganz vorneweg: "Nahrungsergänzungsmittel können keine einseitige Ernährung kompensieren“, betont die Ernährungswissenschaftlerin Josephine Lauscher vom Vivantes Zentrum für Ernährungsmedizin in Berlin. Eine Tablette ist also niemals Ersatz für eine gesunde Lebensweise. Umgekehrt bekommst du mit einem ernährungstechnisch ausgewogenen Speiseplan alle nötigen Vitamine geliefert, oft sogar an ungewöhnlicher Stelle. "Selbst in eingeschweißtem Brot steckt Vitamin C, weil es dadurch haltbarer gemacht wird", so Lauscher.
Außerdem sind die Vitamine im Essen oft wesentlich effektiver als in einer Tablette. Der Körper hat nämlich mehr Zeit, um alle Nährstoffe zu verarbeiten, weil du länger an einem Stück Obst knabberst als du für das Schlucken einer Pille brauchst. So können nach und nach alle Vitamine verstoffwechselt werden.
Bekommt der Körper stattdessen zu viele Nährstoffe auf einmal, kann er sie gar nicht alle aufnehmen und scheidet viel davon wieder aus. Außerdem kannst du dir deshalb kaum mit Lebensmitteln eine Überdosis an Vitaminen zuziehen, weil du kaum in so kurzer Zeit so viel essen könntest, wie dafür nötig wäre. Mit Tabletten hingegen wäre das möglich.
Eine Nahrungsergänzung ist bei den meisten Menschen weder nötig noch ratsam. "Deutschland ist kein Vitamin-Mangelgebiet", erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. Wer keine Krankheit hat und sich vielseitig und ausgewogen ernährt, versorgt seinen Körper mit genug Nährstoffen.
Wer darüber hinaus noch Vitaminpräparate einnimmt, tut seiner Gesundheit möglicherweise nicht mal etwas Gutes. "Für gesunde Menschen werden Vitaminpräparate nicht empfohlen", so Lauscher. Denn selbst wenn du für eine gewisse Zeit zu wenig Vitamine zu dir nimmst, hat der Körper viele Mechanismen, um das auszugleichen. "Für viele Nährstoffe haben wir große Speicher und einige Prozesse können kompensiert werden." Diese Lebensmittel stärken dein Immunsystem.
Auch wenn du viel Sport treibst oder abnehmen willst, musst du dir keine Sorgen um deinen Vitaminhaushalt machen, solange du dich immer noch ausgewogen ernährst. Das heißt, wer viel Sport macht, kann und sollte auch mehr essen. Bei der Auswahl einer kalorienreduzierten Ernährungsweise hältst du dich am besten von einseitigen Modellen wie etwa der Kohlsuppendiät fern. Dann wirst du höchstwahrscheinlich keinen Mangel an irgendeinem Nährstoff bekommen.
Auch wenn also Vitaminpräparate grundsätzlich nicht notwendig sind, gibt es aber auch Situationen und Veranlagungen, bei denen es wichtig ist, dass du genauer auf die Zufuhr von Nährstoffen achtest. Bestimmte Risikofaktoren können dafür sorgen, dass du zu wenig Vitamine aufnimmst. Lauscher empfiehlt dir, bei diesen 4 Faktoren mit einem Arzt abzusprechen, ob für dich eine Nahrungsergänzung sinnvoll sein kann:
Erfüllst du einen oder mehrere dieser Faktoren oder fühlst du dich generell müde oder kränklich? Dann geh mit diesem Verdacht zu deiner Ärztin und lass dein Blut untersuchen (Diese Blutwerte solltest du kennen). So kannst du erstens ausschließen, dass keine andere Krankheit hinter den Mangelerscheinungen steckt, und andererseits die Nahrungsergänzung genau auf deinen Zustand abstimmen lassen.
Wenn du deine Ernährung ergänzen willst, solltest du niemals einfach losmarschieren und auf eigene Faust irgendwelche Vitaminpillen kaufen, sondern immer erst einmal deine Hausärztin befragen! Dort kannst du abklären, ob wirklich ein Mangel vorliegt.
Wenn du nämlich zu viel eines Vitamins zu dir nimmst, riskierst du eine Überdosierung. Allein durch die Ernährung kann du dich dagegen nicht überdosieren. Lauscher erklärt, was passiert, wenn du zu viel des jeweiligen Nährstoffes zu dir nimmst:
Jetzt schau einmal auf die Packung deiner Vitamintabletten: Dürfest du nach der Einnahme überhaupt noch Vitamin C oder andere Spurenelemente zu dir nehmen, oder deckt die Pille schon 100% ab? Wenn du dann noch irgendetwas isst, liegst du nämlich schnell über der sogenannten Zufuhrempfehlung und riskierst eine Überdosis.
"Die Zufuhrempfehlung auf den Verpackungen sagt aus, welche Menge nicht schädlich ist", betont Lauscher. Das bedeutet, sofern du gesund bist, zeigen die Mengenangaben nicht, wie viel dir das Präparat nutzt, sondern nur, wie lange es dir mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schadet.
Man liest immer wieder von Studien, die auf einen Zusammenhang zwischen einem niedrigen Vitamin D-Spiegel und einem schweren Covid-19-Verlauf hinweisen. Kein Grund für dich, jetzt planlos Vitamin D-Tabletten zu schlucken! Denn erstens solltest du das sowieso nicht ohne Absprache mit deiner Ärztin tun. Und zweitens belegen die Studien beim genauen Lesen nicht zweifelsfrei, dass Vitamin D vor schweren Covid-19-Verläufen schützt.
Beispiel: Eine neuere, große Studie des britischen Nationalen Instituts für Gesundheit (NICE) beschäftigte sich mit den Zusammenhängen von Covid-19 und Vitamin D. Das Ergebnis: Es gebe keinen wissenschaftlich gesicherten Nachweis einer vorbeugenden Wirkung von Vitamin D auf das Risiko einer Covid-19-Erkrankung. Zwar bestehe ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen Vitamin-D-Status und dem klinischen Verlauf einer Covid-Erkrankung, doch heißt das nicht, so die Wissenschaftler, dass vor Ausbruch der Krankheit ein niedriger Vitamin D-Spiegel vorgelegen haben muss.
Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass die Krankheit und die damit einhergehende Entzündungsreaktion zu einem niedrigen Vitamin D-Spiegel im Blut geführt haben könnte. Auch haben ältere Menschen über 80 Jahren, die bisher zumeist von schweren Covid-Verläufen betroffen waren, altersbedingt generell häufig ein Vitamin-D-Defizit, bei jüngeren Menschen jedoch ist das eher die Ausnahme. Deshalb betont auch die Deutsche Gesellschaft für Ernähung (DGE), sie könne "keine pauschale Empfehlung für eine Vitamin-D-Supplementation aussprechen, um einer SARS-CoV-2-Infektion vorzubeugen oder den Schweregrad einer Covid-19-Erkrankung zu verringern.“
Es gibt einen gefährlichen psychologischen Effekt bei Nahrungsergänzungsmitteln: Oft sind sie optisch kaum von Arzneimitteln zu unterscheiden. Die Verpackungen sehen ähnlich aus, die Pillen stecken sogar manchmal in den typischen Alu-Blistern und du nimmst sie auch so ähnlich ein wie ein Medikament.
"Deshalb denken viele Menschen, dass sie Vitaminpräparaten genauso vertrauen können wie Medikamenten", erklärt Lauscher. Dabei fallen sie nicht unter die Kategorie der Arzneien, sondern unter die Lebensmittel, was ganz entscheidende Folgen für die Produkte hat. Das sind die wichtigsten:
Lass dich nicht von der Werbung in die Irre führen. Wenn du gesund bist und dich vernünftig ernährst, hast du aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Mangel, und Vitaminpräparate sind bei dir nutzlos. Wenn du trotzdem den Verdacht hast, dass deinem Körper etwas fehlt, suche erstmal medizinischen Rat.