- Bin ich frustriert oder ist es schon etwas Schlimmeres?
- Warum bin ich frustriert?
- Wie kann ich Frust abbauen?
- Wo finde ich Hilfe, wenn ich den Frust nicht in den Griff kriege?
Wochenlang kaum jemanden sehen, kein lockeres Zusammensitzen und einfach Spaß haben, stattdessen Sorgen um Gesundheit und Zukunft – und ein Ende ist nicht wirklich in Sicht. Es nervt.
Je länger Corona und der Lockdown das soziale Leben bestimmen, umso mehr Frust macht sich breit. Nicht gegen die Maßnahmen selbst, aber gegen ihre Folgen: Die Stimmung ist gedrückt, du reagierst schneller genervt und aggressiv, und es fällt schwer, auf eine positive Entwicklung in naher Zukunft zu vertrauen.
Was aber kannst du selbst tun, um nicht in Depressionen, Angst und Schlafstörungen abzurutschen? Wir haben ein paar vielversprechende Strategien für dich zusammengestellt.
Bin ich frustriert oder ist es schon etwas Schlimmeres?
"Frustriert" ist in der momentanen Krise ein wohl eher saloppes Wort, hinter dem oft handfeste Ängste und die Gefahr schwerwiegender psychischer Folgen steckt. Dass es so häufig gebraucht wird, zeigt, dass man sich seiner vermeintlichen Schwäche schämt und sie verharmlosen will. Doch dazu besteht kein Grund, denn nicht nur du leidest darunter.
Das bewies zum Beispiel ein Forscherteam der Uni Duisburg-Essen. Seit Beginn der Corona-Pandemie befragen die Wissenschaftler fortlaufend online rund 25.000 Menschen. Das Ergebnis: Die Mehrheit beklagte psychisch belastenden Stress (65 Prozent) und Covid-19-bezogene Furcht (59 Prozent). “Man könnte sagen: Bis zu einem gewissen Grad sind wir alle Patient*innen der Pandemie“, resümiert Professor Dr. med. Martin Teufel, der als Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin die Studie leitet.
Ob du "nur" Frust hast und der Pandemie und ihren Folgen überdrüssig bist, oder ob du bereits an einem Burnout oder einer Depression leidest, kann nur der Facharzt feststellen. (Daran erkennst du Symptome eines Burnouts.) Doch du kannst – und solltest – auch erst einmal selbst aktiv werden! Wir erklären dir die Mechanismen, die gerade deine Psyche beeinflussen, und wie du sie zu deinen Gunsten wendest.
Warum bin ich frustriert?
Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen. Die Reduktion der sozialen Kontakte auf ein Minimum fördert fast zwangsläufig depressive Verstimmungen. Hinzu kommen der Kontrollverlust, Ängste vor Ansteckung, vor dem Verlust des Arbeitsplatzes sowie Überforderungen durch Homeoffice und Kinderbetreuung.
Jeder einzelne Punkt reicht eigentlich schon, um frustriert zu sein. Kommen mehrere Punkte zusammen, brauchst du dringend eine Strategie, um nicht in eine Depression abzurutschen.
Wie kann ich Frust abbauen?
Diese 7 Tipps helfen dir, nicht nur deinen Frust in den Griff zu bekommen, sondern auch schöne Momente in der Pandemie zu erleben – und durchzuhalten:
1. Akzeptiere die Situation, wie sie ist
Je länger die Pandemie mit all ihren Folgen für den Alltag dauert, desto schwerer ist sie psychisch auszuhalten. Doch Jammern und "Was wäre wenn"-Gedanken helfen nicht weiter, im Gegenteil. "Wer gegen die Realität, so furchtbar sie auch ist, innerlich ankämpft, verliert nur Kraft", erklärt Psychotherapeut Jan Ahrens aus Essen.
Das bestätigt auch Marc Wallert, der sich mit seiner Familie im Jahr 2000 fünf Monate lang auf den Philippinen in Geiselhaft befand. In seinem Buch Stark durch Krisen beschreibt er seine Strategien, die Ängste und Verzweiflung zu überstehen. So hat er die Realität schnell anerkennen können und behielt dadurch das Gefühl, handlungsfähig zu bleiben und Optimismus zu bewahren.
Seine Mutter dagegen, eine bisher eher tatkräftige Frau, kam aus der Opferrolle nicht hinaus, fühlte sich hilflos der Situation ausgeliefert, haderte mit sich und den Umständen und wurde körperlich und psychisch krank darüber. "Wer dagegen wie Marc Wallert die Krise annimmt und den Glauben an ein gutes Ende beibehält, wird wahrscheinlich sogar gestärkt aus der Krise herauskommen", weiß Ahrens.
2. Bleib optimistisch, mach dir ein positives Bild von der Zukunft
Es ist wichtig, sich in Krisensituationen nicht im Gefühl von Angst und Endzeitstimmung zu verlieren. Es hilft, sich ein positives Bild von der Zukunft zu machen, ohne allerdings in übertriebenen Optimismus oder Euphorie zu verfallen. "Man sollte zwischen Zielen und Träumen unterscheiden", rät Psychologin und Glücksforscherin Dr. Ilona Bürgel: "Ziele wie 'ich will 10 km am Stück joggen können' kann man selbst beeinflussen. Auf Träume wie eine Reise nach Indien zum Beispiel kann man sich zwar vorbereiten, aber man sollte sich klar machen: Wie die Corona-Pandemie sich im Laufe des Jahres entwickelt, kann seriös niemand vorhersagen."
Deshalb: Wenn es dir guttut, träume und plane in Gedanken, wohin du nach Ende der Reisebeschränkungen reisen möchtest, wen du besuchen willst, welches Fest du feiern wirst. Aber bewahre den Blick auf die Realität: Nicht an allem ist Corona Schuld. "Auch vorher konnten wir uns nicht alle Träume erfüllen", erinnert Bürgel. Schmiede Pläne, die dich glücklich machen, aber ohne dich auf einen Zeitpunkt oder einen genauen Ort festzulegen. Bürgel: "Schau, was geht, nicht nur, was nicht geht." So verlierst du den optimistischen Blick in die Zukunft nicht.
Tipp von Glücksforscherin und ebook-Autorin Bürgel: Suche dir eine Tandem-Partnerin oder einen -Partner, mit dem du täglich eine gute (!) Nachricht austauschst. Das kann eine Kleinigkeit sein wie zum Beispiel eine schöne Wolkenformation, ein gutes Gespräch oder ein gelungenes, selbst gekochtes Essen. Auf diese Weise behältst du deinen Blick auf die schönen Dinge des Lebens.
3. Vergegenwärtige dir, dass in Krisen auch Chancen stecken
"Es ist doch verrückt: Vor der Pandemie klagten wir alle, dass wir zu wenig Zeit für uns selbst haben", sagt Bürgel, "Und jetzt haben wir sie und jammern darüber." Tu das nicht! "Sieh die Krise auch als Geschenk", rät Bürgel, "Kümmere dich um dich selbst. Frage dich, was dir körperlich und geistig gut tut, und was was du wirklich im Leben willst. Denn wenn uns die Corona-Krise eins lehrt, dann dass nichts 100 prozentig sicher ist und die Zeit läuft – auch wenn man noch jung ist."
Jetzt nicht zu verzweifeln, sondern sogar an psychischer Stäke zu gewinnen, das gelingt uns umso besser, je sinnvoller wir die Gegebenheiten nutzen. Indem wir zum Beispiel ein Instrument oder eine Sprache lernen, uns vornehmen, täglich zu meditieren, oder was auch immer man eigentlich immer schon mal machen wollte und was in den eigenen 4 Wänden möglich ist.
Werde aktiv, um deine Lebensumstände bestmöglich zu gestalten, statt nur auf dem Sofa eine Serie nach der anderen zu sehen. Im Fachjargon heißt das "Selbstwirksamkeit", die uns wieder das Gefühl gibt, selbst das Steuer unseres Lebens in den Händen zu halten – bis zu einem gewissen Grad haben wir das nämlich immer. Das macht schon viel aus.
4. Führe echte Gespräche
Natürlich hältst du den Tag über per WhatsApp, Instagram & Co. Kontakt zu deinen Freunden und das ist auch richtig und gut so. Aber unterschätze nicht, wie wichtig es ist, die Nähe und Wärme sowie das Lebendige einer Stimme in einem Gespräch und nicht nur als Sprachnachricht und beim Skypen zu hören. "Verabrede dich jetzt häufiger zum Telefonieren oder unterhalte dich bei einem Spaziergang mit einem Freund oder einer Freundin – unter Einhaltung der Abstandsregeln und Maskenpflicht natürlich", rät Julia Samuel, Psychologin und Buchautorin (Trauert. Geschichten über das Leben, den Tod und die Kraft zum Weiterleben).
Im Gegensatz zum Skypen, währenddessen man immer auch mit seinem Aussehen beschäftigt ist und von der Umgebung abgelenkt wird, kannst du dich beim guten, alten Telefonieren ganz auf die Stimme und das Gespräch konzentrieren und schaffst auf diese Weise eine größere, menschliche Nähe, die im Moment so fehlt. Gleiches gilt auch für einen Spaziergang zu zweit mit entsprechendem Abstand, bei dem du durch die Bewegung an der frischen Luft und das tiefe Atmen zusätzliche Stresshormone abbaust. Dass dir Natur und Bewegung in der Pandemie psychisch enorm helfen können, brauchen wir nicht extra betonen, oder?
5. Trainiere online mit Freundinnen.
Es gibt auf YouTube tolle Trainingsvideos, keine Frage. Aber wenn dir die Mädels fehlen, mit denen du vor Corona regelmäßig trainiert hast, organisiere in Absprache mit der Trainerin feste gemeinsame Trainingseinheiten zum Beispiel über Zoom. Natürlich verlaufen diese ganz anders ist als in der Halle oder auf dem Sportplatz. Aber man könnte z.B. Muskelaufbau und Dehnübungen gezielt für deine Sportart machen. Die Trainerin müssen die Teilnehmer natürlich bezahlen.
Aber es lohnt sich, einmal in der Woche wieder mit Freunden zusammen zu trainieren statt immer nur alleine. Durch die direkte, vertraute Ansprache – von der Begrüßung am Anfang, über die Kommentare bis hin zu den Ansagen der Trainerin – profitiert neben deinem Körper auch deine Psyche enorm.
6. Zähle auf, was du kontrollieren kannst
Der Kontrollverlust gehört zu den größten Herausforderungen in der Corona-Pandemie, viele verzweifeln daran, dass sie ihr Leben in vielerlei Hinsicht nicht mehr selbst steuern können. Aber es gibt auch immer noch vieles, was du steuern kannst. Deinen Tagesablauf, deinen Alkoholkonsum, deine Mahlzeiten und noch vieles mehr.
"Vergegenwärtige dir die Dinge, die du selbst ändern und beeinflussen kannst und die, die du nicht kontrollieren kannst", rät die Psychologin Samuel, "Erstelle jeweils eine Liste darüber und pinn sie dir an die Kühlschranktür, und lies sie, wenn der Frust über deine Hilflosigkeit dich mal wieder zu überrollen droht." So bekommst du eine Panikattacke in den Griff.
7. Vermeide, Verhaltensmuster zu entwickeln, die dir nicht gut tun.
Auch vor Corona gab es immer wieder mal einen Tag oder einen Abend, an dem du das Training hast ausfallen lassen, beim Essen oder Alkohol über die Stränge geschlagen hast oder du dir auf einer Party zu fortgeschrittener Stunde eine Zigarette geschnorrt hast. Kein Thema, wenn es Ausnahmen bleiben.
Doch Einsamkeit und Ängste verleiten dazu, aus Ausnahmen Verhaltensmuster zu entwickeln. Tu das nicht! Du wirst dadurch noch unglücklicher. Und dann ist irgendwann eh schon alles egal. Stoppe diese emotionale Abwärtsspirale, indem du dir bewusst Regeln aufstellst, deinen Tagesablauf straff organisierst und ganz bewusst Rituale entwickelst, was dir guttut, wenn der Frust dich zu überwältigen droht.
Leg dich zum Beispiel in die Badewanne und höre einen deiner Lieblingspodcasts. Dreh den Lautstärkenpegel hoch und tanze zu deiner momentanen Lieblingsmusik – sieht ja eh keiner. Starte eine Meditations-App. Kauf dir einen Hula-Hoop-Reifen, das Training damit ist momentan Trend und bringt viel Spaß. Schaff dir einen Boxsack an und bearbeite ihn, bis es dir besser geht.
Wo finde ich Hilfe, wenn ich den Frust nicht in den Griff kriege?
Schäm dich nicht, wenn dich der Frust zu überrollen droht. Wie gesagt, es geht verdammt vielen im Moment so. Wenn es nicht mehr hilft, draußen eine Runde nach der anderen zu drehen, und auch alle anderen Strategien nicht wirken, scheue dich nicht, dir Hilfe zu suchen.
Telefonisch hilft anonym die Telefonseelsorge unter 49 (0)800 111 0 111 weiter, oder du lässt dich über die Telefonnummer 116117 an den Psychiatrischen Bereitschaftsdienst vermitteln. Auch Online-Ärzte können dir in der Krise helfen, ohne dass du das Haus verlassen musst.
Du bist nicht allein, wir alle stecken in der Corona-Krise zusammen fest. Versuche, die Realität zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Und zögere nicht, dir Hilfe zu holen, wenn du es alleine einfach nicht mehr schaffst.