Breathwork: 3 Atemmethoden für innere Ruhe

Breathwork
Mit diesen Atemübungen wird einfach alles leichter

Veröffentlicht am 18.09.2024
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Foto: Schutterstock.com/Miljan Zivkovic

Hast du heute schon tief durchgeatmet? Na klar! Aber war es auch ein bewusstes Atmen? In dieser schnellen und leistungsorientierten Gesellschaft sind alles häufig angespannt - dein Nervensystem ist dadurch dauerhaft auf Alarm. Diese ständige Anspannung kann auf Dauer krank machen. Eigentlich ist die stressbedingte Reaktion des Körpers eine gute Sache: In der Urzeit bereitete sie die Menschen auf bedrohliche Situationen vor und versetzte sie in Fluchtmodus. Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol wurden freigesetzt, alle Sinne geschärft und die Atemfrequenz erhöht.

Durch einen anhaltend stressigen Lebensstil bleibt dein Körper allerdings oft in diesem Alarmzustand. Die Konsequenzen sind Schlafstörungen, Erschöpfung, Reizbarkeit, Ängste, Depressionen und auch körperliche Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck oder Magen-Darm-Erkrankungen sowie Hautausschläge oder häufige Erkältungen aufgrund eines geschwächten Immunsystems sind nicht ungewöhnlich bei anhaltendem Stress. Eine Studie der Techniker Krankenkasse zeigt, dass 38 Prozent der in Deutschland lebenden Erwachsenen regelmäßig unter Stress leiden, 23 Prozent sogar oft.

Wenn du merkst, dass auch du immer wieder unter Anspannung stehst, keine Sorge, es ist großartig, dass du hier bist und diesen Artikel liest. Das bedeutet, du machst den ersten Schritt dazu, besser auf dich zu achten!

Was ist Breathwork?

Ein Atemzug kann auf 3 Weisen erfolgen: kurz in die Brust, tiefer in den Bauch (Zwerchfell) oder oben im Schlüsselbein. Aber viele atmen im Alltag nur flach in die Brust. Das liegt daran, dass Menschen bequem werden, viele Frauen ziehen aber auch den ganzen Tag mehr oder weniger den Bauch ein und behindern sich dabei beim Durchatmen. Die Bauchatmung versorgt deinen Körper jedoch mit deutlich mehr Sauerstoff.

Genau dabei soll Breathwork helfen: Hier werden Atemübungen genutzt, um das Bewusstsein über den Atem zu stärken: "Letztendlich übersetzten wir Breathwork im Deutschen mit Atemarbeit oder Atemübung. Ich nenne es kontrollierte Atemarbeit, denn Atmen tun wir ja unterbewusst ständig. Es geht aber um bewusste Atmung, also gezielt langsam oder schneller atmen und Pausen einbauen", so die Breathwork-Lehrerin Josefine Roß, die früher selbst lange in stressigen Führungspositionen gearbeitet hat. Ihre Erkenntnis: Wer Breathwork regelmäßig übt, verinnerlicht die Techniken auch im Alltag und wird wesentlich entspannter und belastbarer.

Bild von der Breathwork-Trainerin Josefine Roß
Anna-Lena Ehlers

Was braucht man für eine Breathwork-Session?

Du kannst dir nicht vorstellen, eine Stunde lang einfach nur vor dich hinzuatmen? Keine Sorge, bei Breathwork passiert so einiges mehr! Eine Session sieht, je nach Methode, etwas anders aus. Aber du kannst auch ganz alleine zu Hause für dich üben.

Grundsätzlich startet jede Breathwork-Session gleich: Erst einmal im Moment ankommen. "Also mit langsamen Atemzügen erst einmal beobachten: Wie ist heute die Atmung?", so Josefine Roß.

Um es dir besonders gemütlich zu machen, können einige Utensilien sehr nützlich sein:

  • Du kannst gerne eine Yogamatte nutzen.
  • Du kannst dich auch auf ein Meditationskissen setzen.
  • Wenn du magst, zünde dir Duftkerzen oder Räucherstäbchen für das perfekte Rundumpaket an.
  • Schalte dir entspannte Musik ein – oder entscheide dich bewusst dagegen, um noch fokussierter zu sein.

"Im zweiten Schritt, je nach Thema und Methode, geht man in die bewusstere Atemarbeit. Eine Session erfolgt dabei im Sitzen oder im Liegen, gefolgt von dynamischen Atem-Ritualen, die bis zum Hyperventilieren führen können", so die Trainerin. Kurz gesagt: Es geht um schnelles Ein- und Ausatmen mit eingebauten Pausen. "Bei den Pausen wird der Körper vorübergehend nicht mit frischem Sauerstoff versorgt. Die Reaktion des Körpers: Hände und Füße können anfangen zu kribbeln und oft verändert sich die Körpertemperatur", so Josefine Roß. Willst du das auch mal spüren? Übe bitte nur, wenn du fit bist, nicht schwanger bist und keine Erkrankungen wie Herz-Kreislaufbeschwerden hast.

Wie sind die Reaktionen bei einer Breathwork-Session?

Zuerst: Jeder Mensch ist anders! Egal, welche Reaktion du zeigst, sie ist nicht besser oder schlechter als eine andere Reaktion. Die Trainerin berichtet: "In jeder Session passiert etwas, aber immer etwas anderes. Einmal wird dir warm, das andere Mal vielleicht kalt". Oftmals kämen auch Emotionen hoch: aufgestaute Wut oder Trauer etwa. Die Trainerin erklärt: "Das sind Emotionen, die wir über Jahre versteckt haben und die unser Gehirn versucht zu unterdrücken, um uns nicht ständig daran zu erinnern".

Viele Menschen unterdrücken ihre Emotionen, weil sie früh gelernt haben, dass bestimmte Emotionen nicht erwünscht sind. Sprüche wie: "Männer weinen nicht!", "Sei nicht so sensibel!" oder "Was sollen die Leute denken!", kennen wir sicher alle. Josefine Roß erklärt: "Emotionen kannst du viel besser und nachhaltiger verarbeiten, wenn du öfter Breathwork machst. Ganz nach dem Motto: You got to feel it to heal it." Also: Du musst es fühlen, um es zu heilen. Es kann auch passieren, dass du während einer Session kreativ wirst, Themen siehst, die du endlich angehen willst oder dir wird klarer, was du mit deinem Leben noch machen möchtest!

Warum sollte ich Breathwork machen?

Warum du Breathwork machst, ist natürlich deine Entscheidung. Es gibt viele verschiedene Gründe. "Ich lehre Breathwork hauptsächlich, um in den Körper zurückzukommen, ihn wieder zu hören und zu merken: Wie geht es mir wirklich?", so die Breathwork-Trainerin. Den ganzen Tag sind wir gestresst, rennen von Termin zu Termin. Wir müssen funktionieren und achten selten darauf, wie es uns eigentlich geht. Breathwork ist ein Tool, um im Alltag wieder mehr zur Ruhe zu kommen und das Bewusstsein über das eigene Körpergefühl zurückzubekommen.

Das bewirken Atemübungen im Körper

Die Atemübungen können noch viel mehr bewirken: "80 Prozent der Menschen atmen zu flach und nur noch im Brustkorb. Du lernst den gesamten Körper zu nutzen, also Bauchatmung einzubringen. Dadurch gelangt mehr Sauerstoff in deinen Körper, in deine Zellen und somit in dein Gehirn. Die Zwerchfellatmung trägt dazu bei, die Lunge zu erweitern und die Effizienz der Sauerstoffaufnahme und -versorgung zu erhöhen. Sie stärkt die Brustmuskulatur, verbessert die Verdauung und die Schlafqualität und stärkt das Immunsystem durch Stressabbau", erklärt Josefine Roß.

Breathwork kann aber auch helfen, Schmerzen im Körper zu reduzieren: "Jede Form von Schmerz ist Stress für den Körper. Entspannung, die durch das längere Ausatmen erfolgt, führt zu einem Rückgang der Schmerzempfindungen. Die Atmung kann dazu beitragen, die Herzfrequenz und den Blutdruck zu regulieren, was wiederum die Schmerzreaktion des Gehirns beeinflusst. Tiefes Atmen, auch bekannt als Zwerchfellatmung, kann helfen, chronische Schmerzen zu bewältigen, und ist eine wichtige Technik zur Unterstützung bei Schmerzpatienten", weiß Josefine Roß.

Frau hält sich beim Einatmen mit dem Ring- und kleinen Finger ein Nasenloch zu.
Shutterstock

Was kann Breathwork im Gehirn bewirken?

Der Vorteil bei Breathwork: Du konzentrierst dich einfach nur auf deinen Atem. Vielleicht hast du es mit Meditation versucht und gemerkt: Du sitzt da und schweifst ab. Dann denkst du an die Vergangenheit, die Zukunft oder an die To-do-Liste die du noch abarbeiten musst.

Anders geht das bei Breathwork: Wenn du dich auf deinen Atem konzentriert, wirst du nicht von anderen Gedanken abgelenkt und deine Gehirnfrequenzen ändern sich sogar: "Innerhalb der Breathwork Session verlagern sich deine Gehirnfrequenzen in tiefere Meditationszustände, da wir bewusster und tiefer atmen als im Alltag. So kommen wir von alltäglichen Betawellen zu Alphawellen, den Gehirnwellen, die du kurz vor dem Schlafen hast, bis hin zu Thetawellen (Hypnose)", so die Expertin Josefine Roß.

Tipp: Auch beim Sport ist die richtige Atmung wichtig!

Welche Breathwork-Methoden gibt es?

Was Breathwork ist, kannst du am besten verstehen, wenn du es einfach selbst mal ausprobiert hast! Hier findest du drei der bekanntesten Breathwork-Methoden, die du direkt ungestört zu Hause ausprobieren kannst.

Wichtig: Solltest du die Übungen zum ersten Mal machen, höre besonders stark auf deinen Körper. Gerade am Anfang können die Auswirkungen besonders intensiv sein. Wird dir unwohl, höre sofort auf. Bist du schwanger, hast du Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder fühlst dich nicht fit, konsultiere vorher eine:n Ärzt:in.

Coherent Breathing

Beginnen wir mit der simpelsten Methode: Coherent Breathing. Coherent – auf Deutsch: kohärent, bedeutet so viel wie stimmig oder phasengleich. Für die Praxis wird 5 Sekunden tief in den Bauch eingeatmet und 5 Sekunden ausgeatmet. Durch die Übung sollen Herzschlag und Blutkreislauf wieder in Einklang kommen. Zudem verlängerst du mit der Übung deinen Atem und gehst damit gegen die Kurzatmigkeit unserer Zeit vor. Also let's breathe iiiin and oooout!

Wim-Hof-Breathing

Die "Wim-Hof-Methode" wurde nach ihrem niederländischen Erfinder benannt. Vielleicht hast du schon mal von ihm gehört? Der Extremsportler, auch bekannt als "The Iceman", hält mit der Hilfe seiner Atemmethode Rekorde, selbst in der Kälte und das über längere Zeit. "Die Wim-Hof-Methode ist eher eine Performance und ein Power-Paket, um das Immunsystem zu steigern und Stress-resilienter zu werden. Mit der Zielfrage: Wie viele Minuten kannst du den Atem anhalten?", so die Trainerin.

Für die Ausführung kannst du dich setzen oder hinlegen. Es ist eine Praxis, die durch 20-30 Zyklen erfolgt. Ein Zyklus beinhaltet eine tiefe Einatmung und eine lange Ausatmung, zuerst in den Bauch und dann bis in die Brust. Zwischen den Zyklen gibt es keine Pausen. Der Atem erfolgt ohne Druck. Nach der letzten Ausatmung wird der Atem so lange wie möglich angehalten. Wenn der Drang zum Einatmen kommt, wird dem nachgegangen. Der Atem wird dann noch einmal für ungefähr 20 Sekunden gehalten. Es kann sein, dass deine Hände und Füße anfangen zu kribbeln.

Beachte: Höre auf die Signale deines Körpers! Wenn dir also schwindelig wird, solltest du pausieren. Safety first!

Holotropes Atmen

High werden ohne Drogen? Das geht, sagen Fans der Methode. Sie behaupten, dass man durch Holotropes Atmen in eine Art Trance-Zustand komme. Diese Praxis wird in Gruppen mit einem Leiter praktiziert. Es bilden sich Paare, also jeweils eine Person, die bewusst atmet, und eine, die auf die erste aufpasst. Wer die Atemübung durchführt, liegt dabei auf dem Rücken. Einatmen erfolgt durch die Nase, ausatmen durch den Mund, und zwar ohne Pause. Der Körper hyperventiliert durch die Praxis.

Oftmals wird währenddessen Musik gespielt und es kann auch Körperarbeit wie z. B. Massagen erfolgen. Die Teilnehmer:innen sollen dann alle Emotionen, Gedanke oder Bewegungen zulassen. Meist folgen dabei emotionale Ausbrüche oder Träumereien. Die Erfahrungen können schriftlich festgehalten oder in der Gruppe ausgetauscht werden. Wenn du bereit bist, dein Inneres mal so richtig aufzuräumen, kannst du nach passenden Kursen in deiner Nähe Ausschau halten.

3 Breathwork-Übungen für den Alltag

Neben Sport, Arbeit und anderen Hobbys hast du keine Zeit für eine Breathwork-Session? Dann integriere Breathwork doch einfach in deinen Alltag! Ein Tipp ist es, dir bewusst im Alltag Zeit zu nehmen, einmal durchzuatmen. Bleib beim nächsten Mal, wenn du vor die Tür gehst, doch einfach mal stehen und atme ein paar Mal tief durch. Spüre: Was macht das mit deinem Körper? Wie fühlt sich das an?

Hier kommt ein kleines Tutorial von Josefine zur Wechselatmung, die du jederzeit zur Entspannung oder vor dem Einschlafen machen kannst:

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Eine typische Übung, die du aus dem Yoga vielleicht schon kennst, ist die "4-7-8-Atmung". Also 4 Sekunden einatmen, 7 Sekunden halten und 8 Sekunden ausatmen. Die Trainerin erklärt: "Dadurch, dass wir länger ausatmen, wird der Parasympathikus angesprochen. Der gehört zu unserem autonomen Nervensystem, und signalisiert uns, dass wir entspannen".

Eine weitere Übung ist die Box-Breathing-Methode, also 4 Sekunden einatmen, für 4 Sekunden den Atem halten, für 4 Sekunden ausatmen und wieder für 4 Sekunden halten. Auch diese Methode bringt dir Ruhe.

Tipp: "Transformierende Sessions solltest du mit einem Lehrer machen. Wenn du für den Alltag besser atmen willst, kannst du auch immer Audiosessions oder YouTube-Videos mit Führung dazu hören. Es ist eben einfacher mit Anleitung. Aber wenn man es ein paar Mal mit Anleitung gemacht hat, kann man schauen: Was tut mir gut? Um festzustellen, was einem am Tag weiterhilft", so die Expertin. Wenn du mehr zu dem Thema Breathwork lesen möchtest, wie wäre es mit dem Buch "Atemübungen für eine höhere Lebensqualität"(Independently published)?

Für wen ist Breathwork nicht geeignet?

Grundsätzlich kann jeder Mensch Breathwork nutzen. Dennoch gibt es Situationen, in denen du Breathwork lieber nicht praktizieren solltest. Die Trainerin rät von den speziellen Atemübungen ab, wenn du schwanger bist: "Je nachdem, welchen Kurs du besuchst, solltest du darauf achten, dass du nur verbunden atmest, also Conscious Breathing oder Connected Breathing machst. Also du hältst weder die Luft an, noch machst du dynamisches Atmen, das wäre für die Schwangerschaft nicht gut", so die Trainerin Josefine Roß.

Außerdem solltest du Breathwork vermeiden, wenn du gerade eine Operation hinter dir hast: "Der Körper hat gerade andere Baustellen, an denen er arbeitet, deshalb solltest du ihm die Zeit geben zu heilen". Zwar kann Breathwork helfen, dein Stresslevel zu verringern, trotzdem solltest du, wenn du unter Panikattacken oder Angstzuständen leidest, vorher einmal mit einem Arzt, einer Ärztin, einem Therapeuten oder einer Therapeutin darüber sprechen.

Breathwork ermöglicht es dir, mithilfe von Atemtechniken bewusster zu entspannen und eine tiefe Verbindung zu deinem Körper aufzubauen. Diese Praxis kann nicht nur Schmerzen lindern und dein Immunsystem kräftigen, sondern auch dein Lungenvolumen vergrößern. Du kannst diese Atemübungen unkompliziert in deinen täglichen Ablauf einbauen: Trau dich und probiere es einfach aus!