Rückwärtslaufen: So effektiv ist der FItness-Trend Retro-Walking

Rückwärtslaufen
Retro-Walking: Diese Effekte hat der abgefahrene Fitness-Trend auf deinen Körper

ArtikeldatumVeröffentlicht am 26.09.2025
Als Favorit speichern
Turnschuhe einer Frau, die auf einer Straße walken geht
Foto: EyeEm Mobile GmbH / GettyImages

Gehen ist eine der einfachsten Möglichkeiten, um aktiv zu bleiben, aber was wäre, wenn du den Spieß umdrehen und mal rückwärts gehen würdest?

Rückwärtsgehen (auch bekannt als Retro-Walking) ist ein Fitness-Trend, der aktuell aufgrund seiner überraschenden Vorteile Aufmerksamkeit erregt. Bist du bereit, mit Retro-Walking einen Schritt vorwärts (äh, rückwärts) zu machen? Dann legen wir los.

Woher kommt Rückwärtsgehen als Fitness-Training?

Auch wenn es neu erscheinen mag, hat Retro-Walking seine Wurzeln in alten chinesischen Gesundheitspraktiken, wo es zur Förderung des Gleichgewichts im Körper eingesetzt wurde. Im Gegensatz zum traditionellen Vorwärtsgehen fordert diese unkonventionelle Praxis deinen Körper auf neue Weise heraus, verbessert das Gleichgewicht, die Koordination und die Kraft und stärkt gleichzeitig dein Herz-Kreislauf-System, wie eine 2019 in BMC Musculoskeletal Disorders veröffentlichte Studie zeigt.

"Wenn du nicht regelmäßig rückwärts gehst, ist dies wahrscheinlich ein völlig neues Bewegungsmuster für deinen Körper", sagt Rachel Tavel, DPT, CSCS, Physiotherapeutin und Kraft- und Konditionstrainerin. "Durch die Einführung eines neuen Bewegungsmusters forderst du dich selbst auf neue Weise heraus, sowohl mental als auch körperlich."

Welche Vorteile hat Retro-Walking?

Ganz gleich, ob du deine Walk-Routine aufpeppen, wenig beanspruchte Muskeln trainieren oder sogar Schmerzen lindern möchtest – dieses gelenkschonende Cardio-Training bietet viele Vorteile. Achte jedoch darauf, Sicherheit an erste Stelle zu setzen, langsam zu beginnen und dich an eine kontrollierte Umgebung zu halten, um Verletzungen zu vermeiden (weitere Tipps dazu findest du weiter unten).

So setzt Retro Walking neue Trainingsreize für deinen Körper

Der Hauptvorteil des Rückwärtsgehens besteht darin, dass es im Vergleich zum Vorwärtsgehen andere Muskeln beansprucht, indem es andere muskuläre Anforderungen an den Unterkörper stellt, erklärt Dr. Winnie Yu, PT, DPT, CSCS, Expertin für Physiotherapie bei Bespoke Physical Therapy in New York City. "Dabei werden deine Waden, die Muskeln um deine Schienbeine (die Tibialis anterior) und die Quadrizepse etwas anders beansprucht als beim normalen Gehen", sagt sie. Da die Tibialis anterior für das Anheben des Fußes während des Gangzyklus sehr wichtig ist, kann die Stärkung dieses Muskels älteren Erwachsenen sogar helfen, das Stolperrisiko zu verringern, fügt Tavel hinzu.

Rückwärtsgehen stärkt aber nicht nur die Beine, sondern verbessert auch Beweglichkeit und Stabilität, weil es deinen Bewegungsradius und die Koordination durch die neue Art der Fortbewegung herausfordert. Eine Studie im International Journal of Exercise Science zeigte: Schon 10–15 Minuten Rückwärtsgehen pro Tag, 4-mal pro Woche über 4 Wochen, verbesserten bei gesunden Frauen zwischen 20 und 40 Jahren die Flexibilität der Oberschenkelrückseite deutlich. Und laut einer im Journal of Exercise Physiology veröffentlichten Studie half bei College-Sportler:innen dieselbe Menge Rückwärtsgehen über 3 Wochen hinweg dabei, Rückenschmerzen zu lindern.

So fördert Rückwärtsgehen deine Ausdauer

Wie das Vorwärtsgehen ist auch das Rückwärtsgehen eine großartige Möglichkeit, um ein gelenkschonendes Cardio-Training zu absolvieren. "Jede Art von Cardio-Training hat das Potenzial, deine kardiovaskuläre Ausdauer zu verbessern", sagt Yu. "Und aufgrund der neuen Anforderungen an die Muskelgruppen beim Rückwärtsgehen kann es deine Herzfrequenz im Vergleich zum normalen Gehen etwas mehr erhöhen", sagt sie.

Rückwärtsgehen ist auch eine effektive Methode, um das Gleichgewicht zu trainieren. Eine 2019 in Gait & Posture veröffentlichte Studie zeigte: Wer 3- bis 4-mal pro Woche für jeweils 10 bis 15 Minuten rückwärtsgeht, verbessert sein Gleichgewicht stärker als Menschen, die vorwärtsgehen oder gar nicht aktiv sind. Der Grund: Beim Rückwärtsgehen verlässt man sich weniger auf das Sehen und stärker auf andere Sinne – das schult die Balancekontrolle. Zusätzlich werden andere Muskeln und Gelenke beansprucht, was die Stabilität noch einmal extra fordert, erklärt Tavel.

Eine Reihe weiterer Studien hat die Vorteile des Rückwärtsgehens für bestimmte Erkrankungen hervorgehoben. So hat sich beispielsweise laut einer im North American Journal of Medical Sciences veröffentlichten Studie gezeigt, dass es bei Menschen mit Kniearthrose zu einer deutlichen Schmerzlinderung führt. Das Rückwärtsgehen auf einer Steigung hat laut einer 2021 im Iranian Journal of Public Health veröffentlichten Studie sogar dazu beigetragen, die Symptome einer Plantarfasziitis zu lindern. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass es die Mobilität, das Gleichgewicht und den Gang von Personen verbessert, die sich von einem Schlaganfall erholen und mit Multipler Sklerose leben, wie aus einer 2020 in Medicine veröffentlichten Studie bzw. einer 2023 in Multiple Sclerosis and Related Disorders veröffentlichten Studie hervorgeht.

Retro-Walking lässt sich leicht jedem Fitnesslevel anpassen

Retro-Walking kann eine gute Option für Menschen sein, die sich von einer Verletzung oder Operation erholen, sowie für ältere Erwachsene mit eingeschränkter Mobilität. Wenn du nach einer Operation wieder langsam mit dem regelmäßigen Gehen beginnst, kann Retro-Walking dir dabei helfen, dein Gleichgewicht und deine Koordination zu verbessern, sagt Yu. "Es ist auch eine sanfte Methode, um deine Muskeln zu aktivieren, wenn du noch nicht ganz bereit für ein vollständiges Krafttraining bist."

Aber auch für gesunde, aktive Menschen kann es eine großartige Übung sein. Wie jede andere Form von Aktivität kann man Retro-Walking je nach Geschwindigkeit und Steigung mehr oder weniger anstrengend gestalten, sagt Janet Dufek, PhD, Professorin für Kinesiologie und Ernährungswissenschaften an der University of Nevada. "Menschen, die Sportarten ausüben, die schnelle multidirektionale Bewegungen erfordern, wie American Football, Fußball oder Tennis, können definitiv davon profitieren, Retro-Walking mit Geschwindigkeiten zu praktizieren, die ihren sportlichen/aktivitätsbezogenen Anforderungen entsprechen", sagt Tavel.

Wie solltest du mit dem Retro-Walking starten?

Wie viel du gehst, hängt von deinen Zielen ab, sagt Yu. Für ältere Erwachsene oder Menschen, die sich von einer Verletzung erholen, sollte der Schwerpunkt auf dem schrittweisen Aufbau liegen. "Du könntest mit 5 Minuten beginnen, dich dann auf 10 Minuten steigern und von dort aus weiter erhöhen", sagt sie. "Dieser Fortschritt kann eine Herausforderung sein, insbesondere wenn deine normalen Bewegungsmuster gestört waren."

Für aktivere Personen empfiehlt Yu, mit etwa 20 Minuten auf einer leichten Steigung zu beginnen – entweder auf einem Weg im Freien oder auf einem Laufband – und die Dauer von dort aus schrittweise zu steigern. "Du kannst dich auf 30, 40 Minuten oder sogar eine Stunde steigern, um die Vorteile des Cardio-Trainings in Zone 2 zu nutzen", erklärt sie. Mit diesem Ansatz kannst du verschiedene Herzfrequenzbereiche erreichen und gleichzeitig die Vorteile für Herz und Stoffwechsel nutzen.

Befolge die 10-Prozent-pro-Woche-Richtlinie, um Überlastung zu vermeiden, sagt Dufek. "Steigere die Intensität oder Dauer um nicht mehr als 10 Prozent pro Woche", sagt sie und merkt an, dass ein gewisser Muskelkater normal ist, während dein Körper sich an dieses neue Bewegungsmuster gewöhnt. Um Rückwärtsgehen in deine Routine zu integrieren, schlägt sie vor, während eines längeren Spaziergangs oder Laufs Intervalle einzubauen – gehe etwa alle 5 Minuten für eine kurze Strecke rückwärts.

Yu empfiehlt außerdem, das Rückwärtsgehen als Aufwärmübung auszuprobieren. "Beginne mit 5 bis 10 Minuten vor deinem Haupttraining, um deine Muskeln vorzubereiten und deine Koordination zu verbessern", sagt sie.

Kann Rückwärtsgehen dir dabei helfen, deine Cardio-Ziele zu erreichen?

Auf jeden Fall! Die rückwärts gelaufenen Minuten zählen zu deinem täglichen Aktivitätsziel. Aber es ist kein perfekter Ersatz für normales Cardio-Training wie Vorwärtsgehen, sagt Tavel. "Es hat nicht dieselben Vorteile wie kontinuierliches Vorwärtsgehen und es kann schwieriger sein, es über längere Strecken durchzuhalten", sagt sie. Betrachte es einmal so: Vorwärtsgehen beansprucht eine größere Anzahl von Muskeln und sorgt für eine sehr gleichmäßige und natürliche Bewegung, was ideal für den Aufbau von Ausdauer ist. Rückwärtsgehen ist fokussierter und erfordert mehr Gleichgewicht und Konzentration, sodass es schwieriger ist, es über einen längeren Zeitraum durchzuhalten.

Dennoch kann Rückwärtsgehen laut Yu eine großartige Ergänzung sein, wenn du unter der Woche bereits intensiveres Cardio-Training wie zügiges Gehen oder Laufen betreibst. Es ist gelenkschonend und trainiert die Beinmuskulatur auf andere Weise. "Normalerweise bewegt man sich beim Rückwärtsgehen langsamer, wodurch man in den niedrigeren Herzfrequenzbereichen bleibt und ganz andere Vorteile als bei hochintensiven Workouts erzielt", erklärt Yu. Es ist also kein Ersatz, sondern eine unterhaltsame Abwechslung.

Wie du Retro-Walking sicher ausübst

Ganz gleich, ob du Retro-Walking zum Spaß oder zur Fitness ausprobierst, Sicherheit sollte oberste Priorität haben. Hier sind die Empfehlungen der Expertinnen, um es auszuprobieren:

  • Beginne auf einem Laufband: Die Verwendung eines Laufbands ist eine gute Möglichkeit, deine Umgebung zu kontrollieren und dich gleichzeitig mit dem Rückwärtsgehen vertraut zu machen. "Auf einem Laufband befindest du dich auf einer stabilen, sich bewegenden Oberfläche – ohne zufällige Personen, Bordsteinkanten oder Risse, über die du stolpern könntest“, sagt Yu. Fange langsam an, bei etwa 3 km/h und ohne Steigung, und steigere dich kontinuierlich. Sobald du dich damit wohlfühlst, steigerst du das Tempo schrittweise auf bis zu ca. 5 km/h (die durchschnittliche Gehgeschwindigkeit). Von dort aus kannst du zu einer leichten Steigung übergehen, um die Herausforderung zu erhöhen.
  • Achte auf deine Körperhaltung: Spanne deine Körpermitte an und vermeide es, dich beim Gehen nach hinten zu lehnen. "Du musst oft nach hinten schauen, also stelle sicher, dass du dich dabei wohlfühlst, bevor du dies in deine Routine aufnimmst“, sagt Tavel. Beginne mit kleinen Schritten, lass zuerst deine Zehen aufsetzen und rolle dann über den Fuß ab. "Beuge deine Knie leicht, um deine Oberschenkelmuskeln zu aktivieren und deine Gelenke zu schonen", sagt Yu.
  • Lass dich bei Bedarf unterstützen: Für ältere Erwachsene oder Menschen mit Seh- oder Gleichgewichtsproblemen ist es sinnvoll, eine Begleitperson dabeizuhaben. "Starte nicht zu schnell und sorge bei Bedarf immer für Aufsicht", rät Tavel. Wenn Schwindel, Schmerzen oder Unsicherheit auftreten, solltest du sofort aufhören. "Retro-Walking eignet sich nicht für jeden, insbesondere nicht für Menschen mit bestimmten vestibulären, neuromuskulären oder muskuloskelettalen Problemen", sagt sie.
  • Wähle deinen Weg mit Bedacht: Wenn du das Rückwärtsgehen vom Laufband nach draußen verlegst, solltest du dir einen sicheren, freien Weg suchen. "Mach dich mit der Umgebung und dem Untergrund vertraut und wähle eine Zeit, in der es weniger belebt ist", empfiehlt Yu. Parks, ruhige Einfahrten oder Laufbahnen eignen sich besser als Gehwege, die oft uneben und überfüllt sind. Für zusätzliche Stabilität zu Beginn kannst du nahe an einer Wand oder einem Geländer gehen – oder einen Trainingspartner mitnehmen, rät Tavel.

Fazit: Retro-Walking lohnt sich

Retro-Walking stärkt nicht nur deine Muskeln, deine Balance und dein Herz-Kreislauf-System, es kann auch Schmerzen lindern und lässt sich an jedes Fitnesslevel anpassen. Egal ob du dem Trend als Einstieg nach einer Pause, als Aufwärmübung oder als neue Trainingsvariante eine Chance geben möchtest, Rückwärtsgehen bringt etwas Abwechslung in deine Routine und setzt neue Trainingsreize.