Mentale Stärke und Widerstandsfähigkeit steigern

Mentale Stärke
Resilienz: So steigerst du deine psychische Widerstandsfähigkeit

Veröffentlicht am 11.06.2024
Resilienz: So steigerst du deine psychische Widerstandsfähigkeit
Foto: Dean Drobot / Shutterstock.com

Ein wichtiger Termin ist geplatzt und bringt das ohnehin nervenzehrende Job-Projekt ins Wanken, gleichzeitig liegt das Kind mit Fieber im Bett und zu allem Überfluss vergisst der Partner dann auch mal wieder, den Müll mit runterzunehmen. Peng! Manchmal sind es gerade die kleinen, eher unbedeutenden Dinge, die das Fass zum Überlaufen bringen und dich aus der Bahn werfen. Dann entstehen Probleme, wo eigentlich keine sind, du fühlst dich gestresst, und es scheint unmöglich, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Meist erkennst du erst im Nachhinein, dass die Dinge nur halb so wild waren. Denn das Gehirn kann Realität und Vorstellung oft nicht voneinander unterscheiden. Die Gedanken, die du hast, beeinflussen daher das Handeln – und somit auch das Ergebnis maßgeblich. Das heißt, gehen dem Handeln negative Gedanken wie "Ich schaffe das nicht" voraus, wird ein positiver Ausgang einer Situation häufig bereits im Keim erstickt. Durch starke äußere Einflüsse können sich einzelne negative Gedanken als belastende Grundstimmung festsetzen.

Was vielen in solchen Momenten besonders fehlt, ist mentale Stärke. Natürlich ist es grundsätzlich gar nicht schlimm, etwas sensibler zu sein – sensible Menschen sind häufig empathischer, hilfsbereiter und kreativer. Dadurch laufen sie jedoch auch Gefahr, Dinge schnell persönlich zu nehmen, und zweifeln leichter an sich selbst – was Leistungen im Job und soziale Beziehungen deutlich beeinträchtigen kann. Die gute Nachricht aber ist: Du kannst dich von diesen Selbstzweifeln und negativen Gedanken befreien und deine Psyche in den entsprechenden Bereichen stärken. Dafür brauchst du eine gesunde Portion Optimismus und ein paar kleine Änderungen der eigenen Denkweise. Bevor das allerdings gelingen kann, ist es wichtig, zu wissen, was mentale Stärke überhaupt bedeutet – und warum sie so wichtig ist.

Mentale Stärke zeichnet sich besonders durch eine flexible Denkweise aus

Der Begriff mentale Stärke umfasst verschiedene persönliche Überzeugungen und Denkweisen, die einen Großteil der Persönlichkeit ausmachen. Ausgeprägte mentale Stärke steigert das emotionale Wohlbefinden. Sie legt zum einen fest, wie gut oder schlecht eine Person mit Stress, Druck und Herausforderungen umgehen kann. Und zum anderen, wie leicht oder schwer sie Misserfolge wegsteckt und Anstrengungen auf sich nimmt, um (neue) Ziele zu erreichen.

Peter Clough, Professor für Psychologie an der University of Huddersfield in Großbritannien, veranschaulichte das Konzept der mentalen Stärke in einem Modell mit 4 grundlegenden Komponenten – dem so genannten 4C-Modell. Demnach ist mental stark, wer folgende 4 Eigenschaften mitbringt:

  • Selbstbewusstsein (Confidence)
  • Bereitschaft für Herausforderungen (Challenge)
  • Hingabe (Commitment)
  • Kontrolliertheit in stressigen oder ungewohnten Situationen (Control)

Mentale Stärke zeichnet sich also besonders durch flexible Denkweise und Handlungsfähigkeit in Stresssituationen aus sowie großen Ehrgeiz und Beständigkeit. In diesem Zusammenhang spricht man auch oft von Resilienz, also der psychischen Widerstandskraft.

Was bedeutet mentale Stärke konkret?

Heißt das also, dass man nur dann mental stark ist, wenn alle C-Eigenschaften auf einen zutreffen? Nicht ganz. Zwar hängen alle 4 Cs eng miteinander zusammen und wie stark oder schwach ausgeprägt eine Eigenschaft ist, bestimmt zu einem gewissen Grad, wie stark oder schwach eine andere ist. Die Bewertung der mentalen Stärke insgesamt ist allerdings deutlich komplizierter.

Man kann das leicht am Beispiel von Selbstbewusstsein und zielorientiertem Handeln sehen. Selbstbewusst zu sein heißt, von sich selbst und seinen Fähigkeiten überzeugt zu sein und in sein Können zu vertrauen. Zielorientiert zu sein bedeutet, Aufgaben verlässlich zu erledigen, sich nicht durch unerwartete Komplikationen vom Weg abbringen zu lassen und eine grundsätzlich höhere Bereitschaft zum Übernehmen von Verantwortung zu besitzen. So weit, so gut. Du kannst aber auch sehr zielorientiert und verlässlich arbeiten und gleichzeitig auf dem Weg zum Ziel häufiger an dir selbst und deinen Qualitäten zweifeln. Vielleicht brauchst du dadurch etwas länger oder bist häufiger auf Zuspruch von Freunden oder Kollegen angewiesen. Der Weg zum Ziel ist also insgesamt nervenaufreibender und beschwerlicher, das heißt allerdings nicht, dass du mental schwach und psychisch nicht belastbar bist. Denn das Ergebnis ist am Ende dasselbe: Du meisterst die Aufgabe erfolgreich.

Das Zusammenspiel aller Komponenten und Faktoren ist also ausschlaggebend. Die menschliche Psyche ist ein hochkomplexes Konstrukt. Sie setzt sich aus genetischen Veranlagungen, sozialen Einflüssen und persönlichen Erfahrungen zusammen. Das macht sie allerdings auch sehr flexibel. Du kannst also an den Bereichen arbeiten, in denen du weniger stark bist, und so deine psychische Belastbarkeit ausbauen. Denn alles, was du denkst, fühlst oder tust, hat seinen Ursprung im Gehirn.

Gedanken und Gefühle werden dort durch Milliarden von Nervenzellen geregelt, die alle über Synapsen miteinander verbunden sind und so kommunizieren. Das Hirn verändert diese Verknüpfungen konstant und ist in der Lage, neue aufzubauen, etwa durch erlebte Erfahrungen oder neue Gewohn-heiten. Man nennt dies Neuroplastizität. Mit anderen Worten: Wenn man gerade unsicher ist, Selbstzweifel hat oder einfach zu nah am Wasser gebaut ist, muss das nicht so bleiben. Man kann es – man kann sich – verändern.

Warum es für mentale Stärke wichtig ist, deine Schwächen zu kennen

Die Stichworte Ich-Bewusstsein und Achtsamkeit spielen beim Thema mentale Stärke eine entscheidende Rolle. Denn um deine mentale Stärke effektiv zu festigen, musst du dir deiner Stärken und Schwächen bewusst werden. Außerdem solltest du achtsam mit dir umgehen, damit du Fortschritte und persönliche Grenzen bewusst identifizieren kannst. Dafür brauchst du 2 Dinge: Zuallererst musst du überhaupt bereit sein, deine Schwächen zu erkennen und an ihnen zu arbeiten. Außerdem braucht es einen Anhaltspunkt, um zu wissen, in welchen Bereichen du bereits stark bist – und an welchen du noch arbeiten kannst.

Professor Clough hat dafür einen psychometrischen Selbsteinschätzungs-Fragebogen, den so genannten MTQ48-Fragebogen, entwickelt – mit dessen Hilfe sich die mentale Stärke auf Grundlage des 4C-Modells einschätzen lässt. Normalerweise hat der Test 48 Fragen, hier kannst du mit einer gekürzten Version loslegen. Hier wirst du mit Aussagen konfrontiert, die du auf einer Skala von 1 bis 5 bewerten muss, wobei 5 bedeutet "trifft voll zu". Das Ergebnis verschafft dir einen ersten Überblick über Stärken und Schwächen. Wichtig ist, dass du bei der Beantwortung der Fragen ehrlich zu dir bist. Also, was trifft auf dich zu?

  1. "Im Allgemeinen habe ich das Gefühl, dass ich ein wertvoller Mensch bin."
  2. "Ich neige dazu, mir über Dinge Sorgen zu machen, lange bevor sie tatsächlich passieren."
  3. "Normalerweise fällt es mir schwer, Begeisterung für die Aufgaben aufzubringen, die ich erledigen muss."
  4. "Ich komme im Allgemeinen gut mit allen auftretenden Problemen zurecht."
  5. "Ich sehe grundsätzlich eher die positiven Seiten des Lebens."
  6. "Auch wenn ich unter erheblichem Druck stehe, bleibe ich normalerweise ruhig."
  7. "Wenn ich Fehler mache, mache ich mir darüber normalerweise noch tagelang Sorgen."
  8. "Ich habe ganz allgemein das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben."
  9. "Ich bin grundsätzlich in der Lage, schnell zu reagieren, wenn etwas Unerwartetes passiert."
  10. "Wenn ich mehrere Dinge gleichzeitig tun muss, weiß ich oft einfach nicht, wo ich anfangen soll."

Wichtig: Bei solchen Tests, noch dazu in verkürzter Form, ist deutlich zwischen Einschätzung und Diagnose zu unterscheiden – der Fragebogen kann lediglich einen Überblick über Stärken und Schwächen geben. Bei gravierenden psychischen Beschwerden sollte man in jedem Fall einen Experten konsultieren, der eine umfassendere, professionelle Diagnose stellen und angemessen helfen kann.

Wie gewinne ich selbst mehr mentale Stärke?

Hast du einmal ein Gefühl dafür entwickelt, in welchen Bereichen du häufiger mit dir ringst, kannst du diese mit gezielten Maßnahmen angehen. Diejenigen Methoden, die deine persönlichen Bedürfnisse am besten erfüllen, kannst du nur durch Ausprobieren und Erfahrungen herausfinden. Dazu musst du ab und zu aus deiner Komfortzone heraus und dich bewusst auf ungewohnte Situationen einlassen, beziehungsweise auf solche, die deine aufgedeckten Schwächen trainieren.

Eine Methode, die dabei hilft, ist die sogenannte Kraftfeldanalyse. Damit kannst du treibende und bremsende Faktoren identifizieren, die dein Handeln bestimmen, und feststellen, wo deine Komfortzone anfängt und wo sie aufhört. Dazu erstellst du dir eine Mindmap, die so aussieht:

  • In der Mitte steht die Aufgabe, die dich besonders herausfordert – oder vor der du großen Respekt hast.
  • Daneben schreibst du alle Faktoren auf, die dir helfen können, diese Herausforderung zu meistern (beispielsweise Qualifikationen)
  • An einer anderen Stelle notierst du alle Faktoren, die dich davon abhalten.

Wahrscheinlich kommst auch du bei der Betrachtung zu der überraschenden Erkenntnis, dass dem Erreichen bestimmter Ziele oft nur deine eigenen negativen Gedanken im Weg stehen – nicht aber mangelnde Fähigkeiten.

Die Wirkung der Kraftfeldanalyse kannst du noch verstärken, indem du dir den gewünschten Ausgang einer Situation so lebendig vorstellst wie möglich. Positive Gedanken und Vorstellungen prägen das Handeln schließlich genauso stark wie negative. Wenn du dich also dabei erwischst, wie du mal wieder an deinen Fähigkeiten zweifelst und dich selbst schlechter redest, als du bist, solltest du versuchen, deine Gedanken bewusst in eine andere, positivere Richtung zu lenken. Statt "Ich schaffe das nicht", denke lieber an vergangene Erfolgserlebnisse und daran, wie dich deine Fähigkeiten zu diesen Erfolgen geführt haben. Daraus kannst du Kraft und Mut schöpfen, dich auch der neuen Herausforderung zu stellen. Ganz wichtig dabei: Nicht verzweifeln, wenn die Dinge nicht auf Anhieb funktionieren und dich die vergessene Mülltüte in der nächsten Woche doch wieder in Tränen ausbrechen lässt. Schließlich ist noch keine Meisterin vom Himmel gefallen.

Du gehst zu hart mit dir ins Gericht, wenn etwas nicht nach Plan läuft? Denke daran, was du einer Freundin in der gleichen Situation raten würdest und mache dann genau das für dich. Lerne, dich selbst mit all deinen Macken zu akzeptieren – dann kannst du Misserfolge auch besser wegstecken.