Trainingsmythos im Check: Müssen Männer und Frauen anders trainieren?

Trainingsmythos im Check
Sollten Männer und Frauen unterschiedlich trainieren?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 20.11.2025
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Eine Frau und ein Mann beim Krafttraining
Foto: PeopleImages / GettyImages

Lange Zeit galt im Fitness-Studio ein klares Bild: Männer heben Gewichte, Frauen machen Kurse und Ausdauertraining, um "schlank" zu bleiben. Viele Frauen hielten sich deshalb von der Hantelbank fern, aus Angst, zu muskulös zu werden oder "wie eine Bodybuilderin" auszusehen.

Auch wenn diese Vorstellung natürlich längst überholt ist, und immer mehr Frauen auf Krafttraining setzen, bleibt die alte Erzählung bestehen, dass Frauen wegen ihrer Biologie anders trainieren sollten als Männer. Soziale Medien sind überfüllt mit zyklus-synchronisierten Trainingsplänen, "frauenfreundlichen" Routinen und rosafarben verpackten Nahrungsergänzungsmitteln. Aber woher kommen diese Empfehlungen – und sind sie gerechtfertigt?

Die Hormon-Hypothese

Die Vorstellung, dass Frauen andere Workouts brauchen als Männer, stützt sich in der Regel auf eine Sache: die unterschiedliche Ausstattung mit Hormonen, insbesondere Testosteron. Der Hormon-Fokus hat eine Welle von geschlechtsspezifischen Trainingsideen ausgelöst, obwohl in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Studien an Frauen gezeigt haben, dass die Prinzipien für Kraft- und Muskelaufbau für beide Geschlechter gleich sind.

Tatsache ist: Männer haben von Natur aus deutlich mehr Testosteron, was beim Muskelaufbau hilft. (Es gibt tatsächlich einen 15-fachen Unterschied in den zirkulierenden Testosteronwerten zwischen Männern und Frauen.) Während der Pubertät erleben junge Männer einen großen Hormonanstieg, der die Entwicklung bestimmter Geschlechtsmerkmale – einschließlich wachsender Muskelmasse – auslöst. Das beeinflusst die jeweiligen Ausgangspunkte. Vergleicht man Männer und Frauen, die noch nie Gewichte gehoben haben, wird der durchschnittliche Mann typischerweise stärker und muskulöser sein als die durchschnittliche Frau. Aber sobald beide an das Heben gewöhnt sind, bauen Männer und Frauen in gleichem Tempo Muskeln auf, bestätigte eine aktuelle Meta-Analyse.

Richtig gelesen: Frauen bauen Muskeln genauso effektiv auf wie Männer. Der wichtigste Faktor, der bestimmt, wie sich deine Muskeln anpassen und wachsen, ist nicht, ob du männlich oder weiblich bist – sondern wie du trainierst.

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Brauchen Frauen zyklusbasiertes Training?

Du fragst dich, wie weibliche Sexualhormone dabei eine Rolle spielen? Östrogen und Progesteron schwanken natürlich während des Menstruationszyklus, und einige Trainierende und Coaches glauben, dass diese Veränderungen unterschiedliche Fitnessansätze zu verschiedenen Zeiten des Monats erfordern. Soziale Medien haben das sogenannte "Cycle Syncing" populär gemacht – die Idee, dass Frauen die Intensität und Art ihres Trainings an die hormonellen Veränderungen des Menstruationszyklus anpassen sollten.

Zyklus-synchronisierte Trainingsprogramme variieren. Einige empfehlen völlig unterschiedliche Trainingsarten – Krafttraining, HIIT-Kurse, Laufen oder Radfahren, Yoga – für jede Zykluswoche. Andere raten Frauen, sich in der Woche vor ihrer Periode auszuruhen oder nur leicht zu dehnen, in der Erwartung, sich schwächer zu fühlen und weniger Energie zu haben. Befürworter behaupten, die Methode verbessere die Trainingsleistung und das Muskelwachstum – obwohl sie das gesamte Volumen und die Häufigkeit des Krafttrainings deutlich reduziert.

Fakt ist: Die wissenschaftliche Evidenz für diesen Ansatz ist bisher begrenzt. Wer das Training jede Woche drastisch ändert, reduziert oft das Trainingsvolumen und bremst so den Fortschritt. Dennoch kann es für einige Frauen motivierend sein, die Übungen an den Zyklus anzupassen.

Tipp: Menstruationsbeschwerden sind ein Grund, das Training anzupassen oder Pausen einzulegen. Langfristig zählen aber vor allem Regelmäßigkeit und progressive Belastung, egal zu welchem Zykluszeitpunkt.

Krafttraining in der Menopause

Einige Influencerinnen behaupten auch, dass Frauen in der Perimenopause immer zu Hormontherapie und Nahrungsergänzung greifen sollten, um Muskeln zu erhalten. Aber hormonelle Veränderungen während des Übergangs zur Menopause verursachen keinen einzigartigen Muskelverlust – und der Verlust in der Lebensmitte ist nicht ausschließlich ein weibliches Phänomen (Männer erleben ebenfalls altersbedingte Abnahmen). Deshalb wird Krafttraining in dieser Lebensphase umso wichtiger. Muskeln zu erhalten ist wie Geld für den Ruhestand zu sparen: Was du jetzt investierst, beeinflusst deine Lebensqualität später.

Wie Marketing die Spaltung befeuert

Viele Fitnessprogramme für Frauen versprechen "definierte" oder "schlanke" Muskeln, oft mit zu leichten Gewichten, die keinen ausreichenden Trainingsreiz setzen. Wer aber effektiv Muskeln aufbauen oder stärker werden möchte, sollte mit herausfordernden Gewichten trainieren, sodass am Ende eines Satzes nur noch wenige Wiederholungen möglich sind. Das gilt nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen.

Die Grundprinzipien fürs Krafttraining für Männer wie Frauen:

  • Konsistenz: Regelmäßig trainieren, statt ständig neue Pläne auszuprobieren
  • Progression: Gewichte oder Wiederholungen schrittweise steigern
  • Anstrengung: 5–20 Wiederholungen pro Satz mit belastendem Gewicht
  • Langfristiger Fokus: Mindestens 2 bis 3 Monate an den Übungen bleiben, bevor Änderungen erfolgen

Lass dir also kein Training als spezifisch "weiblich" verkaufen – was zählt, sind allein deine Wünsche und Ziele.

Fazit