Sie stehen auf einer Matte und schauen ihrem Gegenüber in die Augen. Jetzt ist höchste Konzentration gefordert, denn jeden Moment könnte Ihr Gegner mit einem Kick oder Schlag den Kampf beginnen. Angst haben Sie aber keine, denn Sie wissen genau, wie Sie einen Angriff abwehren können. Karate ist mehr als nur eine Sportart, es ist eine Lebensschule.
“Karate ist sowohl eine Kampfkunst als auch ein Kampfsport“, erklärt Samad Azadi, Vizeweltmeister im Karate und Trainer der Karate Academy Hamburg. „Es vereint die klassischen, traditionellen Elemente der Kampfkunst mit der Philosophie des Zen–Buddhismus.“ Als Kampfsport hat Karate natürlich eine wettbewerbsorientierte Seite. Anders als wir das aus vielen Martial Arts Filmen kennen, geht es beim Karate aber nicht um das durchschlagen von Brettern, sondern viel mehr um das Dō, also den Lebensweg oder auch die Lebenseinstellung des Schülers.
Karate (dt. “leere Hand“) ist eine der wohl bekanntesten und meistbetriebenen Kampfsportarten der Welt. Im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiedene Stilrichtungen, die unter den 4 Hauptströmen Gōjū-Ryū, Shitō-Ryū, Wadō-Ryū und Shōtōkan zusammengefasst werden können. Shotokan Karate ist das am weitesten verbreitete System. Als Begründer dieser Karate-Schule gilt der von der japanischen Insel Okinawa stammende Gichin Funakoshi. Charakteristisch für diese Form von Karate ist ein tiefer Stand, der besonders dynamische und kraftvolle Bewegungen möglich macht. “Zuerst lernt man Stand und Atemtechnik, dann kommen technische Elemente wie Fauststöße oder Kicks“, sagt der Lehrer.
1. "Rei": Die Begrüßung
Als Ausdruck von Höflichkeit und Respekt beginnt ein typisches Training mit dem Begrüßungsritual, bei dem man sich verbeugt.
2. Aufwärmen
Nach dem Ritual beginnt die Aufwärmphase. Hier treffen wir auf klassische Elemente wie Hampelmann und funktionelle Dehnungs- und Kräftigungsübungen. Zum Aufwärmprogramm eines ausgewogenen Karatetrainings gehören außerdem Koordinationsübungen, erklärt Azadi.
3. Übungen
Shotokan Karate ist ein waffenloser Sport, der sich vor allem durch geradlinige Tritt-, Stoß-, Schlag- und Blocktechniken auszeichnet. Ihre Arme und Beine werden zu Ihren einzigen Waffen. Sie trainieren vor allem Ihre Schnellkraft, denn Sie versuchen praktisch aus dem Stillstand Hände und Füße mit einer hohen Geschwindigkeit zu schlagen. Das erfordert ein hohes Fitnesslevel und bringt Sie richtig ins Schwitzen.
4. Partnertraining
Nachdem Sie die ersten Übungen allein absolviert haben, geht es ans Partnertraining, wo Sie das Gelernte im Kampf anwenden. Dabei werden Sie von einem Trainer angeleitet, sodass Sie die Techniken richtig ausführen. Viele denken, Karate sei eine Sportart, bei der man nur mit Armen und Beinen agiert, aber tatsächlich geht es dabei um eine Ganzkörperbewegung, die aus der Mitte gesteuert wird, erklärt der Meister.
Wie schon erwähnt ist Karate mehr als nur eine Sportart. Es ist eine Lebenseinstellung. Dementsprechend hat der Begründer des Shotokan-Karate Funakoshi Gichin basierend auf seiner Lebenserfahrung 20 Regeln aufgestellt, die alle Karate-Schüler auf Ihrem Weg (Dō) berücksichtigen sollen und die ihnen auch außerhalb des Sports den Weg weisen:
Tipps für mehr Achtsamkeit im Alltag
Die Einstufung des Könnens erfolgt im Karate über ein Gürtelsystem. Das System unterscheidet zwischen Schülergraden, den sogenannten „Kyū“, und Meistergraden, den „Dan“. In dem in Deutschland meistverwendeten System gibt es 9 Kyū- und 10 Dan-Grade. Um den nächsthöheren Gürtel zu erlangen, muss eine Prüfung abgelegt werden.
Grundstufe (9. bis 7. Kyū): Die Gürtel bieten vor allem für jüngere Anfänger, eine Motivation weiterzumachen und besser zu werden.
Mittelstufe (6. bis 4. Kyū): “Um von der Grundstufe zur Mittelstufe aufzusteigen, können Sie ungefähr 1-2-jähriges Training einplanen“, erklärt der Meister.
Fortgeschritten (3. bis 1. Kyū): Den braunen Gürtel erlangen Sie nach ungefähr 3-5-jährigem Training.
Dan Grad: Das Erlangen des berüchtigten “schwarzen Gürtels“ ist nach etwa 5-7 Jahren intensiven und regelmäßigen Trainings möglich. “In der Szene heißt es, das echte Karatetraining beginne erst, nachdem man den schwarzen Gürtel hat“, sagt Azadi.
Je nach Lebensphase ändert sich oft die Perspektive auf den Sport. Im Jugendalter können Turniere oder der nächste Gürtel ein großer Anreiz sein, ältere Karateka schätzen vor allem das Selbstbewusstsein und die körperliche Fitness, die sie durch das Training erlangen. Die abwechslungsreichen Trainingseinheiten fördern Ihre Kondition und verbrennen nebenbei auch ordentlich Kalorien.
Doch anders als viele Frauen oft befürchten, sind Kraft und Körperstatur beim Karate nicht entscheidend, sondern vielmehr Schnelligkeit, Geschick und die korrekte Ausführung der Übungen. Auch wenn Karate als Kampfsport auch der Selbstverteidigung dienen kann, warnt der Experte davon ab zu glauben, nach wenigen Wochen könne man sich mit dem Gelernten in Gefahrensituationen selbst verteidigen. “Bei Karate geht es nicht um den schnell sichtbaren Erfolg, sondern darum die Techniken wirklich zu verinnerlichen. Es erfordert jahrelanges Training, bis diese auch in einer realen Gefahrensituation automatisiert abrufbar sind.“ Bis dahin fördert Karate neben der körperlichen Fitness auch die mentale Stärke und das Selbstbewusstsein, was sich auf das gesamte Auftreten auswirkt.
Welcher Körperfettanteil ist bei Frauen ideal?
Nehmen Sie die einzelnen “Dojos“, wie die Vereine oder Clubs auch genannt werden, genauer unter die Lupe! Meist kann man dort eine kostenlose Probestunde vereinbaren.
“Wer in ein Dojo kommt sollte sich als Frau vor allem wohl und nicht in der Unterzahl fühlen“, so der Trainer. Beobachten Sie wie die Trainer mit den Schülerinnen umgehen und welches Konzept des Kampfsports sie vermitteln.
Haben Sie Freunde die bereits Karate machen oder haben bei der Probestunde jemanden kennengelernt? Dann stellen Sie dieser Person alle ihre Fragen. Das Zugehörigkeitsgefühl ist beim Karatesport extrem wichtig, meint Azadi. “Egal wo ich auf der Welt bin, ich treffe dort oft auf andere Karateka. Es ist eine sehr große und lebendige Szene und wir sind wie eine große Karatefamilie“.
“Natürlich gibt es beim Karate wie bei fast jeder Sportart auch ein Verletzungsrisiko“, so der Europameister. Diese ist laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) allerdings deutlich geringer, als zum Beispiel bei Ballsportarten. Azadi erklärt: “Bei Karate will man die Kontrolle erlangen. Sie lernen die Kraft zu kontrollieren, Schläge und Kicks auszuführen, aber nicht mit dem Ziel richtig zuzuhauen. Diese Kontrolle erfordert weit mehr Selbstbeherrschung und Kraft als sich viele vorstellen“.
Wenn Sie Spaß am sportlichen Wettkampf haben und nebenbei auch noch ordentlich fit werden wollen, dann sollten Sie mit Karate anfangen. Letztlich geht es aber nicht um den Sieg oder die Niederlage, sondern darum persönlich zu wachsen.