Manche Mütter möchten den ganzen Tag nur mit ihrem Baby im Bett kuscheln, andere kaufen sich schon in der Schwangerschaft einen Jogger-Kinderwagen, um gleich nach der Geburt mit dem Training anzufangen. Doch halt Stopp! Du solltest weder das eine noch das andere ausschließlich tun, denn zuerst ist Rückbildungs-Gymnastik angesagt. Warum die so wichtig ist, welche Beckenbodenübungen du zu Hause durchführen kannst und ob ein Rückbildungskurs von der Krankenkasse übernommen wird, wir haben Hebammen und Trainerinnen gefragt.
Schwangerschaft, Geburt und Rückbildung: Zeit der Körperveränderungen
Während deiner Schwangerschaft hat sich dein Körper langsam aber stetig verändert. Du hast zugenommen, deine Bauchmuskeln haben sich geweitet, dein Beckenboden musste das Gewicht des Babys halten und sich unter der Geburt weit dehnen. Nun ist dein kleiner Schatz endlich da, doch dein Körper scheint um Jahre gealtert zu sein. Deine Bauchdecke hängt schlaff herab, als sei sie ein ausgeleierter Luftballon. Und nicht selten werden frischgebackene Mütter auf den Klinikfluren gefragt, wann es denn endlich so weit sei. Kurz: Wenn du nicht glücklich über die Geburt deines Kindes wärst, wäre dir zum Heulen.
9 Monate hin und 9 Monate zurück: Beckenboden trainieren
Kein Grund zur Panik, beruhigen Frauenärzte und Frauenärztinnen sowie Hebammen und Physiotherapeuten einhellig. Dein Körper wird sich wieder erholen. Gib ihm Zeit und zwar so lange, wie deine Schwangerschaft gedauert hat: 9 Monate, um genau zu sein. Die beste Medizin: Rückbildungsgymnastik mit Beckenbodenübungen und die bekommst du auf Rezept von deiner gesetzlichen Krankenkasse gezahlt.
Info-Box: Welche Rückbildungskurse übernimmt die Krankenkasse? In den meisten Fällen übernehmen die Krankenkassen mindestens 10 Stunden der Gebühr eines Rückbildungskurses bei anerkannten Anbietern (meist Physiotherapeutinnen und Hebammen). Die Einschränkung: Es gibt die Vorgabe, dass der Kurs bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nach der Geburt abgeschlossen sein soll, in der Regel bis zum Ende des 9. Monats nach der Geburt.
Warum Rückbildung für deine Gesundheit so wichtig ist
Bei der Rückbildungsgymnastik geht es darum, den Beckenboden nach der Geburt wieder funktionsfähig zu machen, erklärt Juliana Afram, zweifache Mutter, Yogalehrerin und Physiotherapeutin. In ihrem Buch „Vom Wochenbett zum Workout“ zeigt sie Übungen, die Beckenboden und Bauch stabilisieren.
Diese Beckenbodenübungen sind nicht nur wichtig für den Einstieg in Alltag und Sport, sondern auch eine Investition ins gesunde Älterwerden, da sie laut Studien altersbedingte Inkontinenz vorbeugen. Zudem fördern sie die Rückbildung einer Rektusdiastase, der sogenannten Spaltung der geraden Bauchmuskeln. Studien belegen außerdem: Sport während und nach der Schwangerschaft kann das Risiko für eine postnatale Depression deutlich senken.
Erst Rückbildungsgymnastik, dann Sport

Bevor du nach der Schwangerschaft wieder mit deinem regulären Sportprogramm einsteigst, braucht dein Beckenboden erstmal Regeneration. Dafür gibt es ein paar einfache Übungen, die du zuhause machen kannst. 
Straffe Bauchdecke, stabiler Beckenboden und zahlreiche gesundheitliche Benefits – das sind Versprechungen, die dich sofort motivieren ein paar Sit-ups und Planks durchzuführen? Doch genau das solltest du nicht tun, rät Juliana Afram. Bevor du mit dem Bauch-Beine-Po-Training oder Pilates durchstartest, muss dein Beckenboden gefestigt werden, ansonsten gerät dein Körper in eine regelrechte Schieflage. Bevor du deine äußeren Bauchmuskeln stärkst, solltest du deshalb deinen Beckenboden trainieren.
"Bei der Rückbildung arbeiten wir unter anderem daran, das Becken wieder auszurichten", sagt Afram.
3 Dinge sind der Trainerin beim Beckenbodentrainieren besonders wichtig:
- Beckenbodenphysiotherapie und ein gezieltes Rückbildungstraining sind das Fundament für alle folgenden Sportarten wie Joggen, Krafttraining oder CrossFit.
- Rückbildung nach der Geburt braucht Zeit, mit 9 bis 12 Monaten solltest du rechnen.
- Es ist niemals zu spät, um mit der Rückbildung anzufangen.
Tipp von Juliana Afram: Übertreibe es nicht! "Wenn wir den Beckenboden die ganze Zeit so fest anspannen, kann er schnell verkrampfen. Genauso wichtig wie das Anspannen ist auch das Loslassen."
Die besten Übungen für einen stabilen Beckenboden

Die Beckenboden-Muskulatur wird im Alltag selten trainiert, weshalb sich das gezielte Anspannen zunächst komisch anfühlen kann. Mit ein paar simplen Übungen überlastest du deinen Körper nicht und stärkst deine Muskulatur.
Weil ein kräftiger Beckenboden für Haltung, Blase und innere Organe wichtig ist, solltest du lieber früher als später mit Rückbildungsgymnastik und Beckenbodentraining beginnen. Unter bestimmten Voraussetzungen kannst du sogar schon im Wochenbett mit sanften Rückbildungsübungen beginnen (s.u.), die du dann langsam steigerst. Theoretisch sind Beckenbodenübungen für Frauen bis ins hohe Alter empfehlenswert – ganz besonders, wenn sie mehrere Geburten hatten. Regelmäßiges Training beugt Inkontinenz vor und steigert das Körperbewusstsein. Nicht nur Frauen profitieren von gezielten Beckenbodenübungen, auch Männer können mit Beckenbodentraining die Stabilität ihrer Beckenregion verbessern.
Der Klassiker ist folgende Übung, die du überall durchführen kannst:
- Beckenboden anspannen: Sitzen, Muskeln wie beim Anhalten von Urin anspannen, 5 Sekunden halten. Loslassen und wiederholen.
Rückbildung im Wochenbett
Nach der Geburt braucht dein Körper Zeit, um sich zu erholen – mindestens 2 Wochen.
Denn in dieser Zeit
- stellt sich dein Hormonhaushalt um
- schießt die Muttermilch ein
- bildet sich deine Gebärmutter wieder auf Normalmaß zurück
- verheilen Geburtsverletzungen wie Dammriss, Dammschnitt oder die Kaiserschnittnarbe Schritt für Schritt
- Kaiserschnittnarbe Schritt für Schritt
Empfehlung der AOK zu Rückbildung im Wochenbett:
Trotz deiner körperlichen (und auch seelischen) Veränderungen kannst du bereits im Wochenbett mit sanften Rückbildungsübungen beginnen, schreibt die AOK auf ihrer Webseite und empfiehlt:
"Wenn sich die Wöchnerin gut fühlt (…) kann sie schon nach zwei bis drei Tagen mit leichten Rückbildungsübungen beginnen."
Außerdem wird betont:
"Die ersten Rückbildungsübungen (…) sollen die Tiefenmuskulatur aktivieren."
Diese ruhigen Bewegungen helfen bei der Rückbildung, ohne deinen Körper zu überlasten:
- Atemübung mit Beckenboden: Beim Ausatmen sanft anspannen, beim Einatmen lockerlassen
- Knie-Anspannung: Rückenlage, Beine aufstellen, Bauch beim Ausatmen sanft nach innen ziehen
- Beckenwiegen: In Rückenlage Becken leicht nach vorn und hinten kippen, Atmung mitführen
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Beckenboden Übungen für den Beginn
Nach dem Wochenbett starten Anfängerinnen mit einfachen Übungen im Liegen oder Sitzen. Wichtig ist, die Muskulatur bewusst wahrzunehmen und regelmäßig kurze Einheiten einzubauen. So wird der Beckenboden Schritt für Schritt stärker. Bei jeder Übung kommt es auf die konzentrierte und korrekte Ausführung an, nicht so sehr auf die Intensität und Belastung. Beachte deine Atmung und spüre, wie sich dein Körper innerlich anspannt.
- Brücke: Auf den Rücken legen, Beine aufstellen, Becken heben und den Beckenboden aktiv zusammenziehen, dann langsam loslassen und das Ganze wiederholen.
Rückbildung nach Kaiserschnitt

Auch nach einem Kaiserschnitt ist Beckenbodentraining sehr wichtig. Über 9 Monate wurde der Beckenboden stark belastet und wenn deine Narbe verheilt ist, sind Übungen für den Einstieg sinnvoll. 
Selbst nach einem Kaiserschnitt braucht dein Beckenboden ein Training. Dein Beckenboden wurde zwar nicht bei der Geburt, aber in den 9 Monaten davor extrem belastet. Deine Kaiserschnittnarbe sollte jedoch vollständig verheilt sein, bevor du mit anspruchsvollen Übungen beginnst. Starte zunächst mit den fürs Wochenbett empfohlenen Beckenbodenübungen, bevor du folgende Übung probierst:
- Aufrecht sitzen, Beckenboden anspannen und 5 Sekunden halten, dann lösen
- Mini-Plank: Auf Knien stützen, Unterarme am Boden, Bauch und Beckenboden aktivieren.
Trainingsplan mit den 5 besten Beckenbodenübungen:
Nach ein paar Wochen kannst du mit einem strukturierten Plan weitermachen. Ideal sind tägliche, kurze Einheiten, die nach und nach gesteigert werden. So bleibt der Beckenboden dauerhaft stark.
- Seitstütz: Auf der Seite stützen, Hüfte anheben, Beckenboden mit anspannen
- Beckenlift: Auf dem Rücken liegen, Becken anheben und dabei den Beckenboden aktivieren
- Schmetterling-Sitz: Im Schneidersitz, Fußsohlen zusammen, Beckenboden bewusst anspannen
- Katze-Kuh-Bewegung: Im Vierfüßlerstand Wirbelsäule im Rhythmus deines Atems rollen, dabei Beckenboden im gleichen Rhythmus mit anspannen
- Sitzball-Übung: Auf Gymnastikball sitzen, leicht federn und den Beckenboden kontrolliert anspannen.
Weitere Übungen findest du bei 7 Top-Übungen, die dich nach der Geburt fit machen.
Tipp: Dieser Trainingsplan ist eine hervorragende Ergänzung zu einem Rückbildungskurs. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen meist nur 10 Stunden Rückbildungsgymnastik, das ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wenn du deine alte Figur und Belastbarkeit zurückhaben möchtest, musst du etwas mehr tun. Melde dich zu einem Folgekurs an oder trainiere deinen Beckenboden zu Hause.
Sanftes Bauchmuskeltraining für frischgebackene Mütter
Viele Mütter wünschen sich nach der Geburt ihren flachen Bauch zurück. Mit einem gezielten Bauchmuskeltraining kannst du dir aber ruhig ein bisschen Zeit lassen. Frage deine Hebamme oder deine Frauenärztin bzw. deinen Frauenarzt, ob deine Bauchdecke schon stabil genug für Belastungen ist. Wenn du das "Go" hast, kannst du deinen Beckenübungs-Trainingsplan um folgende Bauchmuskelübungen erweitern. Führe auch diese immer behutsam und kontrolliert aus. Ziel ist es zunächst, die tiefe Bauchmuskulatur aufzubauen, ohne Druck auf die Bauchdecke zu erzeugen.
- Bauchatmung: Auf den Rücken legen, Hände auf den Bauch, beim Ausatmen sanft anspannen
- Vierfüßlerstand: Rücken gerade, beim Ausatmen Bauch und Beckenboden nach innen ziehen
- Plank mit Beckenbodenaktivierung: Unterarmstütz, Bauch und Beckenboden bewusst anspannen
Tipp: Wohin mit deinem Baby während des Rückbildungskurses? Nichts leichter als das: Die meisten Hebammenhäuser, Fitness-Studios oder Physiotherapeuten bieten Kurse an, bei denen dein kleiner Schatz herzlich willkommen ist. Dein Baby liegt mit einer Rassel auf seiner eigenen Decke und schaut mit großen Augen zu, was Mama gerade für Verrenkungen macht.
Die häufigsten Fragen zu Rückbildungsübungen nach der Geburt
Die Energielevels frisch gewordener Mütter variieren stark. Was du jedoch direkt nach der Geburt definitiv vermeiden solltest, sind Aktivitäten wie Joggen, Springen, intensive Kraftübungen oder gar CrossFit. Egal, wie sportlich du bist und wie fit du dich fühlst – dein Beckenboden ist dafür noch nicht bereit!
Eigentlich immer. Gib also den Gedanken nicht auf, weil du meinst, es sei jetzt ohnehin schon zu spät. Falls du nicht sofort nach der Entbindung mit dem Training angefangen hast, ist das völlig in Ordnung, denn prinzipiell kannst du zu jedem Zeitpunkt nach der Geburt mit der Rückbildung beginnen.
Eine Rektusdiastase ist ein senkrechter, breiter Spalt zwischen den geraden Bauchmuskeln. Dieser kann oberhalb oder unterhalb des Bauchnabels liegen und verschwindet nicht immer automatisch nach einer Schwangerschaft. Nach der Geburt hilft gezieltes Rückbildungs- und Core-Training, das sanft die tiefe Bauchmuskulatur stärkt. Übungen wie kontrolliertes Atmen, sanfte Aktivierung des Beckenbodens und später funktionelles Training stabilisieren die Körpermitte – intensive Bauchpressen oder Sit-ups sollten vermieden werden.





