Niemand will dir den Appetit auf ein Avocado-Brot verderben, denn auch wir lieben Superfoods! Laut Definition ist ein Superfood "ein nährstoffreiches Lebensmittel, das als besonders förderlich für Gesundheit und Wohlbefinden erachtet wird" (Oxford English Dictionary). Sie kommen zudem meistens von weit her, da sie bei uns nicht (oder nur schlecht) angebaut werden können und werden von einer riesigen Marketingmaschinerie als Wundermittel beworben.
Stellt sich nur die Frage, ob Superfoods auch gut für die Umwelt und die Menschen in den Herkunftsländern sind.
Der Gedanke liegt nahe, dass die große Nachfrage nach Avocados und Chiasamen aus Mexiko oder Gojibeeren aus China auch den jeweiligen Einwohnern gut tun muss. Schließlich verkaufen sie mehr und machen mehr Gewinn. Das stimmt leider nur zum Teil. Oft führen der Boom bei Superfoods und das damit erweckte Gewinnstreben zu gefährlichem Raubbau und anderen Problemen.
In diesem Artikel:
So zerstört der Avocado-Boom Mexiko
Mehr als 5 Millionen Tonnen Avocados sind weltweit pro Jahr in den letzten 3 Jahren geerntet worden. Der größte Teil davon wird in die USA und nach Europa exportiert. Laut World Avocado Organization haben allein die Europäer 2016 mehr als 460 Millionen Kilo Avocados verzehrt, 2017 sind es etwa 480 Millionen Kilo, für 2018 sind gar 550 Millionen Kilo prognostiziert. Dafür rührt die Organisation ordentlich die Werbetrommel, etwa mit E-Kochbüchern, Werbebussen und Kooperationen mit Einzelhändlern und Discountern.

Große Gewinne dank Avocadoanbau
Aber was hat das Herkunftsland von dem Boom? Rund 90 Prozent der mexikanischen Avocados werden im Bundesstaat Michoacán im westlichen Zentralmexiko angebaut. Mit der Folge, dass immer mehr Waldflächen für Avocadoplantagen gerodet werden. Und das, obwohl Avocados fast schon eine Investition in die Zukunft sind, denn neue Setzlinge können frühestens nach 7 Jahren erstmalig abgeerntet werden. Doch es lohnt sich. Schon der Besitz von rund 1000 Avocadopflanzen kann pro Jahr einen Gewinn von einer halben Million Dollar bringen. Bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von rund 10000 Dollar weckt das Begehrlichkeiten. Aber es entstehen auch massive ökologische Auswirkungen.
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Eine Avocadoplantage verbraucht doppelt so viel Wasser wie ein Pinienwald
Immer mehr Pinienwälder müssen den Avocadoplantagen weichen. Und der Wasserverbrauch ist enorm. "Rund 1000 Liter Wasser sind nötig, um 1 Kilo Avocados zu produzieren", erklärt Dr. Wilfried Bommert, Sprecher des Instituts für Welternährung e. V. (IWE) in Berlin. Zum Vergleich: In Deutschland werden nur 8 Liter für 1 Kilogramm Kartoffeln benötigt (wenn es normal regnet). "Bleibt die Avocado-Nachfrage so hoch, werden immer mehr in umweltschädlicher Plantagenproduktion hergestellt."

Zum Vergleich: In Deutschland werden nur 8 Liter für 1 Kilogramm Kartoffeln benötigt (wenn es normal regnet). Während die Vielschlucker-Avocados in Mexiko zu einer Wasserknappheit führen, die auch alle anderen Bauern betrifft, bringt gleichzeitig der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln das Land zum Ersticken.
Quinoa: Das "Gold der Inkas" wird zum Fluch
In Zeiten des Hypes um Produkte ohne Gluten und Co. steht das proteinreiche Pseudogetreide bei Sportlern und Fitness-Freaks hoch im Kurs. Von 2009 bis 2013 hat sich der Preis verzehnfacht. Als die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) 2013 auch noch zum Internationalen Jahr der Quinoa ausgerufen hatte, war nichts mehr zu stoppen.
Quinoa-Anbau ist für die Bevölkerung alles andere als "super"
Was für die Bauern mit Landbesitz einen Boom bedeutet, ist für die Bevölkerung der Anden eine mittlere Katastrophe, besonders für Peruaner und Bolivianer. Ihre Länder bauen den Großteil der Quinoa an. Dort herrscht dadurch eine Knappheit der Böden für Grundnahrungsmittel. Die Folge: Der Preis für diese Lebensmittel steigt und die Bevölkerung kauft gezwungenermaßen günstige aber nährstoffarme Pasta, Brot oder Kartoffeln, die den Magen füllen.

"Traditionell wird Quinoa im Hochland der Anden angebaut, denn dort bieten die Lehmböden die idealen Voraussetzungen", erklärt Experte Bommert. Um die Produktionsmenge zu erhöhen und der Nachfrage gerecht zu werden, wandern die Anbauflächen immer weiter in die Ebenen des Landes. "Dort ist der Boden viel nährstoffärmer, nicht so lehmhaltig und benötigt deutlich länger zum Regenerieren." Aber: "Die Erträge verringern sich dadurch, außerdem haben die Bauern mit Schädlingen zu kämpfen, die in den Höhen der Anden nicht aktiv sind." Weitere Folge: Bodenerosion, da Sträucher den Plantagen weichen müssen.
Kleine Chiasamen, große Belastung für die Umwelt
Auch Chiasamen haben in den letzten 5 Jahren eine rasante Entwicklung durchgemacht – speziell in Europa. Bis 2013 durften sie nur als Zutat in Backwaren verwendet werden, bis die EU schließlich die Genehmigung für den Verkauf von Chia-Produkten erheblich erweiterte.
2014 ist der Markt förmlich explodiert, seit 2015 sind die kleinen Körnchen auch im letzten Discounter angekommen.
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Diese extreme Erhöhung der Nachfrage hat auch den Preis in die Höhe schnellen lassen. Selbst Chia ohne Biosiegel wurde zeitweise für 10 Euro pro Kilo gehandelt. Mittlerweile ist der Preis aber wieder auf rund 2,50 Euro gesunken, weil der Anbau massiv ausgeweitet worden ist. Die Anbaufläche in Südamerika ist innerhalb eines Jahres um 240 Prozent angewachsen. Außerdem kamen Australien und Afrika als Produzenten hinzu.
Pestizide: Chiasamen sind oft stark kontaminiert
Wird in so kurzer Zeit so viel mehr Ware benötigt, kommt es schnell dazu, dass gefälschte, minderwertige Produkte in Umlauf kommen. "Bei Chiasamen ist vor allem der Einsatz von Spritzmitteln in Südamerika ein großes Problem", sagt Dr. Bommert. "Zwar gibt es auch viele kleine Biobauern, deren Felder liegen aber oft neben den großen industriellen und werden von dort kontaminiert."

Die Böden sind meist außerdem vom Sojaanbau belastet, sodass dies alles in den Chiasamen landet, wenn diese als Zwischenfrucht angebaut werden. Allen voran sind dann Herbizide wie Glyphosat, Diquat und Paraquat in den Pflanzen enthalten. Teilweise ist das so schlimm, dass Ware, die trotzdem auf dem Markt ist, eigentlich gar nicht verkauft werden dürfte. Auch Schimmelpilzgifte, so genannte Aflatoxine, sind in den Samen enthalten – diese können Krebs verursachen.
Greifen Sie zu Bio-Chiasamen
Für den Endverbraucher gilt: Nur Bioware ist wirklich vertrauenswürdig – wie Ellen Scherbaum vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Stuttgart bestätigt. Dort werden jährlich etwa 400 Proben von verschiedensten Bioprodukten überprüft und mit konventionellen Lebensmitteln verglichen. "Konventionelle Ware weist in etwa 90 Prozent der Fälle deutliche Pestizidrückstände auf; im Mittel sind diese 180-mal höher als bei Bioprodukten", sagt Scherbaum. Die bei diesen Produkten nachgewiesenen Rückstände sind oft durch Abdrift von anderen Feldern oder durch Kontamination bei der Verarbeitung entstanden. Und dieser immense Einsatz von Gift schädigt dabei nicht nur die Böden, die Umwelt und den Endverbraucher, sondern vor allem die Bauern, die das Gift auf die Pflanzen ausbringen müssen, und die Menschen, die in der Umgebung leben.

Dies ist natürlich nicht nur bei Chia ein Problem, sondern auch für Soja, Mais und Baumwolle. Alle Felder werden großflächig mit den Herbiziden und Pestiziden besprüht und in den umliegenden Dörfern häufen sich plötzlich die Fälle von Krebs oder Fehlgeburten sowie Probleme mit den Atemwegen oder dem Kreislauf.
Local Food statt Superfood
Was Superfoods von unseren hiesigen Lebensmitteln unterscheidet, ist in erster Linie das Image. Heimische Lebensmittel sind genauso gesund, haben dieselben gesunden Inhaltsstoffe in ähnlichen Mengen. Aber wie sexy sind schon Leinsamen, Grünkohl und Brokkoli im Vergleich zu Chia, Goji und Amaranth? Mithalten können sie allemal, wie unsere Gegenüberstellung zeigt:
- Leinsamen statt Chiasamen: Beschaffenheit und Inhaltsstoffe sind sich extrem ähnlich – Leinsamen aber kosten auch in Bio-Qualität nur einen Bruchteil.
- Hirse statt Quinoa: Nur 1 Gramm Eiweiß mehr steckt im Pseudogetreide Quinoa, außerdem 2 Gramm mehr Fett. Zudem enthält Hirse 2,5-mal so viel Eisen wie Quinoa.
- Heidelbeeren statt Gojibeeren: Zuckerhaltige Gojibeeren sind zwar sehr gesund, aber vor allem im Sommer liefern auch kalorienarme Beeren Antioxidantien.
- Grünkohl statt Granatapfel: Diese grüne Wunderwaffe ist ein Nährstoffgarant. Im Sommer einfach zur TK-Variante greifen.
- Brokkoli statt Moringa: Das Kohlgemüse ist ganzjährig in guter Qualität erhältlich. Außer bei Vitamin A und E hat es die Nase vorn, eine Portion deckt sogar den Vitamin-K 1-Bedarf.
- Rapsöl statt Kokosöl: In Rapsöl steckt mit die beste Zusammensetzung an ungesättigten Fettsäuren überhaupt. Soll es doch mal exotischer sein, dann greifen Sie lieber zu Leinöl und Olivenöl. Die rangieren ebenfalls unter den Öl-Stars.
- Sanddorn statt Acerola: Zwar enthält Sanddorn nur die Hälfte des Vitamin C von Acerola, aber das ist immer noch mehr als genug, denn der Überschuss des wasserlöslichen Vitamins wird ausgeschieden.
"Der Preis, der für das Image von Superfoods draufgeschlagen wird, ist bei heimischen Produkten einfach nicht drin, da ist die Marge nicht so hoch", weiß Experte Bommert. "Dabei enthalten alle unverarbeiteten Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Nüsse und Saaten eine Fülle von Vitaminen, Mineralien und sekundären Pflanzenstoffen, die extrem wichtig für den Körper sind. Eine ausgewogene mitteleuropäische Mischkost ist besser als eine Fixierung auf ein einzelnes Superlebensmittel."

Darin stecken zwar ein paar Wirkstoffe in extrem hoher Menge, ein paar andere kommen aber kaum vor. Deshalb ist eine gute Mischung auf dem Teller viel gesünder. Wer sich dann auch noch nach der Saison richtet und möglichst regional einkauft, spart Geld und reduziert auch den CO2-Ausstoß.
Fazit: Bio-Superfoods und heimische Lebensmittel bevorzugen
Niemand muss ganz auf Superfoods verzichten. "Kaufe aber nachhaltige Bio-Produkte, die zudem fair gehandelt werden", rät Dr. Wilfried Bommert. "Dann haben auch die Erzeuger und ihre Familien etwas davon." Der Marktanteil der Bioware entspricht allerdings derzeit nicht mal 10 Prozent.
Und vergiss' nicht: Superfoods ergänzen deine Ernährung lediglich. Die Auswirkungen deiner schlechten Gewohnheiten, wie: viel Junkfood, Alkohol, Rauchen und zu wenig Schlaf können Quinoa & Co. auch nicht ausgleichen. Dein Fokus sollte auf heimischen Produkten wie Spinat, Leinsamen und Beeren liegen – gern in bio. Denn diese sind auch supergesund – und günstig noch dazu.