Er sieht aus, wie ein Smartphone, das zu lange mit Alice im Wunderland unterwegs war – also überdimensional groß. Aber es handelt sich um ein Hightech-Fitness-Tool des digitalen Zeitalters: Ein Spiegel, der zugleich ein Video-Screen ist und dich beim Training anleitet.
Ob dieses riesige Fitness-Gadget fürs Home-Gym nun eher wunderlich oder wunderbar ist, zeigt der Check unserer Redakteurin Martina.
Wesentlich günstiger als so ein Riesentool und mindestens so effizient sind unsere professionellen Trainingspläne:
Was ist ein digitaler Fitnessspiegel?
Das Prinzip kenne ich bereits aus dem Gym: Fürs Training brauche ich (und vor allem mein innerer Schweinehund) erstens jemanden, der mich dazu anleitet und zweitens einen Spiegel, in dem ich mich selbst beobachten und gegebenenfalls korrigieren kann. Je nach Workout-Wahl kommt drittens noch das passende Equipment hinzu.
Alle drei Punkte vereinen sich in den sogenannten digitalen Fitnessspiegeln, die sich mittlerweile jede:r nach Hause ordern kann. Sie sind je nach Modell und Hersteller zwischen 1,50 und 1,80 Meter groß, haben unzählige Fitness-Kurse per Stream intus und sehen auf den ersten Blick aus wie ein normaler Ganzkörper-Spiegel.
Du möchtest ohne Spiegel direkt loslegen und in 8 Wochen zu Hause Fett verbrennen? Dann hilft dir dieser Trainingsplan fürs Home-Gym:
Wie funktioniert ein smarter Fitnessspiegel?
Die Geräte laufen über Bluetooth und W-LAN. So konnte ich nach einer Anmeldung per Smartphone-App (ich mit der herstellereigenen, andere laufen über die App IFIT) zwischen unzähligen gespeicherten Kursformaten wählen, die mir per Stream angezeigt werden.
Heißt konkret: Im oberen Bereich des Spiegels turnt mir jemand vor, im unteren sehe ich mich selbst und vergleiche meine Bewegungen direkt mit denen des Coaches. Der spricht auf Deutsch und/oder Englisch wie in einer Live-Session (beim VAULT-Spiegel gibt es dazu Untertitel in 9 Sprachen), unterstützt damit die korrekte Ausführung und motiviert zum Durchhalten. Bei meinem Hersteller ist neben der Datenbank auch ein Livestream abrufbar. Einige Leute brauchen ja einen festen Termin, um aktiv zu werden ...
Welche besonderen Features bietet der Fitness-Spiegel?
Der Anbieter meines Spiegels ermöglicht auch Live-Trainings mit einem Personal Coach, der mich über den Spiegel anruft und per integrierter Kamera mit mir interagiert. So bekam ich im Gespräch mit meinem PT Sebastian wertvolle Tipps gegen meine verkürzten Hüftbeuger. Und danach beamte er mir wie gewünscht einen persönlichen Trainingsplan für mehr Kraft auf den Spiegel inklusive Erinnerungsfunktion.
Die einzelnen Übungen sind hier mit echten Menschen, also nicht mit Avataren aufgezeichnet, was auch hier für Gym-Atmosphäre in den eigenen vier Wänden sorgt. Cool ist auch, dass ich meine Fitnesstracker wie den WHOOP 4.0 oder den Forerunner 265 von Garmin mit dem Spiegel verbinden kann und mein Puls ebenfalls auf dem Spiegel eingeblendet wird. Genau wie die Zeit, die das Workout noch dauert, was mich bei der Stange hält. Zudem ist bei meinem Gerät jedes Workout mit passender Musik hinterlegt, die sich unabhängig von der Trainerstimme lautstärkemäßig regulieren lässt. Wer mag, kann auch seine Spotify-Liste auf den Spiegel laden, ich bin da lieblos und nehme, was kommt.
Welche Fitnessspiegel-Modelle gibt es?
In Deutschland sind bislang digitale Fitnessspiegel von vier Marken zu haben: dem deutschen Start-up VAHA sowie den amerikanischen Kollegen NordicTrack, Horizon und Pro-Form. Sie arbeiten alle nach dem gleichen Prinzip: Fitnesskurs auf dem Spiegel auswählen und gleichzeitig mit einem Trainer beziehungsweise einer Trainerin aktiv sein.
Im Vergleich zeigen sich die Unterschiede durch das Bewegungsangebot und/oder den Lieferumfang sowie die Umsetzung des Spiegels – und das (Achtung, Wortwitz) spiegelt sich im Preis wider, hier eine Übersicht:
- So kommt zum Beispiel der VAULT von Nordic Track (ab 1600 Euro) als Schrank mit Spiegel-Schiebetür daher, der in der teureren Variante (um 2000 Euro) mit Equipment wie Kettlebells, Hanteln und Yogablöcke gefüllt ist.
- Aufgeräumt geht es auch beim VUE von ProForm (um 1600 Euro) zu, er punktet an der Rückwand mit Halterungen für mitgelieferte Lang- und Kurzhantel(n).
- Beim Kollegen von VAHA gibt es bei beiden Modellen (ab 2000 Euro) zunächst nur Widerstandsbänder, nach 30 Tagen alias Abschluss des monatlichen Abos dann ein Set verstellbare Kurzhanteln obendrauf. Hier müssen die Tools jedoch extern verstaut werden, der Spiegel bietet jedoch ein deutlich umfangreicheres Workout-Angebot als seine Mitbewerber.
- Der @mirror von Horizon (um 2400 Euro) wird ohne Extra-Tools geliefert, weist aber ein viel größeres Display als die übrigen Spiegel auf und ist nur per App übers Smartphone steuerbar. Gut für alle, die keine Finger-Tapser auf Spiegeln mögen. Die sind nämlich ein echter Minuspunkt, gerade wenn auch Kinder den Spiegel nutzen. Und auf diese Weise ist eine Navigation ohne Aufstehen möglich – gerade beim Yoga hilfreich. Zudem gibt es die Möglichkeit, sich über die Kamera mit anderen Trainings-Buddys zu verabreden und zusammen zu trainieren, wenn diese auch diesen Spiegel besitzen.
Wo kann ich einen digitalen Fitnessspiegel kaufen?
Klar, natürlich nicht im Supermarkt nebenan. Du musst ihn dir online entweder auf der Hersteller-Seite oder beim Versandhändler wie zum Beispiel Sport-Tiedje bestellen und liefern lassen. Den von mir getesteten Spiegel kannst du hier direkt bestellen. Mein Exemplar haben die Lieferanten nicht nur bis an seinen Platz getragen, sondern auch aufgebaut und den Karton wieder mitgenommen. Ich musste den Spiegel nur noch mit meinem W-LAN connecten und mich per Smartphone-App mit dem Spiegel verbinden, los ging's.
Welche Sportarten bietet ein digitaler Fitnessspiegel an?
Die bessere Frage lautet eher: Welche Kurse bietet ein digitaler Fitnessspiegel NICHT an, denn die ist schneller zu beantworten: Schwimmen, Skifahren und Teamsport. Alles andere – von Kraftsport mit und ohne Geräten, Tanz-Workouts, Yoga, BBP, Stretching, Pilates, Health (wie Einheiten gegen Kopfschmerzen oder Hüftprobleme), Meditation und Bootcamp ist dabei.
Sogar Vorschläge für Lauf-Einheiten stehen beziehungsweise laufen im Angebot. Bei meinem VAHA kann ich zwischen dem Leistungslevel, dem Tool, der Trainingslänge, dem Coach und der Körperregion wählen. 51 Minuten Full-Body-Workout mit Chris und Kurzhanteln oder 30 Minuten Upper-Body mit Yvonne und der Langhantel kann ich nur empfehlen ...

Für wen eignet sich ein Fitnessspiegel?
Für alle, die gerne Sport machen – und deren Familien, WG-Kollektiv oder Freund:innen. Denn die Spiegel bieten je nach Hersteller bis zu 7 Nutzerprofile. Aus eigener Erfahrung kann ich nur raten, jedes Mal zu checken, ob du das richtige Profil ausgewählt hast. Sonst wird die Langhantel-Session schneller dem Mann aufs Punkte-Konto gutgeschrieben, als du deine Erinnerungsfunktion, endlich wieder aktiv zu werden, wegwischen kannst.
Teilweise gibt es sogar Extra-Kurse für Kids. Blöd ist nur, dass die nicht alle auf Deutsch angeboten werden, mit 3 und 7 Jahren sind die Englischkenntnisse meiner Mädels begrenzt. Vorkenntnisse im Fitnessbereich finde ich nicht zwingend notwendig, jedoch sollten Newbies unbedingt mit Einsteiger-Kursen starten und große Gewichte weglassen.
Was sind die Nachteile eines Fitnessspiegels?
Wo wir schon bei den Einschränkungen sind: erstes und größtes Manko ist natürlich der Preis. Um die 2000 Euro sind bei den meisten Menschen nicht mal eben aus der Portokasse zu zahlen. Ratenzahlung ist zwar möglich, jedoch zahlt man (wie immer) gegenüber einem Direktkauf drauf. Hinzu kommt in einigen Fällen das Abo, um neue Kurse laden oder Extras wie Live-Personal-Trainings nutzen zu können.
Zweite, wenn auch geringere, Einschränkung ist der zur Verfügung stehende Platz. Alle Spiegel lassen sich zwar an die Wand montieren, ragen aber in den Raum hinein und es braucht natürlich Spielraum, um sich ausladend bewegen zu können. Aber das ist die generelle Home-Gym-Herausforderung und da der Spiegel auch bei Nicht-Nutzung nicht nutzlos ist (man kann sich jederzeit von oben bis unten anschauen) würde ich das nicht als extrem störenden Punkt hervorheben.
Fazit: Ein Leben ohne Fitnessspiegel – undenkbar
Für mich bietet ein digitaler Fitnessspiegel viele Vorteile. Ich kann immer dann trainieren, sobald es gerade zeitlich passt – auch spontan um 22 Uhr abends, 6 Uhr morgens oder 10 Minuten in der Mittagspause. Ich muss meine Wohnung nicht verlassen und dusche daheim, der zeitliche Aufwand für ein Training hält sich also in Grenzen.
Die Action selbst ist durch die enorme Auswahl von über 1000 Kursen nie langweilig und wenn mir eine Einheit mal nicht gefällt oder ich doch zu kaputt für Action bin, swipe ich zur nächsten. Natürlich ist der finanzielle Aufwand mit rund 2000 Euro sehr hoch. Jedoch habe ich meine Mitgliedschaft im Gym gekündigt und die Outdoor-Gym-Kursreihe auf Eis gelegt, genau wie mein Mann. Als berufstätige Zweifach-Mama mit Pollen-Allergie kann ich mir (und er sich) regelmäßiges und effektives Training momentan nicht mehr anders vorstellen. Auch die Kinder würden ihre Ballett-Einheit à la Frozen und die Dschungel-Safari vermissen ...
Der Fitnessspiegel ist trotz hoher Kosten eine tolle Alternative für Sport-Fans, die zuhause trainieren, aber nicht die Vorzüge direkter Anleitung verzichten wollen. Das Kursangebot ist überwältigend. Wer alles nutzt, kommt locker auf seine oder ihre Kosten.